Dr. Martin Eversmeyer übernimmt ab August die Geschäftführung „Das Klinikum ist in die Jahre gekommen“

Interview | Solingen · Der neue Kaufmännische Geschäftsführer des Städtischen Klinikums will investieren und das Haus an der Gotenstraße wieder in die Gewinnzone führen. Das Krankenhaus beschäftigt 1900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

  Dr. Martin Eversmeyer übernimmt ab dem 1. August die Kaufmännische Geschäftsführung im Klinikum.

 Dr. Martin Eversmeyer übernimmt ab dem 1. August die Kaufmännische Geschäftsführung im Klinikum.

Foto: Peter Meuter

Herr Eversmeyer, Sie verschaffen sich seit dem 1. Juni erste Eindrücke vom Städtischen Klinikum. Ab 1. August tragen Sie als Kaufmännischer Geschäftsführer Verantwortung. Woran krankt das Klinikum?

Eversmeyer Der Investitionsstau ist hier deutlich erkennbar. Es ist ein bisschen so, als wenn die Zeit stehengeblieben ist. Das Haus ist in die Jahre gekommen.

Das ist die Diagnose. Welche Therapie schlagen Sie vor?

Eversmeyer Wenn es um Investitionen geht, müssen wir in mehreren Schritten denken: zunächst zurück in eine wirtschaftlich stabilere Situation kommen. Wobei ich klar sage, dass die Zeit durchaus drängt. Die Rückkehr in die Schwarzen Zahlen muss deutlich schneller als in fünf Jahren gelingen.

Ist das der Hintergrund, vor dem zurzeit der sogenannte Masterplan erstellt wird?

Eversmeyer Auf den Masterplan 2025, den wir voraussichtlich Ende dieses Jahres oder im ersten Quartal 2021 vorlegen, können wir allein nicht warten. Erste Schritte müssen schon vorher in die Wege geleitet werden. Ich bin aber ganz hoffnungsfroh, dass wir damit schließlich Erfolg haben und wieder Überschüsse erwirtschaften werden, um investieren zu können – auch langfristig.

Dafür braucht es vor allem eines: Wachstum.

Eversmeyer Das ist richtig, und gerade hierauf konnte das Städtische Klinikum in den vergangenen Jahren nicht bauen. Ein Ansatzpunkt, um schwarze Zahlen zu schreiben, ist beispielsweise der sogenannte Schweregrad-Index.

Was besagt der?

Eversmeyer Vereinfacht ausgedrückt müsste dieser Schweregrad-Index für ein Haus, das sich wie das Städtische Klinikum als Maximalversorger sieht, bei 1,2 oder 1,3 liegen. In Solingen liegt er aber unter 1. Das heißt, es werden zu viele leichtere Fälle versorgt und das bringt weniger Geld. Das müssen wir also angehen, es braucht von daher den Masterplan für jede einzelne Klinik.

Das ist die betriebswirtschaftliche Seite. Viele Solinger sehen hingegen – auch und vor allem – die Fassade. Sie selbst haben davon gesprochen, dass das Haus in die Jahfre gekommen ist. Sehen Sie denn schon jetzt mögliche bauliche Veränderungen im Haus?

Eversmeyer Es geht darum, das Städtische Klinikum zukunftsfähig zu machen. Von daher braucht es auch eine bauliche Zielplanung innerhalb des Masterplans. Ein Beispiel: das Hochhaus ist in die Jahre gekommen, es gleicht einem Plattenbau der 1970er Jahre. Wenn wir es sanieren, damit jedes Patientenzimmer ein komplettes Badezimmer hat, dann bekämen wir Stationen mit 20 Betten. Das ist völlig unwirtschaftlich. Wir müssten mindestens 30 bis 35 Betten haben.

Was heißt das konkret?

Eversmeyer Wir müssen überlegen, wie wir weiter vorgehen. Es sind ein Teilneubau aber auch ein kompletter Neubau des Hochhauses denkbar. Aber das ist nicht alles. Wir dürfen nicht nur das Hauptgebäude in den Blick nehmen. Auf dem Klinikum-Campus gibt es viele verschiedene Bauten. Wir müssen sehen, ob wird das alles nicht wirtschaftlicher organisieren können.

Womit wir wieder bei den wirtschaftlichen Weichenstellungen sind. Mit Leverkusen wurden bereits Gespräche über mögliche Kooperationen geführt. Die sind aber erst einmal gescheitert. Was halten Sie grundsätzlich von Kooperationen?

Eversmeyer Ich bin ein großer Anhänger von Kooperationen. Die können aber nicht erzwungen werden. Die Verhandlungen mit Leverkusen sind ja auch erst mal gescheitert, wobei ich nicht ausschließe, das wird noch Lösungen finden.

Gibt es denn Alternativen?

Eversmeyer Möglichkeiten der Kooperationen ergeben sich im Stadtgebiet auch mit der St. Lukas Klinik oder Bethanien. Solingen braucht das Klinikum als Schwerpunkt- beziehungsweise Maximalversorger. Das Klinikum muss gleichwohl nicht in allen Bereichen Spezialgebiete der Medizin vorhalten. Andererseits sich aber auch nicht nur als Grund- und Regelversorger verstehen. Von daher ist eine Abstimmung mit Krankenhäusern in Solingen und der Region sinnvoll. Diese Gespräche müssen wir führen. Was daraus wird, muss man sehen. Alle Krankenhäuser stehen finanziell aber unter Druck. Alle müssen investieren, und im besten Fall übernimmt das Land große Teile der Investitionskosten.

Das wird wohl nicht geschehen.

Eversmeyer In Gänze wohl eher nicht, zumindest aber in Teilbereichen. Ich bin bei Gesprächen im Klinikum auf hochmotivierte Mitarbeiter gestoßen. sie alle stehen für ihr Krankenhaus, sie wissen aber auch, dass jetzt etwas geschehen und die Zukunft gestaltet werden muss.

Sie wünschen sich also kurzfristig viele Baukräne an der Gotenstraße?

Eversmeyer Ja, denn wenn an einem Krankenhaus kein Baukran steht, muss man fragen, was ist hier schief gelaufen. An guten Krankenhäusern wird ständig gebaut. Das meine ich auch im übertragenen Sinn.

Was fehlt am Klinikum?

Eversmeyer Ein MVZ, also eine Einrichtung zur ambulanten medizinischen Versorgung. Oder ein Ärztehaus, in dem mit niedergelassenen Ärzten zusammengearbeitet wird. Es geht um eine Umstrukturierung und darum, Spezialbereiche zu schärfen.

Die Veränderungen im Klinikum sollten, so wurde das immer kommuniziert, ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen. Steht das noch?

Eversmeyer Ja, zu dieser Aussage stehe ich. Stand heute wird es keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

Und was ist mit der Auslagerung von sogenannten Sekundärbereichen?

Eversmeyer Auch dies müssen wir uns genau anschauen. Das Institut für Pathologie wird beispielsweise jetzt an einen privaten Anbieter übergeben. Mir ist so gut wie kein Krankenhaus bekannt, das noch eine eigene Wäscherei hat. Hier werden Gespräche mit den Mitarbeitern und dem Betriebsrat geführt, um gute Lösungen zu finden. Auch im Bereich Küche gibt es einen enormen Investitionsstau, hier muss kurzfristig etwas passieren.

Was ist mit Labor und Radiologie?

Eversmeyer Unsere Aufgabe ist die Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen. An erster Stelle steht die Diagnostik, ohne Diagnostik läuft gar nichts. An CT oder MRT geht heutzutage kein Weg mehr vorbei. Ich bin offen für die Zusammenarbeit mit Partnern, aber wir tun uns keinen Gefallen, das gute Know-how einer Radiologie aus der Hand zu geben. Man muss einen Mittelweg finden, es geht hier nicht allein um schwarz oder weiß.

Das Coronavirus hat den Klinik-Alltag gehörig durcheinander gewirbelt. OP’s wurden abgesagt, Stationen geschlossen. Der große Ansturm an covid-19-Patienten blieb aber aus.

Eversmeyer Wir fahren den Krankenhaus-Betrieb jetzt wieder hoch, halten gleichzeitig aber noch Reserve-Kapazitäten vor. Wir wissen alle nicht, ob es zu einer zweiten Welle kommt. Persönlich gehe ich nicht davon aus, wohl aber müssen wir uns auf Hotspots einstellen. Es werden jetzt OP’s beispielsweise im Bereich Hüfte oder Knie nachgeholt.

Wie wirkt sich die Corona-Krise finanziell fürs Klinikum aus?

Eversmeyer Wir stehen noch bis zum 30. September unter einem Schutzschirm. Wir bekommen seit dem 15. März eine Ausgleichszahlung von 560 Euro pro Tag/Bett im Vergleich mit dem Vorjahreszahlen bei der stationären Versorgung. Andere Bereiche, wie unter anderem geringere Einnahmen bei der Parkplatzbewirtschaftung, sind davon ausgenommen. Corona ist für uns keine Katastrophe, aber wir profitieren auch nicht davon. Gleichwohl greift der Schutzschirm und hilft uns. Ich rechne am Ende des Geschäftsjahres 2020 mit einem besseren Ergebnis als 2019. Das wird negativ sein, wahrscheinlich aber unter drei Millionen Euro liegen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort