Finanzielle Schieflage:München Klinik wartet auf Finanzspritze vom Bund

Intensivstation Harlaching

Während der Zeit hoher Materialknappheit mussten viele Schutzanzüge bestellt werden.

(Foto: Klaus Krischock)

Die städtischen Krankenhäuser haben während der Pandemie viel Geld ausgeben müssen. Jetzt fürchten sie, auf dem Defizit sitzen zu bleiben.

Von Ekaterina Kel

Jeden Tag sind zehn Menschen daran beteiligt, einen Covid-19-Patienten auf der Intensivstation in seinem Bett zu drehen. So jedenfalls schildert es der Pressesprecher der München Klinik. Kaum vorstellbar, aber es sei eben eine höchst aufwendige Aufgabe, es hingen viele Geräte und Schläuche herum, der Körper müsse stabilisiert werden. Mit diesem Beispiel möchte die München Klinik das Augenmerk darauf richten, was für Ausgaben die Pandemie von einem kommunalen Großversorger wie ihr abverlangt. Denn das für dieses Drehmanöver nötige Personal muss bezahlt werden, außerdem müssen alle Beteiligten komplett in Schutzausrüstung gehüllt sein und sich die Hände desinfizieren können. Das kostet. 170 Corona-Intensivpatienten hat die München Klinik seit Januar nach eigenen Angaben behandelt. Hinzu kommen mehr als 630 Covid-19-Patienten auf Normalstation und gut 2500 Verdachtsfälle.

Insgesamt mit den rund 42 000 Corona-Tests für Personal und Patienten, mit zusätzlichen Ausgaben für einen Sicherheitsdienst zur Einhaltung des Besuchsverbots und mit fast 27 000 Überstunden habe die München Klinik für die Covid-Versorgung bis jetzt "mehrere Millionen Euro" ausgegeben, heißt es in einer Mitteilung. Und von Herbst an rechne man mit einer weiteren finanziellen Belastung über die Zusatzkosten hinaus, da die Ausgleichszahlungen vom Bund bisher nur bis Ende September geplant sind. Es stelle sich die Frage, heißt es, ob gerade die kommunalen Krankenhäuser, die den Großteil der Covid-Versorgung gestemmt haben, die drohenden finanziellen Folgen überstehen werden.

Der Geschäftsführer der städtischen München Klinik, Axel Fischer, hat nachgerechnet und lange gewartet - jetzt aber will er nicht mehr schweigen. Sein Unternehmen sieht er von der Politik benachteiligt. Vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sei zu Anfang des Ausbruchs das Signal gekommen, die Krankenhäuser könnten sich auf die Hilfe vom Bund verlassen. Keiner sollte auf den Corona-Kosten sitzen bleiben, lautete das Versprechen. Doch genau das befürchtet jetzt Fischer für seinen städtischen Betrieb. Mit einem Defizit bis zu einem "niedrigen zweistelligen Millionenbetrag" rechnet Fischer bereits für dieses Jahr. "Ich fürchte, wir werden auf Kosten durch Corona sitzen bleiben." Der Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) steht ihm zur Seite: "Hier sehe ich den Bund und die Länder in der Pflicht. Kommunale Kliniken dürfen finanziell nicht schlechter gestellt werden dafür, dass sie Verantwortung übernehmen."

Damit meint OB Reiter das System der Ausgleichszahlungen, wonach große Krankenhäuser in der Corona-Krise pro Tag und pro freigehaltenes Bett 560 Euro vom Bund bekommen - Fachkliniken erhalten jedoch bis zu 760 Euro. Diese Ungleichbehandlung begründet sich damit, dass die Pauschalen auf der Grundlage der jahresdurchschnittlichen Fallschwere und Verweildauer berechnet werden und Fachkliniken in der Regel auf ausgewählte Behandlungen spezialisiert sind, die eine hohe Fallschwere haben.

In der Corona-Pandemie aber zeigt sich, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Während ein Patient mit einem einfachen Krankheitsverlauf nach ein paar Tagen auf Normalstation wieder entlassen werden kann, sieht es bei schweren Verläufen und zum Teil mehreren Monaten auf einem isolierten Einzelzimmer schon wesentlich anders aus. Zudem habe man zu Zeiten hoher Materialknappheit keine Kosten für Schutzausrüstung gescheut. Und man bleibe auf 800 000 Euro Kosten für Corona-Tests sitzen, die der Bund nicht refinanziere, erinnert die München Klinik.

Vor knapp vier Wochen hat OB Reiter Briefe an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und an Bundesgesundheitsminister Spahn adressiert, um auf die Mehrkosten hinzuweisen - und auf die ungerechte Refinanzierung durch den Bund, bei der gerade kommunale Großversorger zu kurz kämen. Dass manche kleine Fachkliniken in der schweren Pandemie-Zeit im Frühjahr sehr wenig zu tun hatten und ihre Überstunden abbummeln konnten, dass sogar einige Kurzarbeit beantragten, während die Mitarbeiter der München Klinik Überstunden ansammelten und die Betreiber große Ausgaben hatten, sei unfair, sagt Geschäftsführer Fischer. Ein "Webfehler im System", wie der Pressesprecher es formuliert. Bis heute ist laut Fischer keine Antwort auf den Brief gekommen. Und auch keinerlei Signal, wie es nach Auslauf der Frist für die Ausgleichszahlungen Ende September für das Krankenhaus weitergeht. "Das lässt mich enttäuscht zurück", so Fischer.

Spahn hat Anfang Juni nachjustiert und die Zuschüsse für persönliche Schutzausrüstung des Klinikpersonals je Patient von 50 auf 100 Euro angehoben. Doch das scheint in München lange nicht zu reichen. Fischer schwebt ein Coronafonds vor, um besonders belastete Krankenhäuser zu finanzieren. Denn die Versorgung schwerkranker Covid-19-Patienten sei zu einer neuen Säule der Daseinsvorsorge geworden, die größtenteils von öffentlichen Häusern geleistet wurde. Und: "Daseinsvorsorge muss sich lohnen."

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