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Millionenverlust für Borromäus-Hospital? Leeraner Krankenhaus steht vor schweren Zeiten

Holger Hartwig
20.11.2021, 10:21 Uhr (Erstmeldung)
Das Borromäus-Hospital in Leer

Das Borromäus-Hospital in Leer

Henschel/Archiv

Leer - Dem traditionsreichen Leeraner Borromäus-Hospital (Borro) stehen schwere Zeiten bevor. Während die Klinik auf Anfrage offiziell davon spricht, dass noch keine Aussagen zum Jahresergebnis 2021 getroffen werden können, wird in den Gremien, in Teilen der Belegschaft und in internen Dokumenten seit Wochen über ein Minus von über 1,9 Mio. Euro gesprochen. Das haben umfangreiche Recherchen in den vergangenen Wochen ergeben. Zudem weist die Klinikleitung Gerüchte über Schwarzarbeit, die sich seit Wochen halten, zurück. Es handele sich um routinemäßige Kontrollen und es habe keinerlei Beanstandungen gegeben.

Einnahmen coronabedingt zurückgegangen

Angesichts der Ergebnisse der Recherchen hatte die Redaktion um ein Gespräch mit der Geschäftsleitung des Borro gebeten. Dieses wurde kurzfristig krankheitsbedingt abgesagt, tags darauf hieß es dann, dass es kein Interesse an einem persönlichen Gespräch gebe und alle Fragen schriftlich eingereicht werden könnten. Der umfangreiche Fragenkatalog wurde dann umgehend in Teilen beantwortet.

Zu der Frage, ob es zutreffe, dass für das Jahr ein Minus von knapp unter zwei Millionen Euro bei einem geplanten Jahresumsatz von etwa 62 Mio. Euro für die Klinik prognostiziert wurde, hieß es: „2021 sind die Einnahmen im Wesentlichen coronabedingt zurückgegangen. Detaillierte Betrachtungen der Abteilungen geben keine anderen Rückschlüsse. Natürlich gibt es auch im Borromäus Hospital coronabedingte Mehrkosten.

Struktur, Aufgabenverteilung und Eigentumsverhältnisse

Bei dem Booromäus-Hospital handelt es sich um ein katholisches Krankenhaus, das neben einer Betriebsgesellschaft auch eine Stiftung im Hintergrund hat. Nachfolgend ein Überblick über die Strukturen, Aufgaben und Eigentumsverhältnisse. Die Borromäus-Stiftung wurde von der Katholischen Kirchengemeinde Seliger Hermann Lange gegründet und ist am 4. November 2004 durch die Bezirksregierung Weser Ems und durch die kirchliche Rechtsaufsicht des Bistums Osnabrück als rechtsfähige kirchliche Stiftung des privaten Rechts anerkannt worden. Der Stiftungszweck ist die Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege durch Beschaffung von Mitteln für die gemeinnützige Borromäus Hospital Leer gGmbH zur Verwirklichung ihrer steuerbegünstigten Zwecke. Förderung der Altenhilfe durch die Unterhaltung von Altenwohnungen, Stärkung der bürgerlichen Aktivitäten, der ehrenamtlichen Arbeit und des privaten Engagements zugunsten der caritativ-sozialen Arbeit steuerbegünstigter Körperschaften.

Die Borromäus-Stiftung ist Eigentümerin des Grundstückes und hat wesentliche Teile (ohne z.B. neue Intensivstation) an die Borromäus Hospital Leer gGmbH gegen Zahlung verpachtet. Vorsitzender des Stiftungsrates ist Werner Güttler (Leer). Stiftungsratsvorsitzender ist Michael Kahlert, Geschäftsführer Dieter Brünink. Die St. Bonifatius Hospitalgesellschaft Lingen ist an der Borromäus-Stiftung bisher nicht beteiligt, hat eine Beteiligung an der der Stiftung seinerzeit angestrebt und verfolgt dieses auch weiter. Vertreter der Borromäus Hospital Leer gGmbH nehmen an den Sitzungen der Stiftung teil. Im Stiftungsrat hat die St. Bonifatius Hospitalgesellschaft kein Stimmrecht.

Die Borromäus Hospital Leer gGmbH ist die gemeinnützige Gesellschaft, die das Hospital betreibt. Gesellschafter sind: St. Bonifatius Hospitalgesellschaft Lingen e.V. (51 Prozent), die katholische Kirchengemeinde Seliger Hermann Lange (30 Prozent) und der Bischöfliche Stuhl Osnabrück (19 Prozent). Vorsitzender der Gesellschafterversammlung mit zehn Mitgliedern ist der Vorsitzende der St. Bonifatius Hospitalgesellschaft Lingen e.V., Emslanddechant Thomas Burke.

Geschäftsführer sind Dieter Brünink und Ansgar Veer (zugleich auch Geschäftsführer der St. Bonifatius-Hospitalgesellschaft in Lingen, die freigemeinnütziger kirchlicher Träger/Betreiber bzw. Mitgesellschafter von vier Allgemeinkrankenhäusern mit angeschlossenen medizinischen Versorgungszentren und interdisziplinären Zentren sowie verschiedenen ambulanten und stationären Einrichtungen der Altenpflege und Altenhilfe ist. Die Gesellschafterversammlung dieser gGmbH entscheidet nach Darstellung des Hospitals gemeinsam mit dem Stiftungsrat im Rahmen des Gesellschaftervertrags und der Stiftungssatzung über anstehende Investitionen.

Die Borromäus-Hospital Service GmbH Leer ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Borromäus Hospital gGmbH. Sie hat knapp 70 Mitarbeiter. Geschäftsführer ist der kaufmännische Leiter der Borromäus Hospital gGmbH, Markus Tholen, der auch kaufmännischer Leiter der gGmbH ist. Weitere Tochterunternehmen, z.B. für medizinische Versorgungszen­tren (MVZ), gibt es laut schriftlicher Mitteilung der Betreibergesellschaft des Borromäus-Hospitals nicht.

Mit Blick auf die gesamte Krankenhauslandschaft hat die Corona-Pandemie die wirtschaftliche Problematik erhöht. Wie das Ergebnis 2021 im Borromäus-Hospital genau ausfallen wird, steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest.“ Intern ist das Haus bereits weiter. Bereits zu Jahresbeginn war ein Minus von etwas mehr als einer Million Euro prognostiziert, konkret wird nun ein Minus von 1,9 Mio. Euro bis zum Jahresende erwartet.

Dies wird unter anderem, so ergaben die Recherchen, auf einen Rückgang der Patienten-Fallzahlen um etwas mehr als zehn Prozent sowie Mehrkosten im Bereich des medizinischen Bedarfs zurückgeführt. Die gestellten detaillierten Fragen zu den Ertrags- und Kostenentwicklungen und auch mit welchen Maßnahmen die Klinikleitung der wirtschaftlichen Entwicklung entgegenwirken wolle, blieben unbeantwortet.

Auf die Frage, ob es bereits in 2020 einen Verlust von etwa 500 000 Euro aus dem laufenden Betrieb gegeben habe, hieß es, dass „das Borromäus-Hospital in 2020 auf ein ausgeglichenes Jahresergebnis zurückblicken“ kann (Anmerkung der Redaktion: Die Frage bezog sich konkret auf das laufende Betriebsergebnis in 2020. Ein Jahresergebnis kann hingegen auch Auflösungen von Rückstellungen enthalten).

Brünink oder Veer - wer leitet das Haus?

Für Verwirrung sorgt aktuell in der Belegschaft auch, wer die Leitung des Hauses hat. Auf Anfrage, ob das Borro von Ansgar Veer (bisher zweiter Geschäftsführer und Hauptgeschäftsführer der St. Bonifatius Hospitalgesellschaft in Lingen) geführt werde, hieß es: „Geschäftsführer Dieter Brünink wechselt zum Ende des nächsten Jahres in die passive Phase der Altersteilzeit.

Konkret bedeutet dies, dass die aktive Arbeitsphase Ende 2022 ausläuft und zum 1. Januar 2023 die Freistellungsphase beginnt. Mitte des kommenden Jahres soll eine Nachfolgeregelung realisiert werden, die dann von Dieter Brünink noch eingearbeitet werden könnte.“

Intern wurde hingegen durch den scheidenden Brünink publiziert: „Die Führung des Borromäus-Hospital wird bis auf weiteres von meinem Geschäftsführerkollegen Ansgar Veer übernommen. Hierbei werde ich ihn aktiv unterstützen und begleiten. Vielen Dank für Ihr Verständnis für meine persönliche Entscheidung, die mir nicht leichtgefallen ist.“

Auch kaufmännische Leitung wechselt

Im kommenden Jahr wird neben dem aktuellen Geschäftsführer Dieter Brünink auch der langjährige kaufmännische Direktor des Borros und Geschäftsführer der Borromäus-Hospital Service GmbH Leer, Markus Tholen, aus dem Unternehmen ausscheiden, bestätigte die Klinik. Eine entsprechende Altersteilzeitvereinbarung sei bereits vor einigen Jahren „auf seinen eigenen Wunsch auf den Weg gebracht“ worden. Der kaufmännische Direktor gehe, so schreibt die Klinik, in 2022 regulär in die Freistellungsphase.

Zollprüfung ergibt keine Beanstandungen

Hartnäckig haben sich während der dreimonatigen Recherche zur Situation des Hospitals auch die Gerüchte gehalten, dass die Zollfahndung wegen des Verdachts der Schwarzarbeit seit einigen Monaten Gespräche mit Mitarbeitern halte. Nachgefragt zu diesem Umstand antwortete die Klinik: „Grundsätzlich finden routinemäßig Kontrollen durch die Zollbehörde in Unternehmen und damit auch im Borromäus Hospital und der Service GmbH statt. Dies ist auch in diesem Jahr unangekündigt erfolgt. Es gab keinerlei Beanstandungen.“

Betriebsklima ist „nach wie vor gut“

Ebenso ein Thema war bei den Gesprächen mit Mitarbeitern immer wieder Arbeitsklima, was sich seit einem Jahr in der Wahrnehmung der Angestellten deutlich verschlechtert habe.

In dem Zusammenhang wurde wiederholt auf den Wechsel in der Personalleitung hingewiesen. Es hagele Abmahnungen und es könne nicht mehr die Rede davon sein, dass es sich um ein christliches Krankenhaus handele. Auch zu diesem Punkt hat sich die Klinik schriftlich geäußert: „Diese Darstellungen sind nicht zutreffend. Wir verfolgen einen wertschätzenden Umgang mit unseren Mitarbeitenden und freuen uns, wenn diese möglichst lange unserem Borro die Treue halten. Wir schätzen jeden Mitarbeitenden gleichermaßen.“

Und weiter: „Das Betriebsklima ist nach wie vor gut, allerdings sind unsere Mitarbeitenden durch die Coronalage besonders gefordert und angespannt.“

Keine Engpässe beim Pflegepersonal

Eindeutig Stellung bezogen hat die Klinik-Leitung auch zur Personalsituation im Pflegebereich. Während viele Kliniken eine Herausforderung mit der Frage nach ausreichend Personal haben, ist das in dem katholischen Haus kein Thema. „Aktuell sind nahezu alle Stellen gemäß Stellenplanung besetzt und damit keine Qualitätseinbußen zu erwarten. Es gibt somit momentan auch keinen Personalmangel durch unbesetzte Stellen in der Pflege“, heißt es.

Mit Blick auf die Zukunft des Hospitals seien „Abteilungsschließungen oder betriebsbedingte Kündigungen nicht vorgesehen“.

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