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Das Hauptgebäude der Charité Berlin

© dpa/Christophe Gateau

Exklusiv

Leere Betten, leere Kasse an der Charité: Berlins Universitätsklinik verliert 75 Millionen Euro

Wegen der Coronavirus-Pandemie hielt die Berliner Charité viele Intensivplätze für Covid-19-Patienten frei – und macht auch deshalb Millionenverluste.

Die Charité, deren Experten für Berlins Corona-Teststrategie verantwortlich sind, kämpft selbst mit den Folgen der Pandemie – dabei setzen Klinikvorstand und Senat auch auf Bundeshilfe. Allein in den Lockdown-Wochen entgingen der landeseigenen Universitätsklinik mehr als 44 Millionen Euro Erlöse. Die Summe ergibt sich aus einem Vergleich zwischen den Einnahmen von Mitte März bis Ende Mai der Jahre 2019 und 2020.

Zusammen mit den 30 Millionen Euro, die wegen Covid-19-Behandlungen für Geräte, Schutzmaterial und Umbauten ausgegeben wurden, verzeichnet die Charité somit schon heute ein Pandemie-Minus von fast 75 Millionen Euro. Die Zahlen stammen aus einer Antwort von Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) auf Anfrage des CDU-Abgeordneten Adrian Grasse. Das Papier liegt dem Tagesspiegel vor.

Demnach resultieren die Verluste der Hochschulklinik aus den landesweiten Vorsichtsmaßnahmen. Alle Krankenhäuser sollten ab Mitte März planbare Operationen verschieben und Betten für mögliche Covid-19-Fälle bereithalten. Laut Gesetz werden Personal und Medikamente von den Krankenkassen bezahlt; finden keine Behandlungen statt, gibt es also kaum Einnahmen. Dies betrifft alle Berliner Kliniken, die Krankenhausgesellschaft macht seit Monaten darauf aufmerksam.

Doch für die Berliner Hochschulmedizin gilt das noch mal verstärkt. An der Charité sollen schließlich die besonders schweren, somit auch kostenintensiven Covid-19-Fälle behandelt werden: Zuletzt waren Hunderte Intensivplätze für mögliche Covid-19-Fälle freigehalten worden. Dazu galt über Monate, dass Patienten – beispielsweise von Unfällen, Schwindel, Übelkeit betroffen – aus Sorge vor Ansteckung mit dem Coronavirus die Rettungsstellen mieden.

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So waren an normalen Tagen der letzten Jahre im Schnitt fast jeden Tage 90 Prozent der insgesamt 3000 Charité-Betten belegt, in diesem Frühjahr jedoch nur 60 Prozent. Im April 2019 wurden 12 644 Patienten stationär versorgt, im Lockdown-April 2020 gerade noch 7809 Patienten.

900 Euro pro Tag für Charité-Behandlungsplatz

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte auch deshalb im März einen Corona-Schutzschirm organisiert. Für jedes Bett, das für einen Covid-19-Patienten frei gehalten wird, erhalten die Kliniken 560 Euro pro Tag. Für die überdurchschnittlich ausgestatteten Hochschulkliniken reicht das nicht: Für einen dort freigehaltenen Intensiv-Behandlungsplatz – samt Geräten, vorrätigen Medikamenten sowie Personal in Bereitschaft – werden zwischen 800 und 900 Euro am Tag veranschlagt.

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Staatssekretär Krach schreibt, die Charité arbeite nun vermehrt mit „Videosprechstunden im ambulanten Bereich, um die Patientenversorgung und auch die damit verbundenen Erlöse zu sichern“. Zugleich sollen Beschäftigte in „patientenfernen Bereichen“ die Zeit nutzen, um ihre Überstunden abzubauen.

„Darüber hinaus sind aktuell Änderungen der bundesgesetzlichen Regelungen zu Kompensationsleistungen in Abstimmung und es werden auch auf Landesebene finanziell entlastende Maßnahmen“ geprüft, heißt es in der Antwort an CDU-Wissenschaftsexperten Grasse. „Nach der vom Bundesgesetzgeber angekündigten, aber noch nicht in Kraft getretenen Ausgleichsänderungsverordnung erhielte die Charité eine Freihaltepauschale von 760 Euro, allerdings nur für die Zukunft.“

Universitätsklinik erwirtschaftete 2019 schwarze Null

Der Charité-Vorstand könnte mit diesen Tagessatz fast die immer noch freien Covid-19-Betten finanzieren, zugleich werden inzwischen ja wieder reguläre Operationen durchgeführt, die das Kerngeschäft des Krankenhauses sind. Grasse fordert dennoch mehr Einsatz vom Senat: Neue „Regelungen zu Kompensationsleistungen auf Bundesebene“ seien begrüßenswert. Berlin aber brauche eigene entlastende Maßnahmen – der Senat müsse da zügig handeln.

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Wie berichtet, hat die Charité schon das vergangene Jahr nur noch mit einem äußerst knappen Plus von 113.000 Euro abgeschlossen. Bei einem Jahresumsatz von circa 1,6 Milliarden Euro ein Nullergebnis – nach Jahren hoher Verschuldung ist ein wenn auch knappes Plus politisch gewollt. Klinikintern führt der damit einhergehende Spardruck seit bald 20 Jahren zu Streit. Derzeit erhalten Wachleute, Boten und Reinigungskräfte der Charité-Tochterfirma CFM nicht die im Stammhaus üblichen Tariflöhne; nach der Pandemie könnten sie deshalb streiken.

Landeschef Michael Müller (SPD), der zugleich Wissenschaftssenator und Charité-Aufsichtsratschef ist, hat zuletzt hohe Summen in Charité-Bauten investieren lassen. Dazu kommen Mittel vom Bund – beides soll helfen, Berlin zur internationalen Medizinmetropole zu entwickeln. Wie hart das Coronavirus dies erschweren wird, ist noch nicht absehbar. Staatssekretär Krach schreibt, die Auswirkungen auf das Jahresergebnis 2020 hängten vom weiteren Pandemieverlauf ab.

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