Eine Klinik soll keinen Gewinn machen

Ex-Gesundheitsministerin Tack über den Prüfbericht zum Potsdamer Krankenhaus »Ernst von Bergmann«

In wie vielen Aufsichtsräten haben Sie in Ihrer langen politischen Laufbahn gesessen und wie viel Aufwandsentschädigung haben Sie dafür kassiert?

In keinem einzigen. Als Ministerin der ersten rot-roten Landesregierung wollten mich meine Genossen in den Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft entsenden. Aber ich habe mich geweigert. Ich hatte vorher 15 Jahre als oppositionelle Abgeordnete immer wieder kritisiert, dass der Ministerpräsident und Minister in diesem Gremium sitzen. Ich war in einigen Beiräten und auch Vorsitzende der Stiftung Naturschutzfonds Brandenburg. Dafür gab es kein Geld.

Anita Tack
Die 1951 Geborene gehörte von 1994 bis 2019 der Linksfraktion im brandenburgischen Landtag an und war zusätzlich von 2009 bis 2014 Ministerin für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. Bis Ende 2020 leitete sie eine Expertenkommission zur Coronakatastrophe im Potsdamer Klinikum »Ernst von Bergmann«.

Vorsitzende des Aufsichtsrats des kommunalen Potsdamer Klinikums »Ernst von Bergmann« ist immer automatisch die Gesundheitsbeigeordnete der Stadt. Halten Sie das für problematisch?

Da sehe ich tatsächlich Interessenkonflikte. Ich halte es für die bessere Lösung, wenn der Aufsichtsrat jemanden aus seiner Mitte zum Chef beziehungsweise zur Chefin wählt, wie es unter dem Mitbestimmungsgesetz möglich ist. So geschehen bei den Ruppiner Kliniken. Da ist nicht der verantwortliche Dezernent der Kreisverwaltung Ostprignitz-Ruppin Aufsichtsratsvorsitzender, sondern der Landtagsabgeordnete Ronny Kretschmer (Linke). Kretschmer hat früher als Krankenpfleger und Personalratschef in den kommunalen Ruppiner Kliniken gearbeitet - ist dort quasi groß geworden und deshalb eine gute Wahl.

Sie leiteten gemeinsam mit Professor Frank T. Hufert eine Expertenkommission, die ein halbes Jahr lang den im Frühjahr 2020 außer Kontrolle geratenen Corona-Ausbruch im Bergmann-Klinikum untersuchte. Hätte der Aufsichtsrat das Drama verhindern können?

Er hätte frühzeitig die Fehlentwicklungen erkennen und etwas unternehmen müssen. Das ist seine Pflicht. Als sich das Klinikum vor Jahren in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, wurde es per Beschluss der Stadtverordnetenversammlung 2005 darauf getrimmt, die Verlustzone zu verlassen und möglichst Gewinne abzuwerfen. Die fatale Folge davon: Es wurde zum Beispiel an der Hygiene und bei der Patientensicherheit gekürzt. Besucher sagten schließlich: »Das ist ein schmutziges Haus.« Dass solche Verhältnisse die Ausbreitung einer Infektionskrankheit begünstigen, liegt auf der Hand. Das und eine unzureichende Führungskultur haben dazu beigetragen, dass im Zeitraum 8. März bis 2. April vergangenen Jahres 45 Patienten gestorben sind, während es deutschlandweit damals vergleichsweise noch wenige Coronatote gab. Der Aufsichtsrat trägt insofern eine Mitverantwortung, dass er den verhängnisvollen Kürzungsmaßnahmen und Fehlentwicklungen nicht entgegenwirkte. Wenn er das getan hätte, wäre unsere Expertenkommission überflüssig gewesen.

Warum griff der Aufsichtsrat nicht ein?

Aus den Dokumenten ist ersichtlich, dass im Aufsichtsrat weniger diskutiert wurde, sondern in der Regel den Vorgaben der Geschäftsführung gefolgt wurde. Die Mitglieder bekamen einen dicken Stapel schwer verständlicher Dokumente. Wenn Beschlüsse zu fassen waren, wurde so abgestimmt, wie es die Geschäftsleitung empfohlen hat. Eine echte Kontrolle war das nicht. Darum wäre es nötig, die Aufsichtsräte städtischer Unternehmen, die zur Hälfte aus Vertretern der Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung gebildet werden, für ihre ehrenamtliche Tätigkeit ausreichend zu qualifizieren. Denn sie haben sehr verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen.

Oft wird behauptet, ein privates Krankenhaus sei besser und effizienter als ein kommunales. Wie sehen Sie das?

Besser auf keinen Fall, effizienter nur durch Einsparungen bei den Personalkosten. Wir wollen aber, dass Tariflöhne gezahlt werden, wie das am Bergmann-Klinikum nun endlich geschieht. Krankenhäuser gehören zur gesundheitlichen Daseinsvorsorge und in öffentliche Hand. Das heißt aber auch, dass sie alle vom Bund und vom Land ausreichend finanziert werden müssen. In vielen Städten sind Kliniken der größte Arbeitgeber. Sie bieten vor allem Frauen gute Arbeitsmöglichkeiten. Auch das darf nicht vergessen werden.

Ist es so falsch, wenn eine kommunale Klinik etwas abwirft für die Stadtkasse?

Ein Krankenhaus sollte meiner Meinung nach überhaupt keinen Gewinn machen. Wenn es Überschüsse erwirtschaftet, sollte das Geld im Interesse der Patienten und für gute Arbeitsbedingungen des Personals investiert werden. So benötigt das Bergmann-Klinikum aus hygienischen und organisatorischen Gründen bessere bauliche Bedingungen. Deshalb hat die Kommission vorgeschlagen, am besten ein Akutkrankenhaus oder gleich das gesamte Klinikum auf der grünen Wiese neu zu errichten.

Welche Schlussfolgerungen müssen aus dem Ende Januar veröffentlichten Bericht der Kommission gezogen werden?

Vielfältige, denn im Krankenhaus laufen sehr komplexe Prozesse ab und alles muss sich um eine optimale Versorgung der Patienten drehen. Einiges ist bereits geschehen. So sind zum Beispiel die hygienischen Bedingungen verbessert worden und die Klinik wurde umgebaut, um die Unterteilung in extra Bereiche für Patienten mit und ohne Corona-Infektion zu sichern. Die verschiedenen Verbesserungen haben dazu geführt, dass in der zweiten Welle der Pandemie nicht wieder so ein unkontrolliertes Infektionsgeschehen ausbrechen konnte. Andere Veränderungen, wie zum Beispiel die Besetzung der Geschäftsführung, die Verbesserung der Unternehmenskultur, die Stärkung des Aufsichtsrates und die Kooperation und Vernetzung mit den anderen Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen der Stadt müssen beraten und entschieden werden. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hat den Stadtverordneten dafür eine Strategie vorgeschlagen.

Wurden Sie für Ihre Tätigkeit in der Kommission bezahlt?

Unsere Expertenkommission hat ehrenamtlich gearbeitet. Wir haben eine monatliche Aufwandsentschädigung wie die Potsdamer Stadtverordneten (290 Euro) erhalten. Und für die Leitung der Kommission betrug der monatliche Beitrag das Doppelte, so wie für die Fraktionsvorsitzenden im Stadtparlament.
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