Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz gefährdet deutsche Kliniklandschaft fundamental
Klaus Emmerich, Klinikvorstand i.R, warnt vor gravierenden Folgen für ländliche Regionen
Im Eilverfahren hat am 16. Oktober der Bundestag Lauterbachs Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz ohne eine valide Auswirkungsanalyse verabschiedet. 1 Klaus Emmerich, Klinikleiter im Ruhestand, zeichnet ein düsteres Bild: „Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz ist ein Krankenhauszerschlagungsgesetz. Es berücksichtigt in keinerlei Weise die Strukturen überwiegend ländlich strukturierter Bundesländer. Die Folgen für Deutschland sind fatal.“ 2
Der Redaktion medconweb hat Klaus Emmerich zu den Hintergründen seiner massiven Kritik befragt.
Redaktion medconweb: Herr Emmerich, was ist nach Ihrer Ansicht falsch an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbachs Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz?
Emmerich: Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz löst die Probleme der gefährdeten Krankenhäuser in Deutschland fundamentalt. Es verwaltet nur den Mangel an Geld und Personal für Krankenhäuser, weg vom Land hin zu Ballungszentren. Die Verlierer sind ländliche Regionen. Sie werden Gesundheitsregionen dritter Klasse, mit
langen Wegstrecken über 30 Fahrzeitminuten zum nächstgelegenen Allgemeinkrankenhaus mit stationärer Basisnotfallversorgung.
Redaktion medconweb: Mangel an Geld? Immerhin verspricht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, 60% der klinischen Vergütung pauschal zu finanzieren. Kliniken müssten deshalb nicht mehr um Zuwachs klinischer Leistungen kämpfen!
Emmerich: Den deutschen Krankenhäuser fehlen aktuell lt. Defizituhr der Deutschen Krankenhausgesellschaft 12,6 Mrd. Euro. 3 Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gibt den Krankenhäusern nicht mehr Geld, er gliedert die leistungsorientierte Vergütung über Fallpauschalen, bisher 100%, nur in 40% leistungsabhängige und 60% pauschale Vergütung um. Fehlende 12,6 Mrd. Euro aber bleiben fehlende 12,6 Mrd. Euro. Im Jahr 2024 werden 79% der bayerischen Krankenhäuser Verluste schreiben. 4 Bereits 2023 schreiben lt. einer Curacon-Umfrage 55% aller deutschen Krankenhäuser Defizite. Private Klinikträger mit Gewinnabsichten werden defizitäre Kliniken schließen. Kommunen werden Verlustausgleiche in oft zweistelliger Millionenhöhe dauerhaft nicht mehr leisten können. Damit sind, von 1.857 deutschen Krankenhäusern bis zu 1.030 langfristig gefährdet! 5
Redaktion medconweb: Können Sie den Mangel an Personal konkret erklären?
Emmerich: Gemessen an den Aufgaben des Krankenhauses, fehlt es in der Tat an klinischem Personal. Das Personal – wie vom Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz geplant – vom Land in städtische Regionen
zu verlagern, schafft keinen zusätzlichen klinischen Mitarbeiter. Im Gegenteil: Viele Mitarbeiter werden nach Schließung eines ländlichen Krankenhauses in ihrem sozialen Umfeld bleiben und deshalb in andere Berufe wechseln. Wir werden in Zeiten klinischen Personalmangels weitere klinische Arbeitskräfte verlieren.
Redaktion medconweb: Haben Sie denn eine Lösung für den Personalmangel in bayerischen Krankenhäusern?
Emmerich: In der Tat haben wir eine Lösung. Schaffen wir die DRG-Fallpauschalen ganz ab, statt sie zu 40% als Vergütungsbestandteil zu belassen, dann befreien wir klinisches Personal von aufwändigen Dokumentationen und Kodierungen am Computer. Die eingesparte Arbeitszeit, immerhin 15% jedes Tages, stünden zusätzlich der Behandlung von Patienten zur Verfügung. Wir reden nicht über Kleinigkeiten. Wir reden über 166.400 klinische Mitarbeiter bzw. 126.150 klinische Vollzeitkräfte in Bayern im Gegenwert von 1,6 Mrd. Euro, die sofort und unmittelbar den Patienten zu Gute kämen. Das wäre eine echte Krankenhausreform mit mehr Qualität und sinnvollem Einsatz knapper Ressourcen.
Redaktion medconweb: Lauterbach verspricht, Krankenhäuser zu retten. Was sagen Sie
dazu?
Emmerich: Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz ist ein klassisches Krankenhausschließungsgesetz. Immerhin bestätigt Lauterbach ja auch seine Absicht: „Gleichzeitig werden nicht notwendige Krankenhäuser abgebaut oder umgewandelt.“ 6 Durch rigide Strukturanforderungen für die Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie führt Bundesgesundheitsminister Lauterbach durch die Hintertür die von den Bundesländern abgelehnten Level 1i ein. Es wird zwangsweise Schließungen von insbesondere kleinen ländlichen Allgemeinkrankenhäuser geben, die die Strukturanforderungen für die Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie nicht erfüllen können. Gefährdet sind langfristig 657 der aktuell 1.857 deutschen Krankenhäuser ohne Basisnotfallversorgung. 7 Die Bundesländer können für maximal 3 Jahre Ausnahmegenehmigungen gemeinsam mit anderen Partnern des Gesundheitswesens vereinbaren.
Redaktion medconweb: Kann man das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz jetzt noch verhindern?
Emmerich: Wir fordern Bundesländer auf, das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz im Bundesrat zu stoppen. Die flächendeckende klinische Versorgung in Bayern steht auf dem Spiel.
- BibliomedManager,Auswirkungsanalyse-Tool ist schon in Gebrauch,
https://www.bibliomedmanager.de/news/auswirkungsanalyse-tool-ist-schon-in-gebrauch - Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern,Sterben langfristig 1.030 defizitäre Kliniken?,
https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/krankenhausreform/sterben-langfristig-1-030-defizit%C3%A4re-
kliniken/ - Deutsche Krankenhausgesellschaft, https://www.dkgev.de/
- BKG, Defizit-Uhr, https://www.bkg-online.de/
- Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern,Sterben langfristig 1.030 defizitäre Kliniken?,
https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/krankenhausreform/sterben-langfristig-1-030-defizit%C3%A4re-
kliniken/ - Bundesgesundheitsministerium,Bundestag beschließt Krankenhausreform,
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/bundestag-beschliesst-
krankenhausreform-pm-17-10-2024.html - Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Level 1i durch die Hintertür, offener Brief,
https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/krankenhausreform/level-1i-durch-die-hintert%C3%BCr/