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Defizit in Millionenhöhe: Schwieriger Start für Burkhard Bingel als Klinikum-Vorstand in Fulda

Foto: Volker Nies
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Fulda - In schwierigen Zeiten tritt Burkhard Bingel (56) sein neues Amt als Vorstand Administration im Klinikum Fulda an. Der wirtschaftliche Druck auf die Krankenhäuser hat sich seit Jahresbeginn durch das neue MDK-Gesetz weiter erhöht. Schon das Jahr 2019 wird das Klinikum wohl mit einem Defizit in Millionenhöhe abschließen.

Bingel, als Nachfolger André Eydts – der das Haus im März 2019 verließ – an der Seite von Dr. Thomas Menzel (57) neuer zweiter Mann im Klinikum, hat sich bereits bei allen 24 Chefärzten vorgestellt. Eine ruhige Einarbeitung erlauben ihm die Umstände jedoch nicht. „In den vergangenen Monaten haben sich die Rahmenbedingungen enorm verschlechtert“, klagt Bingel.

„Die Gesundheitspolitik bürdet den Krankenhäusern immer mehr Lasten auf. Wir sehen die Entwicklung mit großer Sorge“, ergänzt Menzel. Großer Kostentreiber waren 2019 die Pflegepersonaluntergrenzen: Das Gesundheitsministerium schreibt den Kliniken in einigen Bereichen eine Mindestpersonalstärke vor.

Zeitweise standen über 100 Betten leer

„Die Erfüllung der Auflagen kostete uns 2019 drei Millionen Euro für Leihkräfte, die deutlich teurer sind “, erklärt Menzel. Der Jahresabschluss 2019 werde – nach einigen Jahren im Plus – „voraussichtlich ein Defizit in Höhe eines niedrigen einstelligen Millionenbetrags“ aufweisen.

Ein Grund dafür war, dass in der zweiten Jahreshälfte zeitweise mehr als 100 der insgesamt knapp 1100 Betten leer standen, da das Klinikum auf einen weiteren Einsatz von Leihkräften verzichtete. Zudem wurden im vierten Quartal im Vorgriff auf das neue MDK-Reformgesetz insgesamt weniger Patienten behandelt.

MDK kann jetzt Strafen verhängen

Das Gesetz gibt dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK), der jetzt nur noch als Medizinischer Dienst (MD) firmiert, mehr Macht: Er kann jetzt Strafen verhängen. Beispiel: Der MDK ist der Auffassung, dass das Klinikum den Leistenbruch eines Rentners hätte ambulant operieren müssen – also ohne stationäre Aufnahme. Dann streicht er dem Klinikum nicht nur die Bezahlung der stationären Leistung, sondern verhängt auch eine Geldstrafe von zehn Prozent der Behandlungskosten – mindestens 300 Euro.

Die Strafe erhöht zusätzlich die Zahl der MDK-Prüfungen im nächsten Quartal. „Das führt dazu, dass wir Patienten in vielen Fällen nicht mehr angemessen behandeln können, was bei Patienten und ihren Ärzten für viel Verdruss sorgen wird“, warnt Menzel.

Zu kämpfen hat das Klinikum auch mit der schlechten Zahlungsmoral der Krankenkassen.

Finanzielle Hilfe der Stadt

„Aktuell haben wir noch 22 Millionen Euro von den Kassen zu bekommen“, berichtet der Vorstandschef. Ein Dauerthema für ihn sind die seit vielen Jahren unzureichenden Investitionszuschüsse des Landes – auch wenn Hessen die Zahlungen 2020 etwas erhöht hat.

Ursache des Finanzdrucks sei, so Menzel, dass die Politik die Zahl der heute knapp 1800 Krankenhäuser reduzieren wolle. „Das Ziel ist richtig, aber der Weg, nämlich alle Häuser pauschal unter Druck zu setzen, ist falsch“, so Menzel. Grundsätzlich lasse sich das Klinikum ohne finanzielle Hilfe der Stadt führen; jetzt sei dies wegen des extremen Drucks auf alle Krankenhäuser aber schwierig, sagt er.

Kommt Online-Anmeldung für geplante Eingriffe?

Kann das Klinikum in dieser Lage etwas von den privaten Trägern lernen, bei denen der neue Vorstand Administration bisher gearbeitet hat? „Nein“, sagt Burkhard Bingel, „die Privaten verlagern viele Aufgaben – vom Einkauf bis zur Abrechnung – in eine Zentrale, die die Arbeit für viele Häuser erledigt. Diese Möglichkeit haben wir nicht.“

Die Organisation der Abläufe am Klinikum sei schon sehr gut, sagt Bingel, aber über einige Änderungen solle man nachdenken. Bingel denkt an eine Online-Anmeldung für geplante Eingriffe („das ist für Patienten und Klinikum heute zu kompliziert“), eine bessere Zusammenarbeit der Abteilungen, auch und gerade bei der Behandlung älterer Patienten („wir wollen aber keine Geriatrie-Abteilung aufbauen“), und die Verlagerung von OPs vom stationären in den ambulanten Bereich. Das verlangt ja auch die Gesundheitspolitik.

Zur Person

Wenn er spricht, hört man es: Burkhard Bingel (56) ist in der Wetterau aufgewachsen. Nach der Mittleren Reife in Nidda lernte er in der örtlichen Volksbank Groß- und Außenhandelskaufmann und war dort zehn Jahre tätig. Die Ausbildung zum Bilanzbuchhalter (IHK) absolvierte er 1993.

1995 wechselte er an die Orthopädische Universitätsklinik Friedrichsheim (Frankfurt) als stellvertretender Leiter des Finanz- und Rechnungswesens – seine erste Funktion im Gesundheitsbereich.

Nach einem Studium zum Diplom-Krankenhausbetriebswirt wechselte er 2001 zur Asklepios-Gruppe und bekleidete unterschiedliche Führungsfunktionen. Von 2009 bis Ende 2019 war er Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften der Rhön-Klinikum AG (Bad Neustadt). Burkhard Bingel, der eine erwachsene Tochter hat, lebt mit Ehefrau Sandra (45) in Bad Neustadt. / vn

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