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Pflegenotstand Bremer Kliniken suchen im Ausland nach Personal

Die Bremer Kliniken suchen rund um den Globus nach Pflegepersonal. Der Fachkräftemangel zwingt sie dazu. So sollen etwa TV-Spots im mexikanischen Fernsehen das Interesse dortiger Krankenschwestern wecken.
05.03.2022, 18:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Bremer Kliniken suchen im Ausland nach Personal
Von Jürgen Theiner

Vier von fünf deutschen Kliniken haben Probleme, Pflegestellen auf ihren Allgemein- und Intensivstationen zu besetzen. Dieser Befund aus dem "Krankenhaus-Barometer 2021" des Deutschen Krankenhausinstituts beschreibt das Problem, mit dem sich auch Bremens Kliniken auseinandersetzen müssen. Bundesweit sind der Klinik-Umfrage zufolge aktuell rund 22.300 Pflegestellen vakant. Seit 2016 hat sich die Zahl damit verdreifacht. Jedes zweite Krankenhaus erwartet für die nächsten drei Jahre, dass sich die Personalsituation weiter verschlechtert.

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Die Botschaft ist also deutlich: Wer jetzt als Klinikbetreiber nicht entschieden gegensteuert, kann den Betrieb der Stationen auf mittlere Sicht nicht im bisherigen Umfang aufrechterhalten. Es droht ein Pflegenotstand. Was unternimmt die Bremer Gesundheitswirtschaft dagegen? Ausbildungskapazitäten auszuweiten, ist das eine. Daneben setzen sowohl die städtische Gesundheit Nord (Geno) als auch die vier gemeinnützigen Träger St.-Joseph-Stift, Diako, Rotes-Kreuz-Krankenkaus und Roland-Klinik auf die Anwerbung ausländischer Fachkräfte. Gesucht wird rund um den Globus.

Gesundheit Nord

Bei der Geno konzentrierten sich die Bemühungen zuletzt auf das Herkunftsland Mexiko. Erst im Februar stießen vier Pflegekräfte aus Mittelamerika zum Bremer Klinikverbund. Zuvor hatte die Geno bereits 14 weitere mexikanische Pflegerinnen und Pfleger dafür gewinnen können, sich eine neue berufliche Existenz Tausende Kilometer von ihrer Heimat aufzubauen. Angebahnt wurden die Kontakte über die ZAV, die zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit. Die Bewerbungsgespräche wurden vor Ort in Mexiko geführt. Dafür flogen eine Pflegeleiterin aus dem Klinikum Mitte und eine Mitarbeiterin mit Muttersprache Spanisch im März 2020 über den Atlantik. Voraussetzung für eine Bewerbung ist neben der fachlichen Qualifikation ein Sprachtest. In Deutschland stehen den ausländischen Stellenanwärterinnen noch ein weiterer Sprachkurs sowie ein Anerkennungslehrgang bevor. Erst dann dürfen sie als Pflegekraft arbeiten, bis dahin werden sie als Pflegehelferinnen eingesetzt.

"Unsere Erfahrung ist, dass solche Projekte nur dann gut gelingen, wenn die ausländischen Kolleginnen und Kollegen von Anfang an eng begleitet werden", sagt Geno-Sprecherin Karen Matiszick. Denn es sei natürlich ein Riesenschritt, so weit entfernt von zu Hause und ohne das vertraute familiäre Umfeld ein neues berufliches wie privates Kapital aufzuschlagen. Für jeden Neuankömmling gebe es bei der Geno einen „Paten“, der beim Einleben in Bremen hilft.

Cecilia Arellano-Castaneda gehört zu den mexikanischen Krankenschwestern, die bei der Gesundheit Nord tätig sind. Im Gespräch mit dem WESER-KURIER gesteht die 26-Jährige einen kleinen "Kulturschock" ein, der sie in den ersten Wochen ereilt habe. Vor gut einem Jahr kam sie in Bremen an. In ihrer Heimat war sie durch einen TV-Spot auf ihren potenziellen neuen Arbeitgeber aufmerksam geworden. Danach sei alles recht schnell gegangen: Vorstellungsgespräch, drei Tage später dann die Vertragsunterschrift. "Die Gesundheit Nord hat sich anschließend um alles gekümmert. Sie zahlte meinen fünfmonatigen Deutschkurs, der sehr intensiv war, und das Flugticket. Auf die Wohnungssuche lief über die Geno", berichtet Arellano-Castaneda.

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Im Vergleich zu ihrer mexikanischen Arbeitsstelle habe sie sich deutlich verbessern können. "Dort war das Gehalt schlecht. Wir mussten uns in dem öffentlichen Krankenhaus sogar unsere Schutzausrüstung selbst kaufen." Den Umgang mit den Patienten findet die Pflegerin in Bremen angenehmer als in ihrer Heimat. "Die Leute sind hier höflicher und dankbarer", urteilt die neue Geno-Mitarbeiterin. Nur private Bekanntschaften anzuknüpfen, das sei in Norddeutschland halt doch etwas schwieriger als in ihrer Heimat.

Freie Kliniken

Die Roland-Klinik in Huckelriede hat nach eigenen Angaben bereits einige ausländische Pflegekräfte eingestellt, dabei aber auf individuelle Bewerbungen und nicht auf die Dienste von Agenturen zurückgegriffen. Das katholische Joseph-Stift bedient sich laut Sprecher Maurice Scharmer des International Recruiting Team der St. Franziskus-Stiftung Münster, zu deren Verbund das Schwachhauser Klinikum gehört. Bis sich die neuen Belegschaftsangehörigen im deutschen Klinikalltag eingelebt und ihre Sprachkenntnisse verbessert hätten, dauere es im Schnitt etwa anderthalb Jahre.

Im Gröpelinger Diako arbeitet inzwischen Fachpersonal aus 30 Nationen. Erste Erfahrungen mit gezielter Personalakquise im Ausland habe man bereits vor einigen Jahren mit Pflegekräften aus Bosnien und Serbien gemacht. "Zu Beginn waren die Sprachhürden sehr groß", sagt Kliniksprecher Ingo Hartel in der Rückschau. Praxisanleiter hätten die neuen Kollegen unterstützt, eine ehemalige Diako-Mitarbeiterin half bei Alltagsproblemen wie Behördengängen und Wohnungssuche.

Wie die Geno arbeitet auch das Rotes-Kreuz-Krankenhaus (RKK) in der Neustadt nur mit Vermittlungsagenturen zusammen, die zertifiziert sind, also das staatliche Gütesiegel „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ tragen. Es zeichnet Firmen aus, die den Anwerbeprozess ethisch einwandfrei gestalten. Dazu gehört beispielsweise, dass die Fachkräfte nicht aus Ländern kommen, in denen selbst ein Pflegemangel herrscht. Auch Entgeltgleichheit mit deutschen Fachkräften ist ein Kriterium. Bereits 2018 habe das RKK begonnen, "Voraussetzungen für die erfolgreiche Anwerbung und Integration internationaler Pflegekräfte zu schaffen", erfährt man von Pflege-Geschäftsführerin Barbara Scriba-Hermann. Inzwischen biete das RKK als einzige Bremer Klinik einen sogenannten Anpassungslehrgang an, der ausländischen Pflegekräften den individuellen Nachqualifizierungsbedarf verschafft.

Mit dem Anwerben selbst sei es nicht getan, unterstreicht Scriba-Hermann. Die Integration der neuen Mitarbeiter erfordere "Geduld, Zeit, Offenheit, Empathie, Aufgeschlossenheit, Übung, Fleiß, Humor, Durchhaltevermögen und Engagement von allen Seiten".

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