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Streit um „Zwangsurlaub“ beim Ortenau Klinikum

Wegen Corona hängt beim Ortenau Klinikum der Haussegen schief

Aus einer großzügigen Geste wird kleinliches Geschacher: Ausgesprochen schwierig ist der Versuch, die personellen Folgen der Corona-Krise im Ortenau Klinikum aufzuarbeiten

Eine Frau geht durch eine Corona-Intensivstation.
Streit um Corona-Zulage: Der Beschluss des Krankenhausausschusses zur Verteilung der Corona-Prämie an Klinikmitarbeiter stieß beim Personalrat auf wenig Gegenliebe. Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Zwei Millionen Euro wollte der Ortenaukreis den Mitarbeitern des Klinikums geben, die in Corona-Zeiten besonderen Risiken ausgesetzt waren – 1.500 Euro für jeden. Doch aus der großzügigen Geste aus dem Frühjahr wurde ein kleinliches Tauziehen. Der Gesamtpersonalrat des Ortenau Klinikums stoppte die Pläne. Jetzt sollen (fast) alle etwas bekommen, dafür aber weniger.

Fünf Monate nach dem ursprünglichen Beschluss segnete der Krankenhausausschuss des Kreistags am Dienstag die recht komplizierte Neuregelung ohne rechte Begeisterung bei vier Enthaltungen und drei Gegenstimmen ab. Eine blutige Nase aber holte sich der Personalrat mit der Forderung, dass rund 60.000 Überstunden zurückgebucht werden, die die Mitarbeiter wegen des coronabedingten Stillstands in einzelnen Abteilungen des Klinikums abfeiern mussten. Jetzt muss die Frage möglicherweise vor Gericht geklärt werden.

120.000 Stunden bauten die rund 6.000 Beschäftigen des Klinikums in den vergangenen Monaten auf Anweisung von oben ab. Die Hälfte davon, so ein nach offenbar harten Verhandlungen ausgearbeiteter Kompromiss zwischen Personalrat in Klinikleitung, sollten die zurückgebucht bekommen. Soweit Minusstunden anfielen, so müssen die Beschäftigten diese bis März 2021 nacharbeiten. Falls dies nicht möglich ist, hätten sie diese auch geschenkt bekommen.

Ablehnung quer durch alle Fraktionen

Ein Unding, befand eine breite Mehrheit des Ausschusses. Für das hoch defizitäre Klinikum geht es – man kann sich das leicht ausrechnen - um Millionen. Die Ablehnung zog sich quer durch die Fraktionen. „Ich bin überrascht vom Personalrat, dass er nicht einsieht, dass es Mitarbeiter gibt, die Extremes geleistet haben, und andere, die nachmittags auf der Terrasse saßen“, sagte Eberhard von Hodenberg (FDP). Der Personalrat selbst gab sich in der Sitzung wortkarg.

Edgar Gleiß (FW) brachte die Stimmung im Ausschuss auf den Punkt: Der Neuverteilung der Zulagen stimmt man „zähneknirschend zu“, den Rest des Kompromisses aber werde man ablehnen. Ähnlich Alfred Baum von den Grünen: „Ich kenne viele Betriebe, die froh gewesen wären, wenn sie ein entsprechendes Überstundenpolster gehabt hätten“. Er verstehe die ganze Initiative nicht. „Das ist nicht gerecht und im Blick auf die Bilanz sehr problematisch“, wandte sich auch Bruno Metz (CDU) gegen die Verrechnung der Überstunden.

Einzig Jens-Uwe Folkens sprach sich für die SPD-Fraktion dafür aus, die Überstunden zurückzubuchen, man solle berücksichtigen, dass die finanzielle Leistung für die Mitarbeiter geringer ausfalle als ursprünglich geplant – schließlich würden nach dem neuen, gestuften Modell die Mitarbeiter in den maximal gefährdeten Bereichen nur noch rund 600 Euro bekommen und nicht mehr 1.500 wie ursprünglich beschlossen.

Eine Gerechtigkeitsdebatte können Sie nie gewinnen.
Christian Keller Geschäftsführer Ortenau Klinikum

„Wir haben auf Wunsch von Bund und Land planbare Operationen abgesagt, um Ressourcen zu schaffen für Corona-Patienten“, erklärt Klinik-Geschäftsführer Christian Keller den Ursprung des Konflikts. Ein Teil der Mitarbeiter habe Corona-Patienten behandelt, ein anderer Teil aber sei als personelle Reserve zuhause geblieben. Eine Lösung zu finden, die allen Interessen genügt, sei in jedem Fall schwierig: „Eine Gerechtigkeitsdebatte können Sie nie gewinnen“. Der Kreis sei den Mitarbeitern weit entgegengekommen, wenige Krankenhäuser würden eine freiwillige Prämie zahlen, wie dies das Ortenau Klinikum tut.

Bei all dem Tauziehen um die millionenteuren Überstunden, das möglicherweise, wie die Verwaltung in ihrer Sitzungsvorlage schreibt, letztlich vor Gericht ausgetragen wird, gibt es auch eine gute Nachricht. Es habe bei den Klinikmitarbeitern in den vergangenen Monaten zwar mehrere Corona-Infektionen gegeben, „aber bisher in keinem Fall eine ernsthafte Erkrankung“, so Keller.

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