Krankenhaus-Controller-Tag

Wulf Lebers neuste Bezugsgröße ist die Berliner Eckkneipe

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Wulf Lebers neuste Bezugsgröße ist die Berliner Eckkneipe
© Regina Sablotny

MDK-Gesetz, Pflegepersonaluntergrenzen, Pflexit – 2019 ist ein besonderes Jahr für das Krankenhauscontrolling. Auf dem Deutschen Krankenhaus-Controller-Tag standen die operativen Auswirkungen von Jens Spahns Gesetzesmarathon im Zentrum. Gastredner Wulf Leber vom GKV-Spitzenverband nutzte die Bühne, um kräftig auszuteilen.

Mit der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) wächst die Verantwortung des Krankenhaus-Controllings. Das wurde bei einer lebhaften Diskussion auf dem 26. Deutschen Krankenhaus-Controller-Tag in Köln deutlich. Dass die Kliniken sich bewegen müssen, zeigt schon die aktuelle Umfrage des Deutschen Vereins für Krankenhaus-Controlling (DVKC). „75 Prozent der Häuser sind nicht in der Lage die Zahlen zur PpUGV vorzuhalten und die Pflege sinnvoll zu steuern“, erklärt Christian Heitmann von Curacon, der die Studie federführend betreut. Er unterstrich, dass Kliniken in Zukunft ein „Intra-Day-Controlling“ brauchen. „Ich muss jeden Tag drei Schichten im Blick haben und zwar im Voraus – nicht retrospektiv“, erklärt Heitmann. Nur rund ein Drittel der Kliniken habe im Controlling eine Person, die für Pflegecontrolling verantwortlich ist – das sei zu wenig. In dieselbe Kerbe – allerdings mit gewohnt drastischer Wortwahl – schlug Wulf-Dietrich Leber, der als Gastredner auf dem Controller-Tag war. „Die Pflege ist eine völlige empirische Wüste. Es gibt keine Zahlen. Ich weiß gar nicht, wie die Pflegeforschung das macht“, polterte der Abteilungsleiter Krankenhäuser des GKV-Spitzenverbands. An den Untergrenzen führe kein Weg mehr vorbei, rief Leber der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zu, der er eine Blockadehaltung attestierte. „Lösen Sie sich von der Idee, dass die Politik den Krankenhäusern vertrauen wird“, so Leber. Mittelfristig werde es die PpUGV für alle Schichten und Stationen geben. Als nächsten Schritt fordert Leber eine Risikoadjustierung. „Derzeit erheben wir 16 Werte, es müssten aber 216 sein.“, so Leber. Jeder Patient müsse mit einem bestimmten Gewicht versehen werden und „wir brauchen ein Methode, dieses Gewicht zu bestimmen“. Es brauche außerdem eine bundeseinheitliche Stationen-Definition.

Digitalisierung: Wer hat sie verschlafen?
Josef Düllings, der ebenfalls als Redner geladen war, und Leber betonten, wie wichtig die Digitalisierung für das Controlling sei. „In Deutschland haben nur fünf Prozent der Kliniken eine Elektronische Patientenakte. Die USA haben unter Obama gezeigt, wie staatliche Investitionen die Digitalisierung im Gesundheitswesen puschen können. Ohne solche Investitionen werden wir weiter hinterherhinken“, sagt Düllings. Für Leber ist die Behebung dieses Defizits allerdings eine Hausaufgabe der Krankenhäuser. „Die Dienst-und Belegungspläne werden nicht überall routinemäßig zusammengespielt. In den meisten Berliner Restaurants nehmen die Servicekräfte die Bestellung mit einem elektronischen Gerät auf. Ich finde, die Krankenhäuser sollten mindestens die Datenerfassung einer Berliner Eckkneipe haben“, sagte Leber, der die deutsche Krankenhauslandschaft auch gerne mit der in Dänemark oder Holland vergleicht. Düllings antwortete prompt: „Jeder der in die Eckkneipe kommt und konsumiert, bezahlt seine Rechnung. Davon sind wir bei der GKV noch weit entfernt.“

Pflexit: Leber feuert scharf gegen die DKG
Beim Thema Pflexit setzte sich der muntere Schlagabtausch fort – schließlich sind Klinik-Controller maßgeblich an den jährlichen Budgetverhandlungen mit den Kassen beteiligt. Nun bringt die Einführung der Selbstkostendeckung in der Pflege zwar einige verheißungsvolle Versprechungen mit sich, gleichzeitig zeichnen sich im neuen System so viele Grauzonen ab, das die Budgetverhandlungen 2020 zum Horrorszenario für Kliniken werden könnten. „Wir machen am St. Vincenz Krankenhaus einen Jahresumsatz von 165 Millionen Euro, haben Pflegepersonalkosten von 30 Millionen Euro und dort eine Unterfinanzierung von 1,4 Millionen Euro. Ich gehe davon aus, dass die Kohle 2020 zu uns kommt“, erklärte Düllings in einem Ton, der verriet, dass er sich dieser Sache noch nicht ganz sicher ist. Leber, der den Pflexit bekanntlich für völligen Unsinn hält („Was haben die geraucht?“), kennt die Furcht der Kliniken vor den Budgetverhandlungen 2020. Er nutzte die Bühne auf dem Controller-Tag um eine Mischung aus Drohung und düsterer Vorhersage auszustoßen: „Ich weiß nicht, ob wir nächstes Jahr überhaupt eine Budgetverhandlung zu Ende führen. Die Konflikte werden maßlos sein.“ Anschließend setzte Leber noch einen drauf: Er glaube nicht, dass die DKG die Vereinbarung zum Pflexit im Herbst durch ihren Vorstand kriegen wird – was aller Voraussicht nach eine Ersatzvornahme des Ministeriums zur Folge haben würde.

Ob Leber mit dieser Polemik Recht hat, ist Spekulation. Real ist die Furcht der Kliniken vor der Pauschale von 130 Euro pro Pflegetag, die gezahlt wird, solange es keine "genehmigte" Budget-Einigung gibt. „Die Pauschale basiert auf Zahlen von 2016 und sie könnte dem ein oder anderen Haus das Genick brechen“, prognostiziert Martin Heumann vom Krankenhauszweckverband Rheinland. 145 Euro wären angemessen, meint Heumann. Auch er befürchtet einen schweren Stand der Kliniken bei den Budgetverhandlungen 2020, weil sich die Kassen im Zweifel zurücklehnen und auf Zeit spielen könnten. In jedem Fall rät er den Kliniken, Budgetverhandlungen zu forcieren. Denn aus seiner Erfahrung schöben viele Häuser das Thema auf die lange Bank. In seinem Krankenhauszweckverband Rheinland etwa hätten erst 75 Prozent ein ausgehandeltes Budget für 2018 und nur 6 Prozent für 2019. „Man muss andere Saiten aufziehen und den Kassen eine Verhandlungsaufforderung zukommen lassen.“ Schließlich gebe es eine 6-Wochenfrist und die gelte nach wie vor.

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