Prozess in Nürnberg:Klinik-Mitarbeiter soll unberechtigt 470 000 Euro kassiert haben

Ein Abteilungsleiter des Fürther Klinikums muss sich wegen Untreue in 64 Fällen und Steuerhinterziehung in elf Fällen verantworten. Zum Auftakt der Prozesses räumt er das Fehlverhalten ein.

Von Olaf Przybilla

Als die Kneipe in einer fränkischen Universitätsstadt auf einmal nicht mehr aufsperrte, war in der Lokalzeitung vom Ende einer "Kult"-Einrichtung die Rede. Warum hinter den Scheiben beklemmende Leere zu sehen war, wo doch kurz zuvor reges Treiben herrschte, war nicht abschließend zu klären. An mangelndem Zuspruch jedenfalls konnte es kaum gelegen haben. In den Kommentarspalten der Zeitung einigte man sich darauf, das Haus sei Opfer der Corona-Maßnahmen geworden. Was so nicht zutrifft, wie man zu Prozessbeginn gegen einen 45-Jährigen am Nürnberger Landgericht zu hören bekommt. Leer geräumt wurde die Kneipe vielmehr deshalb, weil deren Inhaber festgenommen worden war. Und das wurde der Kneipier deswegen, weil er im Hauptberuf am Klinikum Fürth in leitender Funktion tätig gewesen ist und es um mehr als 470 000 Euro betrogen haben soll.

Seit neun Monaten sitzt der 45-Jährige, der mal Wirt, Geschäftsführer einer eigenen Firma und Klinikabteilungsleiter war, in Untersuchungshaft. Seit Mittwoch muss er sich wegen Untreue in 64 Fällen und Steuerhinterziehung in elf Fällen vor Gericht verantworten. Nach kurzer Beratungspause mit seinem Anwalt lässt er diesen gleich nach Verlesung der Anklage reinen Tisch machen. Jawohl, räumt sein Verteidiger Jürgen Lubojanski ein, sein Mandant habe sich als Führungskraft der Klinik "mehr zubilligen" wollen, als ihm sein Dienstvertrag tatsächlich zugebilligt habe. Er bedauere dieses Fehlverhalten zutiefst. Allerdings habe der Betriebswirt als Abteilungsleiter im Fürther Klinikum dort gleichsam ein "Leben ohne Freizeit" führen müssen - und habe sich folglich, so soll man das wohl verstehen, eine angemessene Entlohnung selbst bewilligt.

Zumal ihn die Klinik offenbar nicht mit übermenschlichen Hürden daran hinderte. Jedenfalls hätten die "Controllingsysteme" am Klinikum nicht so funktioniert, wie sie das hätten tun sollen. Seinem Mandanten sei es mithin leicht gemacht worden, erklärt Lubojanski. Er habe schlicht "die Schwäche des Systems" zu seinen Gunsten genutzt.

Der Anklage zufolge war es tatsächlich kein kriminalistisches Hexenwerk, dem System Geld abzuknöpfen. Der 45-Jährige habe dazu Rechnungen für nicht in Auftrag gegebene und nie erbrachte Dienstleistungen in Sachen Personalvermittlung erstellt, diese gleich selbst als sachlich richtig gezeichnet und persönlich in die Finanzbuchhaltung der Klinik gebracht. Mit dem Auftrag, eine Bezahlung zu veranlassen.

Erbracht haben soll diese vermeintlichen Dienstleistungen wiederum eine Firma, deren Inhaber der Angeklagte selbst war und für die er praktischerweise seine 73 Jahre alte Mutter als Geschäftsführerin eingesetzt hatte. Damit allerdings nicht auffiel, dass die Firmengeschäftsführerin kurioserweise auf den selben seltenen Namen wie der Klinikabteilungsleiter hörte, soll der 45-Jährige für Klinikkorrespondenzen schlicht eine nicht existierende Angestellte erfunden haben. Geld für einen Audi Q7 und einen Porsche Boxster war damit laut Anklage gesichert. Und für den Unterhalt der Kneipe fiel bei Bedarf auch noch eine fünfstellige Summe ab. Der Prozess wird fortgesetzt.

Zur SZ-Startseite

Aufregung im Internet
:Darf die Tochter von Herrn Söder das?

Eine junge Frau macht Urlaub in Monaco, postet Fotos davon im Internet und ein Shitstorm bricht los - weil ihr Vater Ministerpräsident ist. So etwas häuft sich.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: