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Nachspiel des Skandals um Warteliste Krankenkasse muss erschlichene Organspenden bezahlen

Vor fast zwölf Jahren flog der Göttinger Transplantationsskandal auf. Der damalige Chefarzt handelte ethisch verwerflich, aber seine Operationen waren fachgerecht, urteilte nun das Bundessozialgericht.
Schauplatz des Skandals: Die Göttinger Uniklinik im Jahr 2012

Schauplatz des Skandals: Die Göttinger Uniklinik im Jahr 2012

Foto: Julian Stratenschulte/ dpa

Der Leiter der Transplantationschirurgie der Uniklinik Göttingen hatte von Oktober 2008 bis Mitte 2011 die Daten von 25 Patienten so manipuliert, dass sie auf der Warteliste für Spenderorgane bei Eurotransplant nach oben rutschten und schneller ein Organ erhielten. Vorrangig ging es dabei um bestimmte Blutwerte. Nach einem anonymen Hinweis im Juli 2011 flog der Skandal auf.

Nun hatte er noch ein finanzielles Nachspiel – allerdings nicht für die Klinik. Die Krankenkasse KKH hatte nach dem Skandal geklagt und wollte die Operationen, um die es ging, nicht bezahlen. Diese Klage wurde nun aber abgewiesen.

Das Universitätsklinikum Göttingen habe sehr wohl Anspruch auf Vergütung, stellte das Bundessozialgericht in Kassel klar: »Der Anspruch entfällt nicht dadurch, dass das Krankenhaus falsche Daten an die Vergabestelle gemeldet hat«, entschieden die Richter. (Az: B 1 KR 3/22 R)

Wie andere Krankenkassen hatte auch die KKH die Transplantationen für zwei ihrer Versicherten zunächst bezahlt. Mit ihrer Klage forderte sie – nach Klinikangaben als einzige Kasse – dieses Geld nun wieder zurück, zusammen 157.160 Euro. Zwar seien die Lebertransplantationen jeweils medizinisch notwendig gewesen und auch fachgerecht vorgenommen worden. Die Organe seien der Klinik aber unter falschen Voraussetzungen zugewiesen worden. Dadurch sei die Behandlung rechtswidrig geworden.

Dieser Argumentation folgte das BSG nicht. Die Transplantationen seien medizinisch erforderlich gewesen und nach den Regeln der medizinischen Kunst vorgenommen worden. Dem Verstoß gegen das Transplantationsgesetz komme »keine Vergütungsrelevanz zu«.

Gerechtigkeitserwägungen spielen bei der Krankenhausvergütung keine Rolle

Maßgeblich für die Vergütung in der gesetzlichen Krankenversicherung seien Vorschriften, die der Qualitätssicherung dienten. Hier berühre der Verstoß aber »nicht die Beschaffenheit der Leistung, sondern die gerechte Verteilung von Lebenschancen«. Gerechtigkeitserwägungen spielten bei der Krankenhausvergütung aber keine Rolle, erklärten die Kasseler Richter.

Der Göttinger Skandal hatte weitreichende Folgen. So wurde 2013 ein neuer Straftatbestand in das Transplantationsgesetz aufgenommen. Nach früherem Recht war der wegen mehrfachen versuchten Totschlags angeklagte Arzt aber bis hinauf zum BGH freigesprochen worden. Die Universitätsklinik Göttingen nimmt nach eigenen Angaben bis heute keine Lebertransplantationen mehr vor.

mamk/AFP