Patientenverwechslung im LWL-Klinikum Gütersloh

Im Juli kam es im LWL-Klinkum Gütersloh offenbar zu einem Vorfall, zu einer Patientenverwechslung. Patient Bernd M. [Name von der Redaktion geändert] erhielt eine Rechnung der Privatärztlichen Verrechnungsstelle (PVS) mit Datum Ende Juli 2021, und wurde zur Zahlung bis Ende August aufgefordert. Laut der Rechnung, die der Redaktion im Original vorliegt, hat er im April 2021 einen Termin beim Ärztlichen Direktor der LWL-Klinik Gütersloh, »Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. T. Kronmüller«, eigentlich Klaus-Thomas Kronmüller, wahrgenommen.

Aufgeführt werden in dieser Rechnung eine »Psychiatrische Untersuchung«, eine »Psychiatrische Behandlung durch eingehendes, therapeutisches Gespräch« (beide mit dem Faktor 2,30 abgerechnet) und die »Erfüllung aufwendiger Hygienemaßnamen im Rahmen der Covid-19-Pandemie«, die mit 6,41 Euro und dem Faktor 1,00 abgerechnet wurden.

Bernd M. war zwar Patient der Klinik, zuletzt aber der Erinnerung nach 2017. Und auch nicht im Rahmen einer psychiatrischen Behandlung, sondern im Rahmen einer psychologischen Behandlung. Auf eine E-Mail hat die PVS nicht reagiert. Nach mehrfachen Anrufen war dort laut M. eine Dame zu erreichen, die sich die Daten durchgeben ließ und M. beschied, man werde den Vorgang »prüfen«. Bis dato gab es jedoch keine Rückmeldung der PVS. Daraufhin schrieb M. eine E-Mail ans LWL-Klinikum selbst, erhielt aber ebenfalls keine Antwort. Bei einem Anruf im Sekretariat des Ärztlichen Direktors war lediglich ein Anrufbeantworter zu erreichen. M. sprach dort sein Anliegen auf Band und bat um Rückruf und Klarstellung. Der Rückruf erfolgt dann Tage später und M. wurde mitgeteilt: »Sie hatten wegen der Rechnung angerufen. Das war eine Patientenverwechslung, Sie können die Rechnung vernichten«, dann wurde – so M. – kommentarlos und ohne Bitte um Entschuldigung aufgelegt. Kaufmännisch korrekt wäre an dieser Stelle die Erteilung einer Gutschrift. Die Rechnung einfach vernichten zu lassen, ist recht hemdsärmelig. Wenn man so etwas macht, sollte man um Einverständnis bitten, und dann müsste man das Abrechnungssystem auch manipulieren, was aber verboten ist. Einmal erstellte Rechnungen dürfen im Nachhinein nicht verändert oder gelöscht werden. Bestenfalls kann man sie mit einer Buchung wegen »Irrtums« stornieren.

Es stellt sich außerdem die Frage, wie man da so sicher sein kann? Wenn man den Patienten verwechselt hat, woher weiß man das nun, und woran macht man das fest? Es könnte ja dann wiederum eine Verwechslung sein. Bestenfalls könnte man in einer Suchmaske im Abrechnungssystem beispielsweise um eine Zeile verrutscht sein, und sieht nun, dass der Termin nicht in den Behandlungsplan passt, weil es keinen solchen gibt. Dann müsste jedenfalls eine Recherche stattgefunden haben. Man müsste herausgefunden haben, mit wem M. überhaupt verwechselt wurde.

Wäre M. kein Privatpatient gewesen, wäre der Vorgang nicht ans Tageslicht gelangt, dann hätte die Krankenkasse die Rechnung anstandslos bezahlt. Bestenfalls werden hier Rechnungen stichprobenartig geprüft. Aber selbst bei einer solchen Prüfung müssten dann sowohl Klinik und Arzt, als auch die Patienten selbst befragt werden. Wenn sie sich dann noch an den Vorgang erinnern. Laut einem Sprecher der AOK finden Patientenbefragungen im Rahmen von stichprobenartigen Prüfungen jedoch nicht statt. Die Befragung von beiden Seiten findet demnach lediglich bei konkreten Streitfällen oder Beschwerden statt.

Aber auch Privatpatienten zahlen solche Rechnungen unter Umständen anstandslos, weil es ihnen egal ist – der Betrag wird ja erstattet, weil sie sich nicht erinnern, oder weil sie Ärger und Auseinandersetzungen vermeiden wollen. Auffällig ist, dass die Leistungen, die angeblich im April stattgefunden haben sollen, erst Ende Juli abgerechnet wurden. Mehr als ein Vierteljahr später. Kaufmännisch geboten ist eine umgehende Berechnung von Leistungen, wenngleich es gesetzlich großzügige Fristenregelungen gibt.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wo »Patientenverwechslungen« noch stattfinden? Wenn sie bei Rechnungen stattfinden, können sie auch an anderer Stelle stattfinden. Verwechslungen sollten eigentlich im Rahmen der Qualitätssicherung im Rahmen des Qualitätsmanagements ausgeschlossen sein. Auf der Website des LWL-Klinikums Gütersloh wird an mehreren Stellen auf Zertifizierungen verwiesen. In der Praxis sind solche Zertifizierungen freilich in erster Linie teuer und finden in Form von »Audits« statt, die der zu Zertifizierende selbst durchführt und selbst dokumentiert. Auch Mitarbeiterschulungen, Belehrungen, die Erstellung interner Richtlinien et cetera gehören zu einer solchen Zertifizierung, werden aber wiederum vom zu Zertifizierenden selbst durchgeführt und dokumentiert.

Es wäre Bernd M. unter Umständen zu empfehlen, vom Auskunftsrecht im Rahmen der DSGVO Gebrauch zu machen, und Auskunft darüber zu verlangen, welche persönlichen Daten von ihm gespeichert werden, wie lange, wann sie gelöscht werden, zu welchem Zweck sie gespeichert werden, und an wen sie weitergegeben werden und warum.

Quatschjura

In einem Arztportal heißt es: »Fällig wird die Zahlung aber nicht mit dem Ende der Behandlung, sondern mit dem Ausstellen der dazugehörigen Rechnung. Das bedeutet: Ohne Rechnung auch keine Verjährung!« … das ist natürlich Unsinn. Für die Verjährung ist der Zeitpunkt entscheidend, zu dem die erbrachte Leistung hätte abgerechnet werden können. Also unmittelbar nach der Behandlung. Nötigenfalls könnte sich ein Arzt auf den üblichen Praxisablauf berufen, bei dem Rechnungen etwa nur am Monatsende oder in wöchentlichem Rhythmus erstellt werden. Aber er kann nicht zehn Jahre nach der Behandlung eine Rechnung stellen, und dann den Anspruch erheben und sagen, die Verjährungsfrist begönne erst mit dem Rechnungsdatum. Das ist Unsinn.

»Aktionsbündnis Patientensicherheit«

Laut dem »Aktionsbündnis Patientensicherheit« zeigen aktuelle Ereignisberichte teilnehmender Praxen, dass es im Praxisalltag schnell zu Patientenverwechslungen kommen kann. Eine aktive Patientenidentifikation, die auch die Patienten selbst mit einbezieht, beugt diesem Problem vor.

»CIRSforte«

»CIRSforte« ist ein vom »Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses« (»G-BA«) gefördertes Projekt für ambulante Praxen zur Fortentwicklung von Berichts- und Lernsystemen (»Critical Incident Reporting System«, kurz »CIRS«).

Die ersten Ereignisberichte aus »CIRSforte« liegen vor: Sechs der eingesandten Dokumente schildern Patientenverwechslungen in verschiedenen Situationen …

  • Falscher Name im Terminkalender
  • Falscher Name auf der AU, der Einweisung, einem Rezept
  • Aushändigung falscher Dokumente
  • Scannung beziehungsweise Zuordnung falscher Dokumente
  • Irrtümliche Blutentnahme

Für die Verwechslungen wurden unterschiedliche Gründe genannt …

  • Patienten mit gleichem Vor- und Nachnamen
  • Eheleute, beide Patienten der Praxis, waren gleichzeitig im Sprechzimmer
  • Patient wurde mit seinem Bruder verwechselt
  • Beim Drucken der Bescheinigung war ein anderer Patient im PC aufgerufen
  • Kommunikation (undeutliche Sprache, mangelnde Deutsch-Kenntnisse)

Eine aktive und wiederholte Identifikation der Patienten erhöht die Sicherheit.

Das kann man für eine sichere Patientenidentifikation tun

Vor jeder Untersuchung oder Behandlung und bei der Patientenannahme sollte die Identifikation den Patienten oder die Bezugsperson aktiv einbinden. Für eine sichere Zuordnung ist immer der vollständige Name in Kombination mit dem Geburtsdatum erforderlich: »Wie heißen Sie und wann sind Sie geboren?«

Die Vergabe einer eindeutigen Patienten- oder Fallnummer, die in der Praxissoftware und der Papierakte übereinstimmt, beugt ebenfalls einer Verwechslungsgefahr von Anfang an vor.

Mehr Tipps zur Vermeidung von Patientenverwechselungen unter www.kvwl.de/arzt/qsqm/patientensicherheit/ …