DSAG: SAP-Anwender stehen vor Hürden beim KHZG

DSAG

Veröffentlicht 23.11.2021 06:20, Dagmar Finlayson

Im Herbst 2020 hat die Bundesregierung das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) auf den Weg gebracht. Im Rahmen des Gesetzes stellt der Bund Fördermittel in Höhe von drei Milliarden Euro zur Verfügung, die Länder 1,3 Milliarden. Diese Mittel sollen Krankenhäuser für den Aufbau einer modernen digitalen Infrastruktur und ihrer IT-Sicherheit verwenden. Es geht darum, neue Wege im Interesse einer digitalen, interoperablen und qualitativ hochwertigen Patientenversorgung sowohl im Krankenhaus als auch zwischen den Sektoren zu beschreiten. Dazu wurden im KHZG förderungsfähige Eckpunkte (die sogenannten Fördertatbestände) im Hinblick auf sinnvolle Digitalisierungs­strategien festgeschrieben. Was die SAP-Ausstattung der Krankenhäuser betrifft sowie die avisierte Cloudifizierung klinischer IT-Infrastrukturen, sieht die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) durch die Bedingungen der Fördertatbestände allerdings noch beträchtliche Hürden in der Praxis, die eine Ausschöpfung erschweren. Von Hermann-Josef Haag, DSAG-Fachvorstand Personalwesen & Public Sector, in Vertretung für das Sprecherteam des DSAG-Arbeitskreises Healthcare

Bei den Fördertatbeständen liegt – durchaus nachvollziehbar zum Wohle des Patienten – der Schwerpunkt auf der Digitalisierung patientenbezogener klinischer Prozesse. Es geht z.B. um durchgängig digitale Medikationsprozesse, eine strukturierte elektronische Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen oder Behandlungsentscheidungen, die durch automatisierte Hinweise und Empfehlungen unterstützt werden.

In deutschen Kliniken ist das Thema Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) hoch aufgehangen, erhofft man sich doch davon den längst überfälligen Digitalisierungsschub. Durch die beschriebene Fokussierung auf die Digitalisierung patientenbezogener klinischer Prozesse kann die SAP selber leider nicht zum Zuge kommen. Auch der Partner Cerner Corporation, der in vielen Krankenhäusern im Klinikbereich im Einsatz ist, hat sich hier bislang eher zurückhaltend gezeigt. Auf den jüngsten Sitzungen des DSAG-Arbeitskreises „Healthcare“ wurden nun Lösungen und konkrete Termine genannt, was die Verfügbarkeit KHZG-förderungsfähiger Produkte und Services angeht.

Die DSAG würde es insbesondere begrüßen, wenn SAP Wege findet, wie beim Thema KHZG auch Randbereiche derart bedient werden können, dass die Kliniken entsprechende Lösungen „wie aus einer Hand erhalten”. Bereiche in der Patientenlogistik etwa oder auch das Thema Patientenportale werden durch SAP selbst nicht unterstützt, sondern über Partner. Das gilt auch für bestimmte Leistungsanforderungen, die KHZG-förderfähig wären – und bisher in SAP selbst nur kompliziert erfüllt werden können. Die Bearbeitung durch das klinische Personal ist somit nicht prozessförderlich. Durch die bisherigen Konzepte (Mandanten) sind hausübergreifende Leistungsanforderungen nur schwer abbildbar. Für die Klinik bedeutet dies ggf. eine Verdopplung von Organisationseinheiten. Auch die Anbindung von Subsystemen zu z.B. klinischen Konsil-(Leistungs-)stellen ist innerhalb der SAP-Lösung sehr komplex. Dies wird in Kliniken seit längerem kritisiert. Die Abdeckung der Gesamtheit der Funktionen und ihrer Integration mit SAP als Kernsystem bietet aus Sicht der DSAG daher noch Potenzial.

Hemmschuhe: Krankenhausverbünde und die Landesdatenschutzgesetze

SAP kann nur vereinzelte KHZG-förderungswürdige On-Premise-Applikationen anbieten. Einen Ausweg können hier flexible Anwendungen von Partnern über SAP und/oder Cerner bieten, die auch in der Cloud laufen und mit der bestehenden On-Premise-Welt integriert sind. Die Förderung von Cloud-Strukturen – die sich wie ein roter Faden durch das gesamte KHZG zieht – soll neue Möglichkeiten eröffnen, die Umsetzung einer IT-Strategie hinsichtlich Systemkonsolidierung und Zentralisierung zu beschleunigen.

Viele Kliniken sind aus Datenschutzgründen von der Einführung durchgängiger Cloud-Strukturen derzeit noch weit entfernt. Das föderale System mit seinen – je Bundesland – unterschiedlichen Anforderungen an Cloud-Betrieb und IT-Sicherheit macht dies nicht einfacher. Zusätzlich erschwerend hat auch der hih (healthcare innovation hub) des BMG erkannt, dass insbesondere Kliniken Nachholbedarf in der Infrastruktur haben.

Wenn Patientendaten nicht mehr auf dem eigenen Campus gehalten werden, sondern bei einem Cloud-Anbieter, stellen sich zwei Herausforderungen: die Verfügbarkeit von Daten und ihr Schutz vor unerlaubtem Zugriff (Thema IT-Sicherheit). Hier sieht die DSAG einen besonderen Hemmschuh, was die Nutzung von Cloud-Strukturen angeht. Ein Komplett-Outsourcing von Krankenhausinformationssystemen (KIS) in die Cloud an einen der großen Hyperscaler ist derzeit aus DSGVO-Gründen ohnehin nicht erlaubt, sondern nur dann, wenn sich die Server im europäischen Wirtschaftsraum befinden. Denn im KIS befinden sich patientenbezogene Daten, die vor einem Zugriff aus unsicheren Drittstaaten nicht ausreichend geschützt wären.

Organisationseinheiten müssen dringend verbessert werden

Damit rücken modulare Cloud-Architekturen in den Vordergrund, die den Weg in Richtung „Hybrid-Plugin-KIS“ weisen. Die in der DSAG vertretenen Kliniken sehen dies durchaus kritisch und als Herausforderung; sind doch in einem typischen Krankenhaus 30 bis 40 Subsysteme (und damit ebenso viele Schnittstellen) zu berücksichtigen, die man aus der Cloud heraus bedienen bzw. orchestrieren muss. Auch der Aspekt Support-Aufgaben/-Aufwand ist zu beachten, den gegebenenfalls im Idealfall der Cloud-Anbieter übernimmt.

Die Idee der Nutzung des modularen Cloud-Architektur-Ansatzes durch SAP, Cerner und Partner mit Healthcare-Know-how scheint hier ein guter Ansatz zu sein, um die Bedienung bzw. Orchestrierung der Subsysteme künftig in geordnete Bahnen zu bringen. Hier erscheint eine konkrete Healthcare-Partner-Initiative im deutschsprachigen Raum als ein aussichtsreiches Vorhaben, mit der die SAP Deutschland diese Idee – basierend auf der globalen SAP Industry Strategie – fördert. Denn dazu kooperieren aktuell schon zehn Healthcare-Expertise-Partner, um auf der SAP Business Technology Plattform Digitalisierungslösungen/Services zu entwickeln. Ziel der einheitlichen Plattformtechnologie ist es, jene Interoperabilität und Integration unterschiedlicher Lösungen zu erreichen, an der es bisher – wie beschrieben – leider oft mangelt.

Durch die gemeinsamen Entwicklungen in der Partnerinitiative für das Gesundheitswesen auf der SAP-Plattform sollen die Anwender nicht einmal einen Bruch während der Nutzung wahrnehmen. Vielmehr erscheinen die „ursprünglich einzelnen Nischenlösungen“ als eine durchgängige Lösung.

Eile ist geboten – Fristen verstreichen bereits

Wenn es um die Formulierung von Zielen und ihre Einordnung in den jeweiligen KHZG-Fördertatbestand geht, fungiert die DSAG in ihrem Arbeitskreis „Healthcare“ als Forum zum Wissens- und Erfahrungsaustausch unter Experten und Betroffenen. Gesetzgeber und SAP als Software-Hersteller mit ihrem umfangreichen Healthcare-Partner-Ecosystem sind allerdings zuvor gefragt, die rechtlichen und produkttechnischen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Kliniken von der Förderung auch wirklich profitieren können. Und dabei ist nun allerdings Eile geboten, denn die Fristen zur Antragstellung sind teilweise schon wieder verstrichen. Im Rahmen des KHZG gilt aktuell der Umsetzungszeitpunkt 31.12.2024. Das schafft die DSAG nur gemeinsam mit SAP, Cerner und Partnern.

 


Die Deutschsprachige SAP Anwendergruppe e.V. DSAG ist einer der einflussreichsten SAP-Anwenderverbände mit mehr als 60.000 Mitglieder aus über 3.700 Unternehmen. Sie bilden ein Netzwerk, das sich vom Mittelstand bis zum DAX-Konzern und über alle wirtschaftlichen Branchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) erstreckt. Organisiert sind sie in 200 Arbeitskreisen und -gruppen. Gemeinsam optimieren sie SAP-Lösungen für den täglichen Gebrauch in den Mitgliedsunternehmen.

www.dsag.de

 


Foto: Hermann-Josef Haag, DSAG-Fachvorstand Personalwesen & Public Sector: „Die Abdeckung der Gesamtheit der Funktionen und ihrer Integration mit SAP als Kernsystem bietet aus Sicht der DSAG daher noch Potenzial.“

 

 Quelle: Wolf-Dietrich Lorenz


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