L 11 KR 4112/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 724/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4112/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen für die Kodierung von ICD-10-GM (2010)
J69.0 (Pneumonie durch Nahrung und Erbrochenes) als
Verdachtsdiagnose.
Die nach dem OPS-Kode (2010) 8-981.1 (Neurologische
Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) notwendigen
Maßnahmen der Physiotherapie, Neuropsychologie usw, die
innerhalb von 24 Stunden beginnen müssen, setzen eine
entsprechende Behandlungsfähigkeit des Versicherten voraus.
Die 24 Stunden beginnen daher erst ab Eintritt der
Behandlungsfähigkeit zu laufen.
Wird von der Krankenkasse in einem Vergütungsrechtsstreit
das Vorliegen der strukturellen Merkmale einer stroke-unit
""ins Blaue hinein"" bestritten, muss dem das Gericht nicht
nachgehen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.09.2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen iHv 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 8.090,17 EUR ab 07.05.2013 zu zahlen sind. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.390,17 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Vergütung einer stationären Krankenbehandlung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Kodierung einer Verdachtsdiagnose und für die Abrechnung einer Komplexbehandlung.

Die Klägerin ist ein selbständiges Unternehmen der L. S. in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts gemäß § 102a Gemeindeordnung Baden-Württemberg. Bis zum 31.12.2018 handelte es sich bei dem Klinikum der L. S. gKAöR um einen Eigenbetrieb der Landeshauptstadt Stuttgart. Das Klinikum, in dem die ehemaligen städtischen Krankenhäuser K.-Hospital, O.-Hospital, B.-Hospital und das Krankenhaus B. C. zusammengefasst wurden, war auch im Jahr 2010 mit über 2.000 Planbetten in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen. Zum Klinikum gehört ua auch ein Schlaganfallzentrum (überregionale Stroke Unit). Die bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich krankenversicherte G. E. B. (geb 25.02.1972) wurde dort in der Zeit vom 10.08.2010 bis zum 18.08.2010 nach einem Apoplex (Schlaganfall) vollstationär behandelt. Bei der Versicherten hatte sich am 10.08.2010 ein Mediasyndrom rechts im Rahmen eines M1-Verschlusses rechts (Verschluss der die rechte Hirnhälfte versorgenden Basisarterie) mit Vigilanzminderung, initialer Hemiplegie links (komplette Lähmung der linken Körperhälfte), Dysarthrie (Sprechstörung) sowie Neglect (Störung der Aufmerksamkeit) nach links ereignet. Die Versicherte wurde am 10.08.2010 gegen 17:30 Uhr im B.-Hospital aufgenommen, auf dem Weg dorthin hat sie im Rettungswagen zweimal erbrochen und wurde abgesaugt. Gegen 19 Uhr erfolgte eine Verlegung in die Neuroradiologie im K.-Hospital zur Durchführung einer Thrombektomie und gegen 22 Uhr in das Krankenhaus B. C., dort wurde die bereits zuvor begonnene Beatmung weitergeführt. Die Versicherte fieberte auf. Es wurde nach der Patientendokumentation eine Antibiose mit Meropenem unter Verdacht auf (Mikro)Aspiration begonnen, im Röntgen-Thorax nach Extubation zeigten sich keine Infiltrate. Am 11.08.2010 wurde die Versicherte gegen 15:30 Uhr in die Stroke Unit im B.-Hospital verlegt. Am 12.08.2010 gegen 8:35 Uhr erfolgte die Behandlung mit Logopädie, um 9:40 Uhr wurde Ergotherapie durchgeführt und um 13:35 Uhr erfolgte eine physiotherapeutische Behandlung, die jeweils auch an den darauffolgenden Tagen stattfanden. Die Behandlung auf der Stroke Unit endete am 15.08.2010 um 18 Uhr.

Die Klägerin forderte von der Beklagten mit Rechnung vom 21.09.2010 eine Vergütung iHv 22.564,36 EUR. Zugrunde lag die Diagnosis-Related-Group (DRG) B39A (neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls mit bestimmter OR-Prozedur, mehr als 72 Stunden mit komplexem Eingriff) unter Kodierung der Hauptdiagnose I63.3I (Hirninfarkt durch Thrombose zerebraler Arterien) sowie verschiedener Nebendiagnosen, insbesondere J69.0 (Pneumonie durch Nahrung oder Erbrochenes), und ua dem Operationen- und Prozeduren-Schlüssel (OPS) 8-981.1. Die Rechnung wurde von der Beklagten zunächst in vollem Umfang beglichen.

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung. In dem Gutachten vom 14.07.2011 kam dieser zu dem Ergebnis, dass anstelle der von der Klägerin vermeintlich abgerechneten DRG B39B die DRG B20B (Kraniotomie oder große Wirbelsäulen-Operation mit komplexer Prozedur, Alter ) 15 Jahre, mit intraoperativen neuropsychologischen Monitoring oder komplexer Diagnose) abzurechnen sei. Der OPS 8-981.1 (neurologische Komplexbehandlung) könne wegen unvollständiger ärztlicher Überwachung und Dokumentation des neurologischen Befundes nicht angesetzt werden. Der unmittelbare Beginn aller erforderlicher Therapien bei entsprechendem Defizit sei nicht dokumentiert.

Nach telefonischem Hinweis der Beklagten stellte der MDK fest, dass im Gutachten vom 14.07.2011 versehentlich die klinikseitig kodierte Nebendiagnose G81.9 nicht berücksichtigt worden sei. Er erstellte unter dem 19.07.2011 ein neues Gutachten und kam nun zu dem Ergebnis, dass die mangels Abrechnungsrelevanz zuvor nicht geprüfte Nebendiagnose J69.0 nicht korrekt sei. Das Vorliegen einer Pneumonie sei nicht dokumentiert, auch radiologisch seien keine Infiltrate nachgewiesen, behandelt worden sei mit Antibiotikum wegen Fieber. Zu kodieren sei stattdessen A49.9 (bakterielle Infektion, nicht näher bezeichnet). Hinsichtlich des OPS 8-981.1 blieb es bei dem Ergebnis aus dem vorangegangenen Gutachten, es wurde weiterhin die DRG B20B ermittelt.

Nachdem die Klägerin den von der Beklagten geforderten Betrag in Höhe 8.090,17 EUR nicht gezahlt hatte, verrechnete die Beklagte diesen Betrag mit einer Vergütungsforderung des Klägers aus der Behandlung einer namentlich benannten Versicherten.

Mit Schreiben vom 02.12.2014 stellte die Klägerin der Beklagten eine Aufwandspauschale iHv 300 EUR in Rechnung, die die Beklagte nicht beglich.

Am 30.01.2015 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die Rechnung vollumfänglich zu Recht gestellt sei und zudem ein Anspruch auf die Aufwandspauschale iHv 300 EUR bestehe, da eine Minderung des Rechnungsbetrages bei richtiger Betrachtungsweise nicht erfolge. Die Nebendiagnose J69.0 sei als Verdachtsdiagnose nach den Kodierrichtlinien DKR D008b zu kodieren, da eine Behandlung eingeleitet worden sei und die Untersuchungsergebnisse nicht eindeutig gewesen seien.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. P. (Leitender Oberarzt der Klinik für Neurologische Frührehabilitation des Akademischen Lehrkrankenhauses der Universität D.-E.) vom 29.07.2015. Er hat mit näherer Begründung ausgeführt, es sei plausibel, eine Aspirationspneumonie als Erklärung für den aufgetretenen fieberhaften Infekt zu verdächtigen und daher die Nebendiagnose J69.0 als Verdachtsdiagnose zu kodieren. Die Pneumonie habe weder sicher bestätigt noch sicher ausgeschlossen werden können. Zum sicheren Ausschluss hätte es beispielsweise einer unangemessen aufwendigen Computertomographie vom Thorax bedurft. Ferner seien die nach OPS 8-981.1 vorgesehenen Latenzen, Intervalle und Therapiedauer bezogen auf den Zeitraum 11.08. bis 15.08.2010 eingehalten worden. Entscheidend sei der Beginn der Stroke-Behandlung und damit der Stroke-Prozedur am 11.08.2010 um 15 Uhr. Dies hänge damit zusammen, dass die Behandlung im Zeitraum vom 10.8.2010, 19 Uhr bis zum 11.08.2010, 15 Uhr, in Betriebsteilen der Klägerin stattgefunden habe, die über eine Stroke Unit nicht verfügten und somit eine Komplexbehandlung gemäß 8-981.1 nicht hätten durchführen können bzw dürfen. Durch die im vorliegenden Behandlungsfall erforderliche Thrombektomie und Beatmung sei der Beginn der Stroke-Behandlung verzögert worden, was die Verwendung des Kodes nicht in Frage stelle. Dies ergebe sich daraus, dass nach dem Kommentar des DIMDI (FAQ Nr 8017) eine Unterbrechung des Monitorings von Vitalparametern aufgrund von speziellen Untersuchungen oder Behandlungen für deren Dauer die Verwendung des Kodes ebenfalls nicht in Frage stelle. Da durch die sofort erforderliche Behandlung (Thrombektomie und anschließende Beatmung) der OPS-Beginn auf den Nachmittag des 11.08.2010 verschoben worden sei, habe der Beginn der erforderlichen Therapie am Vormittag des 12.08.2010 tatsächlich innerhalb der vorgeschriebenen 24 Stunden gelegen. Für den stationären Aufenthalt sei die DRG B39A in Ansatz zu bringen.

Die Beklagte hat ein Gutachten des MDK vom 07.10.2015 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, dass der OPS 8-981.1 doch anzuerkennen sei. Hinsichtlich der Kodierung der Nebendiagnose einer bakteriellen Infektion nicht näher bezeichneter Lokalisation sei jede andere - spezifischere - Bezeichnung aber unzulässig. Zwar sei es zutreffend, dass eine Aspirationspneumonie bei Schlaganfällen mit Schluckstörungen als häufige Komplikation auftrete. Es könne jedoch bei einem fieberhaften Infekt und dem weitgehenden Ausschluss eines Harnwegsinfekts nicht im Sinne eines Automatismus zwangsläufig auf eine Aspirationspneumonie (im Übrigen ohne entsprechendes radiologisches Korrelat) geschlossen werden. Entscheidend sei die Tatsache, dass die antibiotische Behandlung mit Meropenem keine Behandlung darstelle, die spezifisch und ausschließlich bei einer Pneumonie zum Tragen komme, sondern als Breitband-Antibiotikum bei einer Vielzahl von bakteriellen Infektionen völlig unterschiedlicher Genese. Es verbleibe bei der Nebendiagnose A49.9 anstelle von J69.0, es könne die DRG B39B kodiert werden.

Die Beklagte hat auf dieses Gutachten hin mit Schriftsatz vom 26.11.2015 mitgeteilt, sich ein Teilanerkenntnis iHv 3.415,50 EUR vorstellen zu können. Eine Einigung ist jedoch nicht zustande gekommen.

Mit Schriftsatz vom 20.09.2017 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten seine Vertretung angezeigt. Er hat moniert, dass der Sachverständige keine vertieften Kenntnisse im Medizincontrolling mitbringe. Außerdem hat er zusammengefasst mitgeteilt, dass der OPS 8-981.1 nicht in Ansatz zu bringen und die Nebendiagnose J69.0 nicht zu kodieren sei. Ein Ausschluss einer Pneumonie wäre grundsätzlich möglich gewesen. Die Pneumonie sei nicht dokumentiert, auch nicht als Verdachtsdiagnose. Sie könne daher nicht kodiert werden. In dem hier maßgeblichen OPS des Kalenderjahres 2010 sei keine Rede davon, dass die Maßnahmen erst innerhalb von 24 Stunden ab Aufnahme auf der Stroke Unit zu beginnen hätten. Der Sachverständige habe sich nicht mit den übrigen Voraussetzungen für die Kodierung des OPS 8-981.1 auseinandergesetzt. Der MDK habe bemängelt, dass die ärztliche Überwachung und Dokumentation des neurologischen Befundes unvollständig sei. Es werde in Abrede gestellt, dass die strukturellen Mindestmerkmale vorliegen.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.06.2018 hat Dr. P. ausgeführt, dass es für die Pneumonie kein spezifisches Antibiotikum gebe, dessen Anwendung ausschließlich auf das Vorliegen dieser Diagnose schließen lasse. Die Aspirationspneumonie sei bereits im hausinternen Verlegungsbericht von der Intensivstation auf die Stroke Unit aktenkundig. Der Sachverständige ist bei seiner bisherigen Einschätzung geblieben.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 17.09.2018 verurteilt, an die Klägerin 8.390,17 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Das SG ist den Ausführungen des Dr. P. gefolgt. Die Nebendiagnose J69.0 könne kodiert werden. Außerdem sei der OPS 8-981.1 abzurechnen, da die klägerseitig dokumentierte Behandlung die Abrechnung der neurologischen Komplexbehandlung rechtfertige.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 17.10.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.11.2018 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, die Verdachtsdiagnose könne ebensowenig in Ansatz gebracht werden wie der OPS 8-981.1. Eine Pneumonie durch Nahrung oder Erbrochenes sei nicht nachgewiesen. Die vom Sachverständigen zu Gunsten der Klägerin unterstellte Pneumonie sei eine von mehreren möglichen Erklärungen und lasse keinerlei sicheren Rückschluss auf das Vorhandensein einer Pneumonie zu. Nach DKR D008b zu kodierende Verdachtsdiagnosen seien solche Diagnosen, die am Ende eines stationären Aufenthalts weder sicher bestätigt noch sicher ausgeschlossen worden seien. Damit seien Fälle gemeint, in denen es dem behandelnden Krankenhaus nicht möglich gewesen sei, den geäußerten Verdacht sicher zu belegen oder sicher auszuschließen. Es bleibe nach stattgehabter Diagnostik und/oder Therapie eine Unklarheit zurück, ob dieses Krankheit bestanden habe oder nicht. Eine weitergehende Diagnostik, insbesondere eine Computertomografie, habe vorliegend jedoch nicht stattgefunden. Eine Diagnose sei keine Verdachtsdiagnose, wenn die sichere Diagnosestellung, aus welchen Gründen auch immer, vom Krankenhaus im Rahmen der Möglichkeiten unterlassen worden sei. Die Gabe eines Antibiotikums stelle keinen Beweis für das Vorhandensein einer Erkrankung dar. Auch das Argument, eine weitergehende Diagnostik mittels CT sei schon deswegen nicht zu verlangen gewesen, weil damit eine Strahlenbelastung verbunden gewesen sei und dies ohne Nutzen für die Behandlung und somit letztlich zu bloßen Abrechnungszwecken höchst bedenklich wäre, sei eine weit hergeholte und für die Anwendung der Abrechnungsvorschriften völlig irrelevante Argumentation. Bei einer Aspirationspneumonie handele es sich um eine ernstzunehmende Erkrankung und um keine Bagatelle. Radiologisch hätten keine Infiltrate im Sinne einer Pneumonie festgestellt werden können. Die behauptete Pneumonie tauche auch nicht in der Dokumentation der Klägerin auf, sondern erst in der Abrechnung. Die Beklagte macht außerdem geltend, die Voraussetzungen für die Abrechnung des OPS 8-981.1 seien nicht vollständig geprüft worden.

Die Klägerin führt im Hinblick auf die Diagnose J69.0 aus, dass sich in der Dokumentation sehr wohl ein Hinweis gefunden habe. Es sei aufgeschrieben worden, dass eine Antibiose unter Verdacht auf eine (Mikro)Aspiration begonnen worden sei. Im Röntgenthorax nach Extubation haben sich noch keine Infiltrate gezeigt. Dementsprechend sei medizinisch die Aspirationspneumonie untersucht und behandelt worden. Auch habe die Versicherte erbrochen und auf der Intensivstation gefiebert. Die klinischen Hinweise rechtfertigten den entsprechenden Verdacht. Die Beklagte ändere zudem den Wortlaut der Verdachtsdiagnose. Es werde der Wortlaut dahingehend ergänzt, dass die Diagnostik jede erdenkliche Befundung zum Gegenstand habe. Das sei aber medizinisch nicht indiziert. Es finde sich auch in den Kodierrichtlinien 2010 kein Anhalt dafür. Im Beispiel 2 werde ausgeführt, dass ein Patient mit Verdacht auf Meningitis wegen starker Kopfschmerzen aufgenommen worden sei. Die Untersuchung während des stationären Aufenthalts haben die Diagnose einer Meningitis weder bestätigt noch sicher ausgeschlossen. Eine spezifische Behandlung der Meningitis sei jedoch eingeleitet worden. Entsprechendes sei auch hier der Fall. Eine Ausschöpfung aller denkbaren, auch für den Versicherten schädlichen Diagnostiken, werde gerade nicht gefordert.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klage in Bezug auf die geltend gemachte Aufwandspauschale in Höhe von 300 EUR zurückgenommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.09.2018 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Patientenakte der Klägerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), sie ist aber in der Sa-che unbegründet.

Streitgegenstand ist lediglich noch die Zahlung der Vergütung iHv 8.090,17 EUR; im Hinblick auf die Aufwandspauschale in Höhe von 300 EUR hat die Klägerin die Klage zurückgenommen, sodass hierüber nicht mehr zu befinden ist und daher auch der Ausspruch zu den Zinsen entsprechend zu korrigieren ist.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung iHv 8.090,17 EUR. Der Vergütungsanspruch ist durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen. Der von der Beklagten geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch besteht nicht. Die Zahlung der Vergütung iHv 8.090,17 EUR erfolgte nicht ohne Rechtsgrund.

Unter Ansatz der DRG (neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls mit bestimmter OR-Prozedur, mehr als 72 Stunden mit komplexem Eingriff) und zuzüglich der von der Klägerin zu Recht geltend gemachten Zuschläge ergibt sich der Betrag von 22.564,36 EUR.

Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).

Der Klägerin steht noch ein Vergütungsanspruch für die Behandlung eines Versicherten (Hauptforderung) iHv 8.090,17 EUR zu. Da die Beklagte sich gegenüber der Klage ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Klageforderung (Hauptforderung) selbst außer Streit (BSG 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R; BSG 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R; BSG 26.10.2016, B 1 KR 9/16 R). Die Beklagte konnte gegen die Hauptforderung der Klägerin jedoch nicht in Höhe von 8.090,17 EUR aufrechnen. Denn in diesem Umfang hat sie für die stationäre Behandlung der Versicherten B. in der Zeit vom 10.08.2010 bis 18.08.2010 das Krankenhausentgelt mit Rechtsgrund gezahlt, weil der Klägerin insoweit ein Vergütungsanspruch zustand. Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie die Versicherte im genannten Zeitraum stationär behandelte.

Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (st Rspr BSG 16.12.2008, B 1 KN 1/07 R, BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13; BSG 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2). Diese Voraussetzungen sind hier unstreitig erfüllt.

Die Klägerin durfte dabei auch die DRG B39A (neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls mit bestimmter OR-Prozedur, mehr als 72 Stunden mit komplexem Eingriff oder komplizierenden Diagnosen) in Rechnung stellen.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; idF durch das KHSG) und die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2010 (Fallpauschalenvereinbarung 2010 - FPV-2010) einschließlich der Anlagen 1 bis 7. In seiner Höhe wird der Vergütungsanspruch durch Normsetzungsverträge konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelation sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) auf der Grundlage des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KHEntgG.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (dazu und zum Folgenden BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, jeweils unter Hinweis auf BSGE 109, 236 ff.). Nach § 1 Abs 6 Satz 1 FPV sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalles in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene - zertifiziert worden sind.

Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind, zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum, oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikationen des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS - hier in der Version 2010). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R).

Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR), vorliegend Stand 2010, und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft (dazu und zum Folgenden: BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, dies mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R, aaO; BSG 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R, juris).

Zwar sind hiernach Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben; auch gibt es dabei grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen. Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, haben es grundsätzlich die zuständigen Stellen durch Änderung des Fallpauschalenkatalogs, der OPS-Kodes und der Kodierrichtlinien in der Hand, für die Zukunft Abhilfe zu schaffen. Jedoch kann eine erforderliche systematische Interpretation der Vorschriften lediglich iS einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (BSG SozR 3-5565 § 14 Nr 2; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18; stRspr). Diese Auslegungs- und Anwendungsprinzipien für die vereinbarten Vergütungsregelungen gelten in vergleichbarer Weise auch für die vom DIMDI erteilten "Hinweise" zur Auslegung und Anwendung einzelner OPS-Kodes. Denn das DIMDI hat nach § 301 Abs 2 SGB V die Pflicht, für eine sachgerechte Handhabung der Verschlüsselungshinweise zu sorgen. Dazu muss es die tägliche Praxis beobachten und durch regelmäßige Anpassung seiner Hinweise zu den diversen OPS-Kodes beobachtete Lücken und Unklarheiten beseitigen (BSG 18.07.2013, B 3 KR 25/12 R, juris).

In welcher Weise die Eingaben in das Datensystem zu erfolgen haben, gibt nicht allein der Grouper durch die vorprogrammierten Abfragen mit genormten Antworten vor. Vielmehr regeln die FPV und die DKR konkrete Vorgaben für die Eingaben. Die DKR (hier anwendbar in der Version 2010) regeln Kodieranweisungen.

Umstritten ist im Hinblick auf die Diagnosen, ob die Klägerin berechtigt war, die Diagnose J69.0 als Verdachtsdiagnose zugrunde zu legen. Die übrigen Diagnosen (Haupt- und Nebendiagnosen) sind zwischen den Beteiligten nicht streitig und werden vom Senat, wie sie sich aus der Rechnung ergeben, der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Nach der Kodierregel D008b der DKR 2010 sind Verdachtsdiagnosen im Sinne dieser Kodierrichtlinie Diagnosen, die am Ende eines stationären Aufenthaltes weder sicher bestätigt noch sicher ausgeschlossen sind. Verdachtsdiagnosen werden unterschiedlich kodiert, abhängig davon, ob der Patient nach Hause entlassen oder in ein anderes Krankenhaus verlegt wurde. Im Falle der Entlassung nach Hause ist das Symptom zu kodieren, wenn keine Behandlung in Bezug auf die Verdachtsdiagnose eingeleitet worden ist. Wenn eine Behandlung eingeleitet wurde und die Untersuchungsergebnisse nicht eindeutig waren, ist die Verdachtsdiagnose zu kodieren.

Wie sich der Patientendokumentation und insbesondere auch dem vom Oberarzt Dr. S. unterschriebenen Bericht des Krankenhauses B. C. vom 11.08.2010 an die Stroke Unit entnehmen lässt, hatten die behandelnden Ärzte den Verdacht auf eine (Mikro-)Aspiration, nachdem die Versicherte nach der Extubation aufgefiebert hatte. Dieser Verdacht war auch gerechtfertigt. Wie der Sachverständige Dr. P. mitgeteilt hat, gehen schwere Schlaganfälle nicht selten mit Schluckstörungen einher, aufgrund der häufig begleitenden Bewusstseinsstörungen sind sie nicht ohne Weiteres klinisch zu erfassen. Aspirationspneumonien sind daher keine seltene Komplikation. Die Versicherte hat vor dem stationären Aufenthalt zweimal erbrochen. Wie Dr. P. nachvollziehbar dargelegt hat, konnte der Verdacht der Aspirationspneumonie medizinisch ausreichend begründet werden. Es handelte sich um eine plausible Komplikation für den fieberhaften Infekt. Durch die Leukozytose wurde ein bakterieller Infekt belegt, der weitgehend unauffällige Urinbefund sprach gegen einen Harnwegsinfekt. Der Senat schließt sich diesen nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen an.

Dieser Verdacht wurde im weiteren Verlauf weder sicher bestätigt noch ausgeschlossen. Eine Ursache des Fiebers wurde nicht festgestellt. Eine Behandlung mit einem Antibiotikum wurde durchgeführt. In dem am 10.08.2010 und insbesondere am 11.08.2010 gefertigten Röntgenaufnahmen der Lunge hat sich kein eindeutiger Nachweis von Infiltrationen ergeben.

Dass weitere Untersuchungen möglich gewesen wäre, hier mittels CT, um den Verdacht aufzuklären, hindert die Kodierung der Verdachtsdiagnose nicht. Der Wortlaut der DKR fordert keine erschöpfende Untersuchung.

Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass geradezu ins Blaue hinein ein Verdacht getroffen und kodierte werden könnte, wie die Beklagte dies zu befürchten scheint. Da vorliegend jedoch wie von Dr. P. nachvollziehbar dargelegt wurde, der von den behandelnden Ärzten getroffene Verdacht medizinisch durchaus plausibel ist, kann diese Verdachtsdiagnose kodiert werden.

Die Klägerin war ferner berechtigt, den OPS 8-981.1 in Ansatz zu bringen. Diese Prozedur ist im OPS 2010 wie folgt beschrieben.

Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls Exkl.: Andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls (8-98b ff.) Hinw.: Dieser Kode kann auch beim Vorliegen einer TIA angegeben werden. Besteht über die Therapiemöglichkeiten der vorhandenen Schlaganfalleinheit hinaus die Indikation zu einer Behandlung auf der Intensivstation, kann, wenn die Mindestmerkmale dieses OPS-Kodes erfüllt sind, die dortige Behandlungszeit auch für die Kodierung der neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls berücksichtigt werden, auch wenn auf der Intensivstation nicht ausschließlich Patienten mit einem akuten Schlaganfall behandelt werden.

Mindestmerkmale: Behandlung auf einer spezialisierten Einheit durch ein multidisziplinäres, auf die Schlaganfallbehandlung spezialisiertes Team unter fachlicher Behandlungsleitung durch einen Facharzt für Neurologie mit: • 24-stündiger ärztlicher Anwesenheit (Von Montag bis Freitag wird tagsüber eine mindestens 12-stündige ärztliche Anwesenheit (Der Arzt kann ein Facharzt oder ein Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt sein.) gefordert, bei der sich der jeweilige Arzt auf der Spezialeinheit für Schlaganfallpatienten ausschließlich um diese Patienten kümmert und keine zusätzlichen Aufgaben zu erfüllen hat. Er kann sich in dieser Zeit nur von der Spezialeinheit entfernen, um Schlaganfallpatienten zum Beispiel zu untersuchen, zu übernehmen und zu versorgen. Während der 12-stündigen ärztlichen Anwesenheit in der Nacht sowie während der 24-stündigen ärztlichen Anwesenheit an Wochenenden und an Feiertagen ist es zulässig, dass der Arzt der Spezialeinheit noch weitere Patienten mit neurologischer Symptomatik versorgt, sofern sich diese in räumlicher Nähe befinden, so dass er jederzeit für die Schlaganfallpatienten der Spezialeinheit zur Verfügung steht) • 24-Stunden-Monitoring von mindestens 6 der folgenden Parameter: Blutdruck, Herzfrequenz, EKG, Atmung, Sauerstoffsättigung, Temperatur, intrakranieller Druck, EEG, evozierte Potentiale. Das Monitoring darf nur zur Durchführung spezieller Untersuchungen oder Behandlungen unterbrochen werden • 6-stündlicher (maximaler Abstand nachts 8 Stunden) Überwachung und Dokumentation des neurologischen Befundes zur Früherkennung von Schlaganfallprogression, -rezidiv und anderen Komplikationen • Durchführung einer Computertomographie oder Kernspintomographie, bei Lyseindikation innerhalb von 60 Minuten, ansonsten innerhalb von 6 Stunden nach der Aufnahme, sofern diese Untersuchung nicht bereits extern zur Abklärung des akuten Schlaganfalls durchgeführt wurde • Durchführung der neurosonologischen Untersuchungsverfahren inklusive der transkraniellen Dopplersonographie. Sie ist bei nachgewiesener primärer Blutung entbehrlich • ätiologischer Diagnostik und Differentialdiagnostik des Schlaganfalls (z.B. transösophageale Echokardiographie, Hämostaseologie, Angiitisdiagnostik, EEG und andere Verfahren) im eigenen Klinikum. Spezialisierte Labordiagnostik darf auch in Fremdlabors erfolgen • 24-Stunden-Verfügbarkeit der zerebralen Angiographie, der digitalen Subtraktionsangiographie, der CT-Angiographie oder der MR-Angiographie • kontinuierlicher Möglichkeit zur Fibrinolysetherapie des Schlaganfalls • Beginn von Maßnahmen der Physiotherapie, Neuropsychologie, Ergotherapie oder Logopädie innerhalb von 24 Stunden mit mindestens einer Behandlungseinheit pro Tag pro genannten Bereich bei Vorliegen eines entsprechenden Defizits und bestehender Behandlungsfähigkeit • unmittelbarem Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen (jeweils eigene Abteilung im Hause oder Kooperationspartner in höchstens halbstündiger Transportentfernung, unabhängig vom Transportmittel) 8-981.0 Mindestens 24 bis höchstens 72 Stunden 8-981.1 Mehr als 72 Stunden

Zunächst war zwischen den Beteiligten umstritten, ob innerhalb von 24 Stunden mit mindestens einer Behandlungseinheit pro Tag mit Physiotherapie, Neuropsychologie, Ergotherapie oder Logopädie bei Vorliegen eines entsprechenden Defizits und bestehender Behandlungsfähigkeit begonnen worden ist und ob der neurologische Befund ausreichend ärztlich überwacht worden ist. Nach dem Gutachten des Dr. P., dessen Beurteilung sich der MDK im Gutachten vom 07.10.2015 anschloss, besteht auch hier nunmehr Einigkeit zwischen den Beteiligten. Da die Versicherte zunächst aufgrund der Thrombektomie und der Beatmung nicht auf der Stroke Unit behandelt werden konnte, begann die Behandlung dort am 11.08.2010 gegen 16:40 Uhr. Die Klägerin hat auch die entsprechenden Intervalle zur Überwachung, nämlich sechs Stunden am Tag und acht Stunden nachts, eingehalten. Dies ergibt sich aus der Patietendokumentation. Nachdem es bis dahin aufgrund der Thrombektomie und der Beatmung an der Behandlungsfähigkeit gefehlt hatte, wurde ab dem Zeitpunkt, zu dem die Behandlungsfähigkeit vorlag, innerhalb von 24 Stunden am Vormittag des 12.08.2010 um 8:35 Uhr mit entsprechenden Maßnahmen, nämlich der Logopädie, begonnen, im Laufe des Tages erfolgten Ergotherapie und schließlich um 13:35 Uhr Physiotherapie bei Vorliegen von Sprachdefiziten und Halbseitenlähmungen.

Die 24 Stunden beginnen nach dem Wortlaut des OPS-Kode ab Behandlungsfähigkeit zu laufen (" ...bei Vorliegen eines entsprechenden Defizits und bestehender Behandlungsfähigkeit"). Dafür, dass dies ab Aufnahme in das Krankenhaus gilt, ergibt sich kein Anhaltspunkt. Hierfür spricht, dass eine Computer- oder Kernspintomographie ausdrücklich innerhalb von sechs Stunden ab Aufnahme zu erfolgen hat. Im Übrigen ist es geradezu selbstverständlich, dass "Maßnahmen der Physiotherapie, Neuropsychologie, Ergotherapie oder Logopädie" eine entsprechende Behandlungsfähigkeit des Patienten voraussetzen.

Auch die weiteren Voraussetzungen für die Prozedur erfüllt die Klägerin, insbesondere liegen auch die übrigen Strukturvoraussetzungen vor. Hierüber waren sich die Beteiligten zunächst einig. Der Senat legt dies zugrunde, es bestehen keine Anhaltspunkte, hieran zu zweifeln.

Soweit die Beklagte nun, nachdem sie ein Anwaltsbüro mit der Wahrnehmung ihrer Rechte beauftragt hatte, von diesem vortragen lässt, dass die strukturellen Merkmale des OPS-Kode 8-981.1 bisher nicht nachgewiesen seien, handelt es sich um ein Bestreiten "ins Blaue hinein", das zu keinen weiteren Ermittlungen Anlass gibt.

Dies gilt umso mehr, als der mit der Prüfung der Abrechnung beauftragte MDK keinen Grund gesehen hatte, das Vorliegen der strukturellen Merkmale in Zweifel zu ziehen. Weitere Ermittlungen werden hierdurch auch im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz nicht erforderlich. Eine Pflicht zur Sachaufklärung besteht in Bezug auf diejenigen Tatsachen, die für die Entscheidung in prozessualer und materieller Sicht wesentlich (entscheidungserheblich) sind und deren Vorliegen bzw Nichtvorliegen nicht von vornherein offenkundig oder bereits erwiesen sind. Dabei braucht das Gericht indessen nicht bloßen Vermutungen oder jedem unsubstantiierten Vorbringen der Beteiligten nachzugehen (BSG 02.10.1996, 6 BKa 63/95, juris Rn 4). Auch der Amtsermittlungsgrundsatz gebietet bei der Feststellung von Tatsachen keine Aufklärung ins Blaue hinein ohne konkrete Anknüpfungspunkte (vgl BSG 15.03.2018, B 3 P 17/17 B, juris Rn 25; 27.11.2014, B 3 KR 22/14 B, juris Rn 13). Auch wenn amtliche Sachaufklärung nicht von Beteiligtenvorbringen (Tatsachenbehauptungen, Beweisanregungen, Beweisanträgen) abhängig ist, begründet der Amtsermittlungsgrundsatz keine Pflicht von Behörden und Gerichten, Tatsachen zu ermitteln, für deren Bestehen weder das Beteiligtenvorbringen noch sonstige konkrete Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte liefern. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - beide Beteiligten eine besondere professionelle Kompetenz aufweisen (BSG 06.03.2012, B 1 KR 14/11 R, SozR 4-2500 § 130 Nr 2, Rn. 17).

Jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation, bei der sich sowohl die Klägerin als auch die Beklagte bis zum Auftreten ihrer Prozessbevollmächtigten über das Vorliegen insbesondere auch der strukturellen Voraussetzungen für die Abrechnung des Kodes einig waren, ergeben sich auch für den Senat keine Anhaltspunkte am Vorliegen dieser Voraussetzungen zu zweifeln, bloß weil die nunmehr anwaltlich vertretene Beklagte ohne nähere Begründung ihren Vortrag ändert und einen bisher unstreitigen Sachverhalt ohne Angabe von Gründen nunmehr pauschal bestreitet. Die Beklagte hatte sogar ein Teilanerkenntnis in Aussicht gestellt. Hinzu kommt, dass sich die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten wiederholt auf das zunächst vom MDK erstellte Gutachten stützten, obwohl dieser selbst nicht mehr an seiner früheren Einschätzung festhält. Gerade in einem solchen Fall ist eine substantiierte Begründung für den geänderten Beteiligtenvortrag zu fordern.

Nach alledem erfolgte die von der Klägerin vorgenommene Abrechnung gegenüber der Beklagten korrekt. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe des hier streitgegenständlichen Betrages stand der Beklagten nicht zu. Die von ihr vorgenommene Verrechnung war rechtswidrig, ein Vergütungsanspruch der Klägerin in streitgegenständlicher Höhe besteht. Aufgrund des damit gegebenen Vergütungsanspruches besteht auch der geltend gemachte Zinsanspruch in begehrter Höhe, der sich aus § 19 Abs 3 des Baden-Württembergischen Landesvertrages (LV) nach § 112 Abs 2 Nr 1 ergibt (vgl zum Anspruch auf Verzugszinsen BSG 15.11.2007, B 3 KR 1/07 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder Klägerin noch Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Hs 1 SGG iVm §§ 63, 52 Abs 1, 3, 47 GKG, wobei sich der geltend gemachte Zinsanspruch gemäß § 43 GKG nicht streitwerterhöhend auswirkt.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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