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Klinikum-Chef Sülberg über seine Pläne für das Herforder Krankenhaus

Armin Sülberg ist seit April der Geschäftsführer des Herforder Krankenhauses. Er ist begeistert vom Engagement der Mitarbeiter und der medizinischen Qualität des Hauses. Das Defizit-Problem scheint ihm lösbar zu sein

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Das Klinikum Herford an der Schwarzenmoorstraße ist das größte Krankenhaus im gesamten Kreisgebiet. | © Peter Steinert

Das Klinikum Herford an der Schwarzenmoorstraße ist das größte Krankenhaus im gesamten Kreisgebiet. | © Peter Steinert

27.06.2019 | 27.06.2019, 12:08

Kreis Herford. "Medizinisch ist das Herforder Klinikum richtig gut", sagt Armin Sülberg und klingt begeistert. "Wenn - neben den wirtschaftlichen Zahlen mit einem Defizit von 7,7 Millionen Euro 2018 - auch das noch schlecht gewesen wäre, dann hätte ich wohl tief durchgeatmet." Der Interimsmanager leitet seit dem 1. April das 800-Betten-Haus. Die Mitarbeiter leisteten tolle Arbeit, seien hoch motiviert und sehr engagiert, sagt er. Auch das Defizit-Problem erscheint ihm lösbar.

Und Sülberg weiß, was er sagt. Mehr als zehn Jahre schon leitet er Krankenhäuser und Kliniken. Von 2013 bis 2018 zum Beispiel das Evangelische Krankenhaus Oldenburg, wo er laut Nordwest-Zeitung „die Baupläne seiner Vorgänger auf ein realistisches Maß gesenkt und ungenutzte Potenziale des Krankenhauses gehoben" hat. Entwickeln und restrukturieren, so bezeichnet Sülberg selbst seine Aufgabe. Das macht er auch in Herford.

Gerade hat der Personalrat das Bonusprogramm zur Mitarbeitergewinnung abgesegnet: Ab 1. Juli erhalten Beschäftigte, die examinierte Pflegekräfte, Medizinisch-Technische Assistenten, Ärzte und Hebammen für das Haus gewinnen, Prämien zwischen 4.000 und 8.000 Euro: Sülberg setzt auf die privaten sozialen Netzwerke, unter anderem. Die hausinternen Netzwerke will er mit einer Kommunikationsmatrix verbessern. Aus ihr soll hervorgehen, wer wen wann informiert.

Es ist nicht auszuschließen, dass der Kreißsaal noch einmal schließen muss

Der Klinik-Chef kann zwar nicht ausschließen, dass er noch einmal - wie schon im Mai fünf Tage lang - die Kreißsäle wird schließen müssen, weil Personal erkrankt war und eine Vertretung nicht mehr zur Verfügung stand. "Aber ich bin guter Dinge, dass wir das Problem perspektivisch lösen werden."

Für das Gesundheitswesen wünscht sich Sülberg eine ehrlichere Politik. Eine, die zum Beispiel anerkennt, dass Geburtshilfe besser bezahlt werden muss. Die hohen Kosten für die Berufshaftpflicht müssen die freiberuflichen Hebammen zahlen, sie fielen aber auch im stationären Bereich an, sagt der Osnabrücker. "Rein wirtschaftlich betrachtet, müssten wir die Geburtshilfe eigentlich dicht machen." Das will er aber auf keinen Fall, schon aus ethischen Gründen nicht.

Armin Sülberg ist Geschäftsführer des Herforder Klinikums. - © Peter Steinert
Armin Sülberg ist Geschäftsführer des Herforder Klinikums. | © Peter Steinert


Eine Entlastung der Mitarbeiter erhofft sich der Interimschef durch eine Verkürzung der durchschnittlichen Patienten-Liegezeiten von derzeit 6,7 Tagen um einen halben Tag. Dafür sollen Arbeitsabläufe optimiert werden, aktuell zunächst im OP. "Das analysieren wir gerade." Unrund läuft es derzeit, wenn zum Beispiel der eine Patient noch nicht entlassen, der nächste für das gleiche Zimmer aber schon da ist.

Wirtschaftlich ist die Versorgung neurologisch schwerst Erkrankter

Die Prozessoptimierung erfordere eine personelle Verstärkung der IT-Abteilung, hat Sülberg festgestellt. Denn sie sei der Dreh- und Angelpunkt im Leistungsprozess. Wirtschaftlich sei außerdem die Versorgung von Schwersterkrankten in der Neurologie. Denn das werde gut bezahlt. Mit den ersten fünf Patienten hätten sie angefangen, diesen Bereich auszubauen.

Aus wirtschaftlicher Verantwortung für das Klinikum hätte Sülberg auch gerne Aufgaben ausgelagert, obwohl ihn die Schlechterbezahlung der Arbeitnehmer dann schmerzen würde, wie er sagt. "Das finanzielle Potenzial für das Klinikum läge im sechsstelligen Bereich." Allerdings hat der Verwaltungsrat einen anderslautenden Grundsatzbeschluss gefasst.

Für das Gremium wünscht sich Sülberg Fortbildungen: Das Klinikum habe einen Umsatz von 160 Millionen Euro im Jahr. Der Umgang mit so hohen Summen erfordere eine Kompetenz, die sich selbst Fachleute erst mit Mühe aneignen müssten. Ein Wirtschaftsprüfer habe ihm einmal gesagt, dass er drei Jahre gebraucht habe, bevor er die Krankenhaus-Bilanzen verstanden habe. Im Verwaltungsrat des Klinikums sitzen, wie berichtet, 16 ehrenamtliche Kreistagspolitiker.

Die Trennung von ambulant und stationär kostet zu viel Geld

Apropos Krankenhaus-Finanzierung in Deutschland: "Sie ist eine Katastrophe", sagt Sülberg. Die Millionen, die den Kliniken für Investitionen jetzt in einem Sondertopf zugestanden werden, seien nur ein Tropfen auf den heißten Stein. Der eigentliche "Webfehler" liegt seiner Ansicht nach aber in der Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung. "Sie kostet einen Haufen Geld und bringt keinen Mehrwert." Das Klinikum versuche, diese Trennung zu überwinden. Aber das sei nicht einfach, weil es gegensätzliche Interessenlagen gebe.

Bei der Trennung kämpften niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser um die gleichen Kunden. Sülberg hält eine gemeinsame Patientenaufnahme für sinnvoll. In der würde dann über "Pflaster oder Bett" entschieden. Das biete sich auch an, weil es für viele Patienten leichter sei, in die Notaufnahme als zu einem niedergelassenen Arzt oder in die Nofall-Ambulanz zu gehen.

Als Positiv-Beispiel nennt der Interimschef Spanien: Dort sei die Gesundheitsversorgung ohne Trennung organisiert. Bezahlt werde nach Personen im Einzugsbereich. Das führe dazu, dass die Krankenhausträger zunächst viel Geld in Prävention und Aufklärung steckten, erst danach in die Ambulanz. Deshalb gebe es in Spanien weniger Krankenhaus-Patienten. "Die Quoten sind völlig andere als bei uns."

Wirtschaftlichkeit, Medizin und Ethik haben den gleichen Stellenwert

Auch die Kostenträger in Deutschland wollten diese Quoten: Sie glaubten, die Krankenhäuser schummelten, wenn es um die Aufnahme von stationären Patienten gehe. Aber die Aufnahmebedürftigkeit werde vor der Aufnahme medizinisch festgestellt, sagt Sülberg. Natürlich gebe es dabei auch Spielräume, das streitet der Interims-Geschäftsführer gar nicht ab. Der eine Arzt entscheide so, der andere im gleichen Fall anders.

Sülberg gehört übrigens nicht zu den Kennern des Gesundheitswesens, die glauben, dass angesichts der Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und hohem medizinischen Anspruch das Geld gewinnt. In seinem Büro hat er ein gleichschenkliges Dreieck aufs Flipchart gemalt: Die drei Seiten stehen für Wirtschaftlichkeit, Medizin und Ethik und haben bei ihm einen gleich hohen Stellenwert.

Aber mit Blick auf spanische Verhältnisse sagt er: "Wenn wir alles mal auf Null stellen und gucken würden, wie wir es besser machen können, dann wäre ich dabei." Denn das sei die Frage nach dem System. "Und ich hätte gerne ein anderes."

Am 31. Dezember ist für Sülberg Schluss in Herford. Auf die Stelle des Klinikum-Vorstands, die am 1. Januar 2020 neu besetzt werden soll, habe er sich nicht beworben, sagt er. "Ich will nicht mehr in die Normalroutine." Die Sonderrolle als Interimsgeschäftsführer gibt ihm Freiheiten: "Ich bin jemand, der Grundsatzfragen stellt, die andere vielleicht nicht stellen können."