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Ist das neue Klinikgutachten der Todesstoß für die Virngrund–Klinik?

Ellwangen / Lesedauer: 5 min

So reagieren der OB das Bündnis zum Erhalt des Ellwanger Krankenhauses auf das neue Gutachten zur Klinikstruktur auf der Ostalb.
Veröffentlicht:28.04.2023, 05:00

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Jetzt doch wieder anders: In einem neuen Gutachten zur Klinikstruktur auf der Ostalb haben die Professoren Boris Augurzky und Christian Karagiannidis ein Zentralklinikum für das gesamte Kreisgebiet empfohlen. Für die Virngrund–Klinik könnte das bedeuten, dass das Ellwanger Haus nur noch ein rein ambulantes Behandlungsspektrum vorhalten könnte, demnach gar kein richtiges Krankenhaus mehr wäre. Eine Idee, die insbesondere beim „Bündnis für eine starke Sankt–Anna–Virngrund–Klinik auch in Zukunft“ nicht gut ankommt. Das Ende März gegründete Bündnis besteht aus allen Gemeinderatsfraktionen (CDU, Grüne, SPD und FW/FBE), den Anna–Schwestern und dem Freundes– und Förderkreis.

Das empfohlene Zentralklinikum, das wahrscheinlich bei Essingen gebaut wird, soll laut dem Gutachten das in der Krankenhausreform festgelegte Level 3 der Maximalversorgung erreichen. Die Virngrund–Klinik in Ellwangen müsse dafür aber auf ein ausschließlich ambulantes Behandlungsspektrum reduziert werden. In das jetzt neue Gutachten sind die Pläne des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach eingeflossen, die die Kliniken in Deutschland in Level einteilen. Das erste Gutachten hatte sich für die sogenannte Variante 2d ausgesprochen. Dabei wäre neben einem neugebauten Zentralklinikum zwischen Schwäbisch Gmünd und Aalen die Virngrund–Klinik als Basisversorger mit Notaufnahme, Chirurgie und Intensivstation erhalten geblieben. In der Märzsitzung des Gemeinderats hatte Landrat Joachim Bläse diese Variante aber bereits infrage gestellt.

Die neuesten Erkenntnisse sähen schon so aus, wie sie der Landrat gerne haben wolle, sagt OB Michael Dambacher. Das sei zum Teil der Tenor beim Treffen des Bündnisses am Mittwochabend gewesen. Unterm Strich ist es laut dem Verwaltungschef unstrittig, dass man ein starkes Zentralklinikum benötigt. Doch er verstehe nicht, warum man jetzt wieder von 2d abweichen wolle, wobei die Variante ja auch nicht vom Tisch sei. „2d ist für das Bündnis die stimmigste Lösung“, so Dambacher.

Welche Variante auch kommt, für die sich der Kreistag entscheiden wird, für den OB sind zahlreiche Fragen bisher noch unbeantwortet. Die Kostensituation, die Personalfrage und die Leistungen, die angeboten werden — das sei alles noch ungelöst.

Laut Dambacher will sich das Bündnis in Zukunft stark dafür einsetzen, die Menschen in der Region über die Konsequenzen und Optionen der Klinikreform zu informieren. Man müsse die beste Lösung für den Kreis finden. Wichtig sei aber, „dass die Menschen im Nordosten nicht vergessen werden“.

Herbert Hieber, Fraktionsvorsitzender der SPD, favorisiert ebenfalls die 2d–Lösung, die Ellwangen und den Virngrund seiner Meinung nach in eine gute Versorgungslage bringen würde. Diese würde die Zusammenlegung des Ostalb–Klinikums mit dem Stauferklinikum Schwäbisch Gmünd zum Ziel setzen. Die Ellwanger Virngrund–Klinik würde nach diesem Plan wie bisher bestehen bleiben. Die neue Empfehlung könne Hieber nicht nachvollziehen. „Die Gegebenheiten haben sich im Ostalbkreis ja nicht verändert“, sagt Hieber.

Dass der Fachkräftemangel, der in dem Gutachten als eines der Argumente für das Zentralklinikum herangeführt wird, ein großes Problem ist, sei schon vor einem Jahr erkennbar gewesen. Zudem hält der Fraktionsvorsitzende es für unwahrscheinlich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz einfach so wechseln würden. Im Gutachten heißt es, dass die positiven Aspekte des Zentralklinikums für Mitarbeitende überwiegen werden.

Doch was bedeutet eine zentrale Klinik zwischen Aalen und Essingen für den Raum Ellwangen? Bettina Vierkorn–Mack (CDU) spricht von vielseitigen Auswirkungen für den Virngrund. 19 Prozent des nordöstlichen Teils des Kreises seien durch die vorgeschlagene Klinikstruktur dann nicht mehr abgedeckt. „Das sind sehr viele Menschen, die in Notfällen große Schwierigkeiten haben werden, rechtzeitig medizinische Versorgung zu erhalten“, sagt Vierkorn–Mack.

Hieber ist der Ansicht, dass eine unvollständige Virngrund–Klinik Ärzte davon abhalten würde, sich im Raum Ellwangen anzusiedeln. „Dadurch wäre Ellwangen doppelt betroffen von dieser Entscheidung“, sagt der Fraktionsvorsitzende. Vierkorn–Mack teilt diese Meinung. „Die Rechnung wird nicht aufgehen, wie sich das der Landkreis vielleicht vorstellt“, so die CDU–Politikerin.

Berthold Weiß, Fraktionsvorsitzender der Grünen, befürchtet sogar, dass der Virngrund Ärzte durch das empfohlene Klinikkonzept verlieren könnte. „Was die ärztliche Versorgung angeht, sind wir im nordöstlichen Kreisteil schlechter ausgestattet“, sagt Weiß. Durch die vorgeschlagene Reform würde es in dieser Hinsicht weiter bergab gehen.

Für Vierkorn–Mack wird die Virngrund–Klinik in der Bewertung der Gesundheitsversorgung falsch eingeschätzt. „Für mich ist es unverständlich, wie so ein Krankenhaus mit diesen optimalen Strukturen und hervorragender Ausstattung in der Zukunftsplanung keine größere Rolle spielt“, erklärt Vierkorn–Mack. In den vergangenen Jahren wurden 120 Millionen Euro in die Sanierung der Klinik investiert.

Eine finale Entscheidung über die Kliniken ist noch nicht getroffen. Die CDU werde sich weiterhin für den Erhalt der Virngrund–Klinik engagieren, sagt Vierkorn–Mack. Herbert Hieber wäre für eine Alternative der 2d–Lösung offen, wenn es sie denn geben würde. „Im Moment sehe ich aber keine andere Option“, so der Fraktionsvorsitzende der SPD. Der Königsweg würde noch nicht vorliegen.

„Es geht uns nicht um Lokalpatriotismus. Uns ist klar, dass sich der Landkreis in einer schwierigen Situation befindet“, erklärt Weiß. Trotzdem müsse die Grund– und Notversorgung im Virngrund sichergestellt werden — eine Forderung, die mit der neuen Empfehlung nicht realisiert werden könne.