Die Große Strafkammer des Landgerichts Ravensburg verhandelt den Klinikskandal. (Symbolbild) Foto: dpa

Eine Stadt will ihr Krankenhaus privatisieren und profitabel machen. Am Ende stehen Schulden in Höhe von 18 Millionen Euro. Seit Montag steht deshalb ein Ex-Kämmerer vor Gericht. Der Prozess könnte weitere Beteiligte zu Aussagen zwingen - und doch ohne Schuldspruch ausgehen.

Ravensburg - Zu Beginn des Prozesses um einen Finanzskandal in einem oberschwäbischen Krankenhaus ist die Anklage am Montag in die Defensive geraten. Die Große Strafkammer des Landgerichts Ravensburg schlug vor, das Verfahren wegen besonders schwerer Untreue gegen einen ehemaligen Kämmerer der Stadt Weingarten gegen Auflagen einzustellen. Da sich die Beteiligten zunächst nicht darauf einließen, werden nun wohl weitere Verantwortlungsträger als Zeugen geladen. Dass am Ende des Verfahrens eine Verurteilung stehen könnte, scheint bislang aber unwahrscheinlich.

Vorsitzender Richter Veiko Böhm dämpfte gleich nach Verlesung der Anklageschrift die Erwartungen an das Verfahren. „Ein Strafgericht ist kein Untersuchungsausschuss.“ Dass das städtische Krankenhaus „14 Nothelfer“ in Weingarten auch nach der Privatisierung im Jahr 2007 über mehrere Jahre hinweg in immer größere finanzielle Schieflage geriet, sei „nicht die Handlung eines einzelnen Menschen“. Die politische und moralische Verantwortung für den Skandal könne nicht in einem Strafverfahren geklärt werden, betonte Böhm.

Verantwortliche von Klinik und Stadt könnten als Zeugen aussagen

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Ex-Kämmerer unter anderem vor, bei der Privatisierung des Krankenhauses 2007 rechtswidrig die Beibehaltung einer Sonderkasse vorgeschlagen zu haben. Dadurch habe die defizitäre Klinik weiter Zugriff auf Geld der Stadt gehabt. Zudem habe der Beamte den Oberbürgermeister nicht pflichtgemäß informiert.

Um den 74 Jahre alten Ex-Kämmerer wegen Untreue zu verurteilen, müsse man ihm aber nicht nur vorsätzliches Handeln nachweisen - auch wenn das nach Aktenlage schon „sehr fragwürdig“ scheine, sagte Böhm. Das Gericht müsste zudem davon überzeugt sein, dass die Entscheidungen des Finanzbeamten seit 2007 direkt zu Schulden von rund 18 Millionen Euro im Jahr 2013 geführt hätten. Mögliche Straftaten in diesem Zeitraum seien aber bald verjährt.

Die Verteidigung des Ex-Kämmerers erklärte zwar ihre Bereitschaft, das Verfahren einzustellen - aber nur ohne Auflagen für ihren Mandanten. Die Staatsanwaltschaft erbat sich Bedenkzeit, man werde „die Argumente noch einmal abwägen“.

Sollte es zu keiner Einigung kommen, werden weitere Verantwortliche von Klinik und Stadt als Zeugen vor dem Landgericht aussagen müssen - darunter der Oberbürgermeister der Stadt Weingarten, Markus Ewald, und CDU-Bundestagsabgeordneter Axel Müller, die beide Mitglieder des Klinik-Aufsichtsrats waren. Auch ein ehemaliger Geschäftsführer des Krankenhauses ist als Zeuge vorgesehen.

„Wir haben erst jetzt die Möglichkeit, alle zu laden“, sagte Richter Böhm am Montag. Gegen den Oberbürgermeister und den ehemaligen Klinik-Geschäftsführer war im Zusammenhang mit dem Finanzskandal zwischenzeitlich ebenfalls ermittelt worden. So könnte der Prozess doch zu etwas Ähnlichem wie einem Untersuchungsausschuss werden. Weitere 15 Verhandlungstage sind bis Mitte September geplant.