Krankenhauslandschaft Leere Betten, volle Notaufnahmen: Das Angebot passt nicht mehr zur Nachfrage

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Die Situation in vielen Kliniken sieht derzeit wie folgt aus: Die Bettenauslastung ist niedrig, die Notaufnahmen quellen über und das Personal ist vielerorts am Anschlag. Problem: Das Dienstleistungsangebot der Kliniken passt nicht mehr zur Nachfrage. Eine Problemstellung, die bislang wenig diskutiert wurde, aber durch das Krankenhausreformkonzept der Regierungskommission gelöst werden könnte.

Leere Betten volle Notaufnahmen
Wie kann man dem Ungleichgewicht hinsichtlich Angebot und Nachfrage bei Krankenhausleistungen mit der Krankenhausreform entgegen wirken? – © upixa (stock.adobe.com)

Seit sehr vielen Jahren wird das Thema Ambulantisierung in den Kliniken diskutiert. Nachdem das IGES Institut im letzten Jahr ein Gutachten vorgelegt hatte, das eine Vervielfachung der ambulant möglichen Leistungen, die aktuell noch stationär in den Krankenhäusern erbracht werden, aufgerufen hatte, war kurzerhand große Unruhe in den Kliniken zu spüren. Ein Großteil der Kliniken in Deutschland ist strukturell und prozessual aktuell noch nicht dafür ausgerichtet das stationäre Setting in größeren Teilen ambulant zu erbringen. Dies ist mitunter durch die Anreize des deutschen Vergütungssystems im Gesundheitswesen verbunden, das stationäre Leistungen deutlich attraktiver vergütet als ambulante Leistungen. Spätestens die zweite Stellungnahme der Regierungskommission im Herbst und natürlich die dritte Stellungnahme, welche einen Entwurf der Krankenhausreform im Detail skizziert, legen den Finger in die Wunde. Es sind Stellungnahmen, die auf den objektiven Erkenntnissen der letzten Jahre beruhen und eine deutliche Veränderung des strukturellen Klinikangebotes beinhalten. Schaut man sich die Situation in den Kliniken bzw. im gesamten Gesundheitsmarkt an, dann kann man die Stellungnahme der Regierungskommission an vielen Stellen als richtig einstufen. An einigen Stellen besteht aber Korrekturbedarf.

Welche Situation erleben wir im Status Quo der Krankenhäuser?

Die durchschnittliche Bettenauslastung der Krankenhäuser in den unterschiedlichen Versorgungsstufen stellt sich wie folgt dar:

durchschnittliche Bettenauslastung der Krankenhäuser in den unterschiedlichen Versorgungsstufen
© BinDoc GmbH

Betrachtet man diese Kennzahlen entsteht der Eindruck, dass die personellen und infrastrukturellen Ressourcen in den Kliniken in Deutschland nicht erst seit der Pandemie nicht ausreichend ausgelastet sind. Seit der Pandemie ist die Auslastung über alle Versorgungsstufen hinweg nochmals dramatisch zurückgegangen. Am stärksten in den Kliniken der Grund- und Regelversorgung. Auf der anderen Seite laufen die Notfallambulanzen der Kliniken aller Versorgungsstufen über. Teilweise aus Unwissenheit der Patienten, welche Diagnosen wirklich in der Klinik und welche in der Praxis behandelt werden, teilweise aber auch, weil die ambulante Versorgung den Bedarf nicht mehr deckt.

Angebot-und-Nachfrage-im-Gesundheitsmarkt
Angebot-und-Nachfrage-im-Gesundheitsmarkt. – © BinDoc GmbH

Welche Lösungsschritte muss die Krankenhausreform bringen?

  1. Der aktuelle Reformvorschlag enthält einige gute Ansätze. Kleine Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung zu Praxiskliniken, integrierten Versorgungszentren oder ambulanten Zentren mit kleinen Bettenkapazitäten umzugestalten trifft den Nerv der Nachfrage. Die Vergütung dieses neuen hybriden Versorgungsbereiches muss attraktiv gewählt werden. Öffentlich, freigemeinnützige und auch private Träger müssen mit einem solchen Modell profitabel arbeiten können, sonst werden die notwendigen Investitionen in eine solch attraktive Struktur nicht getätigt. Ein wohlwollendes Vergütungsmodell für diese hybriden ambulant/stationären Zentren hätte zwei wesentliche Vorteile: Erstens wären dann vermutlich deutlich mehr Kliniken dazu bereit ihr Krankenhaus zu einem hybriden Haus zu transformieren. Zweitens liegen die Kosten eines hybriden Modells (auch bei einem hohen Vergütungsansatz) unterhalb der Kosten von vollstationären Kapazitäten.
  2. Es wird auch eine Reform des ambulanten Marktes benötigt. In Teilen wird der ambulante Markt bereits durch das aktuelle Reformvorhaben mit transformiert, da niedergelassene Ärzte verstärkt die Möglichkeit erhalten werden, stationär tätig zu sein. Darüber hinaus muss aber im ambulanten Markt mehr Wettbewerb zugelassen werden. Niedergelassene Ärzte mit KV-Zulassung müssen sich aktuell nicht mehr sonderlich bemühen, um eine volle Praxis zu haben. Mehr Wettbewerb durch den Wegfall der KV-Zulassungsbeschränkungen würde der Patientenversorgung guttun. Parallel können sich die niedergelassenen Ärzte bei Interesse stärker in hybriden Modellen engagieren.

Die starke Regulierung des Gesundheitsmarktes hat dazu geführt, dass das Angebot der medizinischen Leistungen nicht mehr zur Nachfrage passt. Die Krankenhausreform hat das Potenzial dieses Problem zu lösen. Hierfür werden attraktive Vergütungsstrukturen und weitergehende Marktöffnungen benötigt. Noch mehr Analysen, Insights und Leitfäden zur Krankenhausreform gibt es unter kh-reform.de

Kontakt zum Autor

Dr. univ./vites Manuel Heurich, CEO BinDoc GmbH, Kontakt: manuel.heurich@bindoc.de