Erfurt. Guido Dressel von der Techniker Krankenkasse fordert Qualität im Krankenhaus und Mut zu strukturellen Entscheidungen.

An den Krankenhaus-Strukturen in Thüringen scheiden sich die Geister. Manche meinen, alle aktuellen Standorte müssen erhalten bleiben, um die flächendeckende Gesundheitsversorgung gewährleisten zu können. Andere sagen, schon jetzt stehe einigen Kliniken das Wasser bis zum Hals, weil sie an drei Problemen krankten: zu wenig Ärzte, zu wenig Pfleger, zu wenig Patienten. Darüber und über eine Bilanz der rot-rot-grünen Gesundheitspolitik sprachen wir mit Guido Dressel, dem Leiter der Techniker Krankenkasse in Thüringen.

Herr Dressel, Rot-Rot-Grün hat etwa die Hälfte seiner gesundheitspolitischen Pläne aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Wie fällt Ihre Bilanz der zu Ende gehenden Legislaturperiode aus?

Durchwachsen. Rot-Rot-Grün hat eine Reihe von Initiativen unternommen, die in die richtige Richtung gehen. Prävention und Gesundheitsförderung zum Beispiel. Außerdem hat man sich bemüht, in Krankenhäusern die Qualität zu fördern. Das ist positiv, obwohl man sich mit der Festlegung im Koalitionsvertrag, keinen Krankenhaus-Standort zu schließen, selber Fesseln angelegt hat.

Wie bewerten Sie die Facharztquote im Krankenhaus?

Mir ihr hat man versucht, Strukturqualität in Kliniken vorzugeben. Dass das alles nicht so richtig funktioniert hat, hat unterschiedliche Gründe. Außerdem finde ich schade, dass der Freistaat Thüringen bei Bundesförderprogrammen ein schwaches Bild abgibt.

Inwiefern?

Beim Thema Krankenhausstrukturfonds beispielsweise gibt es keine nennenswert geförderten Projekte in Thüringen. Im Koalitionsvertrag war auch beschrieben, das ländliche Versorgungszentrum als neue Art der Versorgung zu entwickeln, aber auch da steht der Freistaat noch ganz am Anfang.

Welche Zensur würden Sie der Landesregierung für ihre Gesundheitspolitik geben?

Eine Drei plus.

Immerhin. Was muss in der nächsten Legislatur angegangen werden?

Es muss weiter klare Vorfahrt für Qualität im Krankenhaus geben, das sind wir den Patienten schuldig. Wenn bundesweite Vorgaben zur Qualität bestehen, haben diese Regeln Vorfahrt vor irgendwelchen Sonderinteressen von Trägern oder einzelnen Standorten.

Aber in Thüringen gibt es allerhand Ausnahmeregelungen.

Da ist sich die Koalition intern an der einen oder anderen Stelle nicht einig. Es braucht einen Neustart. Und was dringend notwendig ist: dem Gedanken der sektorenübergreifenden Versorgung auch in der Planung zum Durchbruch zu verhelfen.

Bitte erklären Sie das!

Wir befinden uns immer noch in einer Phase der sektorenbezogenen Planung. Das heißt, Ärzte und Krankenhäuser planen für sich. Aber das hat sich eigentlich überholt. Wir brauchen eine Mittelfristplanung, die vom Ende her denkt. Wir müssen definieren, welchen Versorgungsbedarf es in der Region X gibt; und dann schauen wir, wie können wir dem Versorgungsbedarf entsprechen. Das kann am Ende zu völlig anderen Strukturen führen. Was auch ganz wichtig ist: Gesundheitspolitik, insbesondere Pflegepolitik, muss noch deutlich stärker als bisher Chefsache in der Landesregierung werden und auch über bestimmte Ressorts hinaus.

Den Strukturfonds des Bundesversicherungsamtes haben sie angesprochen. Thüringen hat sich als einziges Bundesland kaum daraus bedient, sodass dort noch 12 Millionen Euro Fördermittel liegen. Wofür hätte man das Geld ausgeben können?

Das hätte man für die zeitgemäße Umgestaltung von Krankenhaus-Standorten verwenden können, die an den dargestellten Problemen leiden.

Zu wenig Ärzte, zu wenig Pfleger, zu wenig Patienten.

Genau. Wir brauchen eine Schwerpunktsetzung in kleinen Häusern. Verkürzt gesagt: Drei identische Fachabteilungen, die alle mit Personalproblemen kämpfen, kann man verbessern, indem man an einem Standort die Fachabteilung schließt. Wichtig ist aber, dass man den Standort nicht skelettiert, sondern anderswo ausbaut.

Wissen Sie, ob das Geld des Bundes noch abrufbar ist?

Das Geld ist noch da. Es ist tatsächlich so, dass Thüringen eine Frist gesetzt bekommen hat bis Ende des Jahres. Bis dahin muss ein Antrag beim Bundesversicherungsamt gestellt werden. Da arbeiten die Beteiligten dran. Die Hälfte des Geldes kommt vom Beitragszahler aus dem Gesundheitsfonds, die andere Hälfte wird durch Landesmittel gegenfinanziert. Es war für die Fachpolitiker der Koalition relativ schwierig, dieses zusätzliche Geld bei der Finanzministerin zu organisieren. Es ist jetzt umso mehr schade, dass es bisher nicht ausgegeben wurde.

Was könnte man mit 24 Millionen an der Struktur ändern?

Man könnte einen Krankenhaus-Standort in ein integriertes Gesundheitszentrum umwandeln. Offen ist nur, ob so ein Zentrum durch ein Krankenhaus betrieben wird oder durch niedergelassene Ärzte. Modelle gibt es für beides. Ob das funktioniert, sieht man, wenn man beide Varianten ausprobiert.