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Uniklinik-Mitarbeitende beklagen dramatische Lage: „Sie sind ausgebrannt“

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In Frankfurt wird über mehr Entlastungen für das Personal am Universitätsklinikum verhandelt. Doch ein Streik scheint fast unausweichlich.

Frankfurt - Es droht ein weiterer Streik am Universitätsklinikum Frankfurt. Am Mittwoch kommen die Gewerkschaft Verdi und die Leitung der Klinik zu einer zweiten Verhandlungsrunde zusammen, um über einen „Tarifvertrag Entlastung“ zu sprechen. Verhandlungsführer Georg Schulze, Landesfachbereichsleiter Gesundheit bei Verdi, erwartet ein verhandlungsfähiges Angebot der Arbeitgeberseite. Gleichzeitig sagt er aber auch, dass nur eine Annahme des bereits vorgelegten Papiers zur Entlastung einen Warnstreik am Donnerstag und Freitag verhindern könnte.

Da dies unwahrscheinlich ist, werden wohl mehrere Hundert Angestellte aus allen Bereichen des Klinikums am Ende dieser Woche die Arbeit niederlegen. Verdi hat der Klinik eine Notdienstvereinbarung angeboten. Nach dieser müsste gut ein Viertel der Stationen schließen und weitere Bereiche, etwa die Intensivstation, Betten reduzieren.

Uniklinik in Frankfurt: Forderung nach Entlastungen

Die Bereitschaft, für eine Entlastung zu kämpfen, sei bei der Belegschaft hoch, versichert Hilke Sauthof-Schäfer, die bei Verdi für die Angestellten des Uniklinikums Frankfurt zuständig ist. „Wenn es nach der Streikbereitschaft geht, müssten alle Stationen an den beiden Tagen schließen.“ Am Montag, 29. August, werde es dann in eine dritte Verhandlungsrunde gehen.

Bei der Verdi-Pressekonferenz im Vorfeld der zweiten Verhandlungsrunde sprachen am Montag auch Angestellte der Uniklinik über ihre aktuelle Situation. Rieke Kolbeck aus der Anästhesie hat erst seit zehn Monaten ausgelernt, doch sie spüre bereits den Zeitdruck, den es in ihrem Bereich gebe. Der OP-Plan definiere, wie viele Patient:innen am Tag operiert werden müssen. Dementsprechend habe man nur begrenzt Zeit. „Das ist auch ein Risikofaktor,“ sagte Kolbeck. Gerade wenn etwas dann nicht optimal gelaufen sei, nehme sie die belastenden Gedanken oft mit nach Hause. „Ich bin dann unzufrieden, weil ich die Menschen nicht optimal versorgen konnte.“

Belegschaft an Frankfurter Universitätsklinikum klagt über zu hohe Belastung

Martin Baum vom Patiententransport berichtet von einer stark gestiegenen Arbeitsverdichtung. „Der Tag ist durchgetaktet, das ist eine körperliche und psychische Belastung.“ So komme es dann vor, dass zwei Stunden vor Schichtende noch zehn oder zwölf Patient:innen abgearbeitet werden müssen.

Pfleger und Pflegerinnen an der Uniklinik spüren eine immer größere Belastung. Vor allem die Intensivpflege verlangt ihnen viel ab.
Pfleger und Pflegerinnen an der Uniklinik spüren eine immer größere Belastung. Vor allem die Intensivpflege verlangt ihnen viel ab. © Kay Nietfeld/dpa

Man laufe dann eben schneller oder übergebe der folgenden Schicht die Aufgaben, die dann wieder mehr leisten müsste. „Man kriegt es irgendwie hin, klar. Aber schön ist es nicht.“

Baum, der seit 25 Jahren den Beruf ausübt, kennt noch die früheren Zeiten, als die Belastung nicht so hoch war. Und er spürt die Folgen, die mit dem Anstieg der Arbeit einhergehen. „Muskuläre Schmerzen aus dem Nichts oder auch Schlafstörungen. Das Abschalten fällt einfach schwer.“ Er fordert mehr Personal, um die Arbeit vernünftig erledigen zu können. „Ich würde den Beruf einfach gern beschwerdefrei ausüben.“

„Sie sind ausgebrannt“

Georg Schulze fasst die Situation der Beschäftigten so zusammen: „Sie sind ausgebrannt. Viele verlassen die Klinik oder verkürzen ihre Arbeitszeiten.“ Mit dem Tarifvertrag Entlastung soll es verbindliche Höchstbelastungsgrenzen geben. Das heißt, dass festgelegt wird, wie viele Patientinnen und Patienten beispielsweise eine Pflegekraft maximal haben darf. Um das dann zu erreichen, müsse das Klinikum Personal einstellen oder die Leistungen reduzieren.

Zudem sollen Belastungssituationen definiert werden, etwa Notsituationen mit wenig Personal oder gewalttätige Übergriffe etwa im psychiatrischen Bereich. Gibt es an einem Arbeitstag dann beispielsweise drei oder vier solcher Situationen, stehe den betroffenen Angestellten ein freier Tag zu.

Eine Stellungnahme des Universitätklinikums Frankfurt liegt bislang nicht vor. Allerdings sagte Jürgen Graf, der ärztliche Direktor am Klinikum, vor der ersten Verhandlungsrunde im Juni, dass auch er sich gesunde und motivierte Mitarbeitende wünsche. Auch Georg Schulze glaubt, dass beide Seiten dasselbe Ziel haben. Es werde wahrscheinlich nur um den Zeithorizont und mögliche Fristen gehen, in denen ein solcher Entlastungstarifvertrag umgesetzt werden könne. (Steven Mickisch)

Christian Elsner, Vorstand der Uniklinik Mainz, spricht über Erfahrungen mit dem Entlastungstarifvertrag und darüber, was er den Tarifparteien in Frankfurt empfiehlt.

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