S 13 KR 322/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 13 KR 322/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 44/17
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird endgültig auf 16.717,75 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind Kosten einer stationären Behandlung streitig.

Der am ... geborene und bei der Beklagten versicherte Patient, D. S., befand sich bei der Klägerin in der Zeit vom 28. August 2007 bis 28. November 2007 in stationärer Behandlung. Die Aufnahme erfolgte wegen psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol bei akuter Intoxikation und wegen eines Abhängigkeitssyndroms. Die Beklagte erklärte zunächst Kostenübernahme für die vollstationäre Behandlung bis zum 7. September 2007. Die Klägerin beantragte am 13. September 2007 die Verlängerung der Kostenzusage und führte hierzu aus, dass am 5. September 2007 eine stationäre Psychotherapie für Abhängigkeitskranke (S-5-Behandlung) begonnen worden sei, die bis 28. November 2007 dauern werde. Die Beklagte wandte sich an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Bewertung des Behandlungsfalls. Der MDK kam in seinem Gutachten vom 29. November 2007 zu dem Ergebnis, dass die Aufnahme des Patienten zur Entgiftung medizinisch begründet gewesen sei. Die anschließende stationäre Psychotherapie unter suchtmedizinischen Gesichtspunkten im Sinne einer S-5-Behandlung sei nicht begründet gewesen. Der Versicherte habe zwar eine depressive Symptomatik aufgewiesen, welche jedoch nicht so schwerwiegend gewesen sei. Es hätten sich zudem keine Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung gezeigt. Der Patient sei damit rehabilitationsfähig gewesen. Bis zur Aufnahme in eine entsprechende Rehabilitationseinrichtung wären eine ambulante nervenärztliche Behandlung sowie hierzu entsprechende Maßnahmen ausreichend gewesen. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, so dass die Beklagte erneut den MDK mit der Begutachtung des Behandlungsfalls beauftragte. Der MDK verblieb in seinem Gutachten vom 1. Februar 2008 bei seiner Auffassung und führte ergänzend aus, dass eine S-5-Behandlung nicht indiziert gewesen sei, da der Patient die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt habe. Es habe keine schwere neurotische bzw. schwere Persönlichkeitsstörung vorgelegen, die eine Langzeitentwöhnungsbehandlung über den Rentenversicherungsträger unmöglich gemacht hätte. Der Patient sei zur Aufnahme für eine langfristige Maßnahme motiviert gewesen und habe bereits über eine Selbsthilfegruppe Kontakt zu ambulanten Maßnahmen der Suchtkrankenhilfe gewonnen.

Die Beklagte vergütete den Krankenhausaufenthalt nur bis zum 6. September 2007 und lehnte eine darüberhinausgehende Zahlung ab.

Mit ihrer am 10. November 2008 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf vollständige Rechnungsbegleichung weiter. Sie trägt vor, die Auffassung der Beklagten sei weder aus medizinischer noch aus rechtlicher Sicht nachvollziehbar. Der Patient habe an einer mittelgradigen depressiven Episode, an Impulsausbrüchen, Stimmungsschwankungen, Suizidgedanken bei emotional instabiler Persönlichkeitsstörung und einer sekundären Alkoholabhängigkeit gelitten. Der Patient habe nach Abklingen der Entzugsproblematik eine ausgeprägte depressive Symptomatik in Zügen einer Persönlichkeitsstörung geschildert. Aufgrund der Dauer und der Schwere der Erkrankung sei ein komplexes und nur stationäres durchführbares Therapieprogramm erforderlich gewesen. Es sei eine antidepressive medikamentöse Einstellung vorgesehen gewesen, die die dauernde Anwesenheit eines Arztes erforderlich gemacht habe. Die psychische Störung des Patienten habe einen strukturierten Tagesablauf und die Schaffung einer geschützten Umgebung erfordert. Die stationäre Behandlung sei erfolgreich gewesen, so dass der Patient habe arbeitsfähig entlassen werden können. Eine vergleichbare ambulante Behandlung wäre unter keinem Gesichtspunkt möglich gewesen.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

die Beklagte zu verurteilen, an sie für die stationäre Behandlung des Patienten D. S. in der Zeit vom 7. September 2007 bis 28. November 2008 weitere 16.717,75 Euro nebst fünf Prozent Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und

die Beklagte zu verurteilen, an sie die außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 961,28 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre vorgerichtlichen Ausführungen und verbleibt bei ihrer Auffassung, dass die weitere stationäre Behandlung nicht medizinisch indiziert gewesen sei. Gleichwohl hat die Beklagte nochmals den MDK mit der Beurteilung beauftragt. In seiner Stellungnahme vom 9. März 2009 hat der MDK ausgeführt, dass die durchgeführte testpsychologische Diagnostik weder das Vorliegen einer neurotischen noch einer Persönlichkeitsstörung aufweise. Im Depressionstest (BDI) hätten sich Hinweise auf eine "nur" leichte Depression gezeigt. Der Patient sei auch nicht akut suizidal gewesen. Eine Borderline-Störung finde sich testpsychologisch ebenfalls nicht. Die verabreichten 25mg Doxepin würden zudem keine antidepressive Medikationsdosierung darstellen. Ferner mache eine antidepressive Medikationseinstellung nicht die dauernde Anwesenheit eines Arztes erforderlich, sondern könne auch in einem ambulanten Setting durchgeführt werden.

Die Klägerin ist dem entgegen getreten und hat ausgeführt, dass im vorliegenden Fall mit Sicherheit die Diagnosen einer mittelgradigen depressiven Episode, einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung und einer sekundären Alkoholabhängigkeit zu stellen gewesen seien.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Herr Dr. med. R. (Facharzt für Innere Medizin, Suchtmedizinische Grundversorgung) hat in seinem Gutachten vom 8. Januar 2015 mitgeteilt, dass bei dem Patienten eine Alkoholabhängigkeit und ein Alkoholentzugssyndrom bestanden habe. sicher sei auch das Bestehen einer depressiven Episode. Uneinigkeit bestünde hier bei der Bewertung der Ausprägung. Der Gutachter könne jedoch die Diagnose einer depressiven Störung, gegenwärtige mittelgradige Episode bestätigen. Hinsichtlich der streitigen Diagnose einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung sei zunächst dem MDK zu folgen, dass sich in der umfangreichen testpsychologischen Diagnostik kein Hinweis auf eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung habe finden lassen. Auch die im Abschlussbericht der Klägerin unter Diagnosen genannten Symptome "Impulsdurchbrüche, Stimmungsschwankungen und Suizidgedanken" seien über die Diagnosen "depressive Störung" und "Alkoholabhängigkeit abgedeckt. Beim Gutachten bestünden Zweifel an der Diagnose einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Wenn eine solche vorliege, dann nur in einem geringen Ausprägungsgrad.

Hinsichtlich der Frage, ob eine S-3-Behandlung (stationäre Rehabilitation) oder eine S-5-Behandlung (stationäre Psychotherapie) medizinisch indiziert gewesen sei, müsse man zunächst feststellen, dass ein Betroffener selbst keinen wesentlichen Unterschied wahrnehmen und beschreiben könnte. Auch die ihm bekannten Wochenstundenpläne einer Rehabilitationseinrichtung und die eines Krankenhauses würden sich nicht wesentlich unterscheiden. Im Fall des Patienten sei davon auszugehen, dass bei einem nahtlosen Übergang zur Erreichung des Behandlungsziels auch eine stationäre Reha-Sucht ausreichend und erfolgversprechend gewesen wäre. Da aber in der Medizin kranke Menschen behandelt würden und der Patient die Klägerin gezielt aufgesucht habe, um noch einmal eine Therapie wie bereits vor neun Jahren durchzuführen, wäre ein Therapieabbruch aus einer impulsiven Trotzhaltung heraus möglich gewesen, wenn man den Patienten auf eine Rehabilitationseinrichtung verwiesen hätte. Die Frage, die bleibe, sei, ob der Patient eine Rehabilitation mitgemacht hätte oder aus Frustration, Trotz und Impulsivität die Therapie abgebrochen hätte. Dies sei zwar nicht sicher, aber eben auch nicht nur eine reine Möglichkeit.

Die Klägerin hat sich in ihrer Auffassung bestätigt gesehen und meint, dass die bloße Möglichkeit einer Rehabilitationsbehandlung die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung nicht ausschließe. Die Beklagte hat ausgeführt, dass allein der Wunsch eines Patienten, eine ähnliche Behandlung wie bereits vor neun Jahren erfahren zu wollen, nicht eine Krankenhausbehandlung begründen könne. Es stünde fest, dass bei nahtlosem Übergang in eine Rehabilitationsmaßnahme das Behandlungsziel ebenfalls hätte erreicht werden können. Zur Überbrückung etwaiger Zeitabstände hätte die Klägerin selbst Behandlungsalternativen zur Verfügung stellen können. Zusätzlich wären das Aufsuchen der Suchtberatung und Selbsthilfegruppen möglich gewesen. Damit hätte der Patient ausreichend mit den Mitteln der stationären Entwöhnungsbehandlung im Rahmen einer Rehabilitation behandelt werden können. Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit könne nicht mit einer möglicherweise fehlenden Versorgung des Patienten begründet werden.

Eine gütliche Einigung hat mit den Beteiligten nicht erzielt werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die beigezogene Patientenakte ergänzend verwiesen. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte gemäß § 124 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ausdrücklich ihr Einverständnis erklärten.

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage gemäß § 54 Absatz 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Die Klage eines Krankenhausträgers auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse betrifft einen so genannten Parteienrechtsstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch einen Verwaltungsakt nicht ergehen muss und hier auch nicht ergangen ist. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, eine Klagefrist nicht einzuhalten (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteile vom 17. Mai 2002 – BSGE 86, 166, 167; vom 13. Dezember 2001 – Az.: B 3 KR 11/01 R, B 3 KR 54/01 R, B 3 KR 31/01 R sowie vom 28. Mai 2003 – Az.: B 3 KR 10/02 R).

Seitens der Klägerin ist auch die bei Zahlungsklagen grundsätzlich erforderliche Bezifferung des Anspruchs erfolgt. Betrifft ein Zahlungsanspruch einen abgeschlossenen Vorgang aus der Vergangenheit, ist er zur Vermeidung eines ansonsten im Raum stehenden zusätzlichen Streits über die Höhe des Anspruchs konkret zu beziffern (BSGE 83, 254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr. 1 zu Kostenerstattungsansprüchen); es muss also grundsätzlich ein bestimmter (bezifferter) Zahlungsantrag gestellt und dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Die Klägerin erfüllte nicht die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Vergütung für Krankenhausbehandlung, als sie den Patienten in der Zeit vom 7. September 2007 bis 28. November 2007 stationär behandelte. Es fehlte in dieser Zeit an der Erforderlichkeit im Sinne der medizinischen Notwendigkeit der stationären Behandlung als unverzichtbare Voraussetzung des Vergütungsanspruchs nach § 39 Absatz 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Das Gesetz sieht auch nicht ausnahmsweise vor, dass etwas anderes gelten soll.

Rechtsgrundlage des streitigen Vergütungsanspruchs der Klägerin für die Behandlung des Patienten ist § 109 Absatz 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2007. Nähere vertragliche Regelungen im Sinne von § 112 Absatz 2 SGB V über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung, insbesondere der Kostenübernahme und der Abrechnung der Entgelte, gab es in Sachsen-Anhalt im betroffenen Zeitraum nicht, so dass allein auf die maßgebliche Pflegesatzvereinbarung in Verbindung mit §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz und den Vorschriften der Bundespflegesatzverordnung zurückzugreifen ist.

Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr des Bundessozialgerichts, vgl. z.B. BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 13, RdNr. 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 17, RdNr. 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 19 RdNr. 11; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr. 10 RdNr. 11; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr. 2, RdNr. 13; alle mwN); soweit allein eine vollstationäre Behandlung in Betracht kommt, müssen auch die Voraussetzungen des § 39 Absatz 1 Satz 2 SGB V erfüllt sein.

Hier fehlt es schon an der stationären Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit als solcher. Versicherte haben nach § 39 Absatz 1 Satz 2 SGB V Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht (vgl. BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 15, RdNr. 18 ff; BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 2, RdNr. 16; BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 4, RdNr. 14). Ob einem Versicherten (voll-)stationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen (vgl. BSG, Großer Senat, BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 10, RdNr. 15). Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Versicherten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung (vgl. BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 13, RdNr. 17 mwN). Voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Sinne des § 39 Absatz 1 SGB V besteht damit nur, wenn ein Versicherter aus allein medizinischen Gründen auf die besonderen Mittel eines Kranken-hauses angewiesen ist (vgl. BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 17, RdNr. 32 f mwN). Zu den Aufgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung gehört es dagegen nicht, die für eine erfolgreiche Krankenbehandlung notwendigen gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zu schaffen oder diesbezügliche Defizite durch eine Erweiterung des gesetzlichen Leistungsspektrums auszugleichen. Für derartige Risiken haben die Krankenkassen nicht einzustehen. Sie haben auch keine Möglichkeit, strukturelle Mängel außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs zu beheben, etwa eine fehlende rechtzeitige Unterbringung in einer Rehabilitationseinrichtung. Sie tragen dafür weder Verantwortung noch dürfen sie hierfür Geldmittel verwenden. Soweit ausnahmsweise etwas anderes gelten soll, legt das Gesetz dies ausdrücklich fest (vgl. Bundessozialgericht, Großer Senat, BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 10, RdNr. 19 f mwN).

Damit hängt der Vergütungsanspruch ausschließlich von der Erforderlichkeit aus allein medizinischen Gründen ab. § 11 Absatz 4 SGB V weist den Krankenkassen keine weitergehende Strukturverantwortung im Rahmen der gemeinsamen Gewährleistungspflicht von Krankenkassen und Leistungserbringern (§ 2 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 3, § 70 SGB V) zu. Entfällt die medizinische Notwendigkeit, einen Versicherten mit den Mitteln eines Krankenhauses zu behandeln, entfällt ab diesem Zeitpunkt auch der Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers nach § 109 Absatz 4 Satz 3 SGB V.

Daneben gilt, dass Krankenhausträger, die zur Überbrückung von strukturellen oder einzelfallbezogenen Defiziten beim Übergang von der stationären Krankenhausversorgung in eine andere, von der Strukturverantwortung der Krankenkasse nicht umfasste Versorgungsform – wie hier stationäre Rehabilitation – Leistungen für Versicherte erbringen, diese gegenüber den Krankenkassen auch dann nicht abrechnen können, wenn die nahtlose Unterbringung in einer anderen Einrichtung erforderlich ist, jedoch nicht rechtzeitig ermöglicht werden kann. Unerheblich ist dabei, dass die Defizite auch durch ein ordnungsgemäßes Versorgungsmanagement des Krankenhauses nach § 11 Absatz 4 SGB V nicht zu vermeiden waren. Dies folgt aus Wortlaut, dem durch die Entstehungsgeschichte gestützten Regelungszweck und dem Regelungssystem. Die weitere Rechtsentwicklung durch § 39 Absatz 1 Satz 4 SGB V und des § 39 Absatz 1a SGB V haben hieran nichts geändert. Eine nicht zeitgerecht zur Verfügung stehende Versorgungsstruktur hat die Beklagte weder zu verantworten noch finanziell zugunsten der Klägerin zu kompensieren.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für die Kammer fest, dass die hier beschriebene Erforderlichkeit der stationären Krankenhausbehandlung im streitigen Zeitraum vom 7. September 2007 bis 28. November 2007 nicht vorgelegen hat. Die Kammer folgt insoweit den Ausführungen des MDK und des gerichtlich bestellten Sachverständigen, Herrn Dr. med. T. R. Letzterer hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass bei den allein neben der Alkoholabhängigkeit bestehenden Diagnosen einer leichten bis mittelschweren Depression und einer eher fraglich und wenn überhaupt nur leicht ausgeprägten emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ, zur Erreichung des Behandlungsziels auch eine stationäre Reha-Sucht ausreichend und erfolgversprechend wäre. Hierzu ergänzt er, dass selbst bei uneingeschränkter Übernahme der Diagnosen der Klägerin eine Rehabilitationsbehandlung in einer Suchtfachklinik ebenfalls erfolgversprechend gewesen wäre. Damit bestätigt er die Einschätzungen des MDK. Soweit der Sachverständige meint, dass dies voraussetze, dass sich diese Rehabilitationsbehandlung nahtlos an die Entzugsbehandlung hätte anschließen solle, so folgt die Kammer dem aufgrund der eindeutigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hierzu nicht. Da es einer stationären Psychotherapie bzw. S-5- Behandlung aufgrund der festgestellten Diagnosen nicht bedurft hätte, bleiben alle weiteren – ggf. – bestehenden Versorgungsstrukturmängel – nicht zu Lasten der Beklagten. Überdies geht die Kammer im Einklang mit dem MDK davon aus, dass etwaige Wartezeiten auch durch die Intensivierung der Maßnahmen der ambulanten Suchtkrankenhilfe, wie die Hinzuziehung der Suchtberatungsstelle sowie ambulante psychotherapeutische Behandlung hätten überbrückt werden können. Hierzu war der Patient fähig. Das gezielte Aufsuchen der Klägerin durch den Patienten und den darin vermuteten Wunsch, ausschließlich dort behandelt zu werden, kann ebenso einen weitergehenden Vergütungsanspruch nicht auslösen, da er seinen Ursprung nicht in der medizinischen Notwendigkeit hat. Die Kammer meint, dass daraus nicht gelesen werden kann, dass der Patient unter Umständen eine andere Behandlungsform nicht mitgemacht oder aus Frustration, Trotz und Impulsivität abgebrochen hätte. Vielmehr zeigt sich, dass der Patient bewusst Hilfe gesucht hat, um seiner suchtbedingten Lage zu entkommen. Hier hat er sich verständlicherweise an die Adresse gewandt, die er kannte. Bei entsprechender Unterstützung im Rahmen der Vorbereitung auf eine erforderliche Rehabilitation durch die Klägerin hätte diese dem "Hilferuf" aus medizinisch erforderlicher Sicht ausreichend Rechnung getragen.

Damit fehlte es in dem streitrelevanten Zeiträumen an der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung. Für den Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist es rechtlich unerheblich, ob der Patient zeitgerecht oder zeitverzögert in eine Rehabilitationsbehandlung hätte überwiesen werden können.

Mangels Hauptsacheanspruchs entfällt auch ein Anspruch auf Zinsen.

Daneben besteht kein Anspruch auf außergerichtliche entstandene Rechtsanwaltskosten. Hierauf bestünde auch für den Fall des Obsiegens kein Anspruch, da ein Verwaltungsverfahren nicht durchgeführt wurde und eine Abrechnung der geltend gemachten Kosten damit nicht möglich ist.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Absatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Absatz 3 Gerichtskostengesetz (GK). Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus dem im Klageantrag bezifferten Geldleistungsbetrag – mithin der geltend gemachten Klageforderung in Höhe von 16.717,75 Euro.
Rechtskraft
Aus
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