Essen. Erst Absage für den Neubau, nun kein Verkauf der Krankenhäuser im Norden, dafür Erweiterung des alten Philippusstifts - Contilia sorgt für Zorn.

Nicht erst seit Corona ist klar: Die Qualität von Krankenhäusern und eine ausreichende Anzahl von Krankenhausbetten sind existenzielle Faktoren. Wenn noch in diesem Jahr im Essener Norden zwei von drei Häusern geschlossen werden sollen, scheint das folglich so gar nicht in die aktuelle Diskussion zu passen.

Festzuhalten ist allerdings: Trotz Corona wird man Kosten- und Effizienz-Fragen im Gesundheitswesen im Auge behalten müssen. Und schon am Anfang aller Überlegungen hatte Krankenhaus-Betreiber Contilia schließlich geplant, aus den offenbar nicht mehr hinreichend rentablen Häusern Marienhospital (Altenessen), St. Vincenz (Stoppenberg) und Philippusstift (Borbeck) eines zu machen.

Das neue Krankenhaus in Altenessen war Voraussetzung für die Zustimmung zu Schließungen

Diese Planung fand aus einem Grund überwiegend Zustimmung in der Stadtpolitik: In Altenessen – es hätte aber auch Borbeck sein können – sollte ein neues, hochmodernes Krankenhaus mit 725 Betten entstehen. Dies hätte die große Chance geboten, im ganzen Essener Norden Strahlkraft zu entfalten und den Verlust der alten Traditionshospitäler einigermaßen kompensieren können.

Denn wie man es auch dreht und wendet: Medizinische Behandlungen sind heute zu komplex und im Bereich der Spitzenmedizin zu teuer, als dass man sie in ihrer gesamten Breite für jeden in unmittelbarer Wohnortnähe anbieten könnte. Besser eine bestimmte Behandlung gibt es im Gebiet einer Großstadt einmal auf Spitzenniveau als dreimal im Mittelmaß. Auch die Qualität von Gebäuden spielt dabei eine große Rolle.

Verstörend sind nicht die vermutlich unumgänglichen Konzentrationspläne, sondern das Chaos

Verstörend sind also nicht Konzentrationspläne an sich, verstörend ist eine chaotisch wirkende Unternehmenspolitik, die innerhalb weniger Monate nun zum zweiten Mal die Richtung wechselt und dabei jede Menge Verwundungen anrichtet. „Wo will die Contilia eigentlich hin?“, fragt OB Thomas Kufen mit mühsam unterdrücktem Zorn, und viele Mitarbeiter werden verständlicherweise noch deutlicher.

Denn erst durch die vor einigen Tagen durchgesickerte Absage der Verkaufspläne droht nun tatsächlich eine qualitative Verschlechterung der Krankenhaus-Landschaft – und ein in Summe weit größerer Bettenabbau im Essener Norden als bisher geplant.

Nun soll das Philippusstift Hoffnungsträger sein, aber wer will das jetzt noch glauben

Nun versucht Contilia, die Hoffnung des geneigten Publikums auf das betagte Philippusstift in Borbeck zu lenken, das gestern vor der Schließung stand, heute aber in Rekordzeit erweitert und ausgebaut werden soll. Wer will an die Rationalität dieses neuerlichen Hakenschlagens noch glauben? In Altenessen hingegen soll es eine sehr vage klingende Kooperation mit dem Uniklinikum richten. Nebulös auch dies.

Dort, am Standort des Marienhospitals, hat man mit den – dann abgesagten – Neubauplänen nicht nur eine katholische Pfarrgemeinde in eine böse Spaltung getrieben. Missbraucht wurde auch das Vertrauen der Bistumsspitze, die sich gegenüber der widerspenstigen Pfarrgemeinde für den Abriss der Kirche stark machte, auf deren Grundstück das neue Krankenhaus entstehen sollte. So hat ein ehemals angesehener freikaritativer Krankenhauskonzern seine Reputation in Essen fast gänzlich verspielt.

Private Kaufinteressenten sollten nicht vor vorne herein mit einem Tabu belegt werden

Es ist zwar richtig, Contilia nicht aus der Verantwortung zu entlassen, wie es OB Kufen ankündigt. Sollte das Unternehmen aber nicht mehr die Kraft haben, im Essener Norden eine angemessene Lösung umzusetzen, wäre ein Verkauf der Häuser weiterhin die bessere Variante, bevor noch mehr Schaden entsteht. Dabei sollten auch die überall in Deutschland tätigen privaten Betreiber nicht von vorne herein mit einem Tabu belegt werden. Essen ist keine Insel.

Am Ende kann es nur um möglichst gute, dabei bezahlbare Medizin gehen – und nicht um Luftschlösser, seien sie finanzieller oder ideologischer Natur.