Medica: Energiekrise und fehlende Digitalisierung bringen Krankenhäuser in Not

Mit einem anderen Finanzierungsmodell will Gesundheitsminister Lauterbach Krankenhäuser aus dem "Gewinn-Hamsterrad" holen. Und die Digitalisierung soll helfen.

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Lauterbach auf der Medica

(Bild: Marie-Claire Koch)

Lesezeit: 4 Min.
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Der Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD), Dr. Josef Düllings, richtete auf dem 45. Krankenhaustag im Rahmen der Medica alarmierende Worte an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Für die Krankenhäuser habe es noch nie eine derartige Krise gegeben, daher hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) die Aktion Alarmstufe Rot ins Leben gerufen. Demnach schreiben 60 Prozent der Krankenhäuser laut der DKG rote Zahlen – die zunehmende Bürokratie belaste Personal und verschärfe den Fachkräftemangel. Das sei neben einer Misstrauenskultur und einem überreglementierten System auch das Ergebnis einer fehlenden Digitalisierung.

Nach mehr als zwei Jahren Pandemie stellt infolge der Energiekrise die steigende Inflation Krankenhäuser vor die nächste Herausforderung. Die Fallpauschalen, die die Krankenhäuser erhalten, sind jedoch nicht im gleichen Maße mitgestiegen. "Energie, Medizinprodukte, Dienstleistungen und vieles mehr haben sich so stark verteuert, dass zahlreiche Kliniken in extreme wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten".

Die Ursachen der Krise bestünden darin, dass es für die Krankenhäuser derzeit keine nachhaltige Finanzierung gibt. Beispielsweise schließen manche Krankenhäuser ihre Geburtshilfen, da sich diese erst ab 1000 Geburten lohnen würden. Düllings forderte Lauterbach abschließend auf: "Sagen Sie uns, wie wir Ihnen helfen können, damit wir Ihnen helfen können".

Dass die Krankenhäuser in großer Not sind, erkenne er, antwortete Lauterbach. Dies ist seiner Ansicht nach vor allem der Pandemiebewältigung geschuldet. Dabei sei Deutschland besser durch die Krise gekommen als die Nachbarländer. Es seien "wichtige Strukturreformen" notwendig. "Die Krankenhäuser haben uns durch die Pandemie-Krise gebracht. Wir müssen die Krankenhäuser durch die Energiekrise bringen", sagte Lauterbach. Bereits auf dem 126. Deutschen Ärztetag hatte er gesagt, aus dem DRG-System (Diagnosis Related Groups) zur Errechnung der Fallpauschalen ein hybrides DRG-System machen zu wollen. Lauterbach hatte damals die Einführung des DRG-Systems unterstützt, allerdings habe er auch damals schon auf Probleme des Systems hingewiesen. Ein vollständig auf DRGs basierendes Finanzierungsmodell habe sich nicht bewährt. Kritiker bemängelten, dass es durch zu kurze Aufenthalte in Krankenhäusern zu "blutigen Entlassungen" komme.

Jetzt wolle Lauterbach die Basisfinanzierung der Krankenhäuser "auf einen anderen Sockel" stellen. In Zukunft soll das bisherige DRG-System abgelöst werden – wodurch ist bisher unklar. Krankenhäuser sollen raus aus dem "Gewinn-Hamsterrad". Bei der Krankenhausreform soll auch die Telemedizin eine Rolle spielen, damit Fachärzte aus anderen Häusern zurate gezogen werden können – etwa, wenn ein kleineres Krankenhaus nicht über einen entsprechenden Experten verfügt.

Außerdem sollen die anstehenden Änderungen "so unbürokratisch, wie es geht", sein. Er wolle die Kliniken auch dadurch entlasten, dass Patienten – je nach ihrem Zustand – vermehrt zu Hause übernachten und lediglich zur stationären Behandlung in die Klinik kommen sollen. Schrittweise sollen die Reformen umgesetzt werden, zunächst dort, wo sie laut Lauterbach am meisten benötigt wird.

Da er die "größte Not" bei den Kinderkliniken sehe, sollen diese zuerst ent-ökonomisiert werden, sagte der SPD-Politiker weiter. Im Rahmen der Reform werde die Finanzierung der Krankenhäuser auch an bestimmte Bedingungen geknüpft. So müssten Krankenhäuser mit Geburtshilfe beispielsweise auch über eine Pädiatrie und Neonatalogie sowie eine Mindestfallgröße verfügen.

Der Bundesgesundheitsminister versprach Förderungen im zweistelligen Milliardenbereich: Zuzüglich der Zuzahlungen für die Strom- und Gaspreisbremse sicherte er in Abhängigkeit von den jeweiligen Energiepreisen eine Finanzierung von 6 Milliarden für die Krankenhäuser und 2 Milliarden für die Pflege bis 2024 zu. Das Geld werde zugeteilt und soll sich an der vorhandenen Bettenanzahl in den Krankenhäusern orientieren. Energieselbstbehalte für Krankenhäuser werde es nicht geben. Energiesparen sei zwar wichtig, aber "im Krankenhaus darf niemand frieren und es darf kein MRT ausfallen, weil Strom und Gas teuer sind".

In der anschließenden Diskussionsrunde zeigten sich Düllings und der DKG-Vorstand Gaß trotz Lauterbachs Versprechen skeptisch. Düllings forderte, diesen "Überschriften" müssten auch Taten folgen. In den nächsten zwei Wochen möchte Lauterbach die Vorschläge der Expertenkommission zur Reform der Krankenhausvergütung vorstellen. Bis es tatsächlich zu Reformen komme, werde es höchstwahrscheinlich noch dauern.

(mack)