Einen deutlichen Anstieg bei Fällen von Abrechnungsbetrug hat die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) mit Sitz in Hannover für das Jahr 2021 registriert. Sie liegt damit im allgemeinen Trend. Alle Kassen berichten von höhen Fallzahlen und mehr Hinweisen Dritter auf mögliche Bereicherungen zulasten der Versicherten, wenn auch nicht unbedingt von höheren Schadenssummen. Im Fall der KKH ist die Summe auf 4,7 Millionen Euro gestiegen – so viel wie nie zuvor. Die Kasse hat rund 1,6 Millionen Versicherte und ist bundesweit aktiv. Ihre Gesamtausgaben für Gesundheitsleistungen liegen bei knapp sechs Milliarden Euro.
Die AOK Bremen/Bremerhaven mit knapp 270.000 Versicherten und Ausgaben von etwa 850 Millionen Euro nennt auf Anfrage für die Jahre 2020 und 2021 eine Schadensumme von 233.000 Euro durch Abrechnungsbetrug. In den beiden Jahren zuvor waren es 320.000 Euro. In den Jahren 2016 und 2017 belief sich der Gesamtschaden der Bremer AOK nach eigenen Angaben auf 490.000 Euro. Darin war mit 230.000 Euro als größter Posten der Betrugsfall der Nordseepflege in Bremerhaven enthalten, die für mehr als 1000 Patienten über Jahre hinweg systematisch überhöhte Abrechnungen geltend gemacht hatte.
Bei der AOK ist die Zahl der Betrugsfälle mit einem Plus von 27 Prozent im Vergleich zur Zwei-Jahres-Periode davor gestiegen. Die Schadensummen je Fall ist kleiner. Die meisten Fälle wurden in der Pflege mit einem Gesamtschaden von etwa 40.000 Euro erfasst, gefolgt von sogenannten versichertenbezogenen Fällen, die zum Beispiel Betrug bei Haushaltshilfe oder Krankengeld umfassen. Den Schaden beziffert die AOK in diesem Bereich auf rund 20.000 Euro. Bei Ärztinnen und Ärzten gab es 29 Fälle, auch die höchste Schadenssumme mit insgesamt knapp 60.000 Euro. Abgerechnet wurden neben erfundenen Behandlungen auch Leistungen, für die keine Genehmigungen vorlagen, etwa psychotherapeutische Angebote.
Bei der Handelskrankenkasse (HKK) mit Sitz in Bremen liegt der im Berichtszeitraum 2020/2021 entstandene Schaden bei rund 620.000 Euro. Die Fallzahlen sind ebenfalls gestiegen. Die Kasse hat bundesweit knapp 900.000 Mitglieder und erstattet rund zwei Milliarden Euro jährlich für Gesundheitsleistungen. HKK-Sprecher Ay Holm macht die Struktur der Fälle deutlich: „Falsche Fahrtkosten verursachen mit einem Anteil mit 36 Prozent den größten Schaden, gefolgt von Pflegeleistungen mit 25 Prozent.“ Betrug durch Ärzte und Apotheker trage etwa 15 Prozent bei. „Als betrugsanfällig gelten außerdem versichertenbezogene Leistungen wie Haushaltshilfe, Krankengeld oder Verhinderungspflege“. Der Anteil dieser Leistungen am Gesamtschaden lag bei 16 Prozent.
Abrechnungsbetrug sei weiterhin die Ausnahme, betont Holm. Gesamtzahlen zum Abrechnungsbetrug über alle Krankenkassen hinweg gibt es nicht. Gemessen an den Ausgaben liegt der ermittelte Schaden in den ausgewiesenen Fällen jeweils im Promillebereich, die Kassen gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.
Einzigartige Kooperation
Im Land Bremen arbeiten die aktiven Krankenkassen seit fast 20 Jahren in der „GKV-Prüfgruppe zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ zusammen, um Abrechnungsbetrügern auf die Spur zu kommen. Auch die Staatsanwaltschaft und Polizei sind in dieser Arbeitsgruppe aktiv. Laut AOK-Sprecher Jörn Hons ist diese Kooperation aller Kassen und der Strafverfolgungsbehörden bundesweit einmalig: „Bei bestimmten, mehrere Kassen betreffenden Fällen übernehmen einzelne Kassen die Federführung und bearbeiten die Fälle für die anderen mit“, erläutert er.
Um erfundenen, aber abgerechneten Leistungen auf die Spur zu kommen, sind die Kassen fast ausschließlich auf externe Hinweise angewiesen. Häufig sind es ehemalige Mitarbeiter oder im Bereich der Pflege auch Mitbewerber, die den Kassen entsprechende Informationen geben. Bei Ärztinnen und Ärzten gilt der Ehepartner als klassischer Hinweisgeber, zumeist aus eher persönlichen Motiven.
Aber auch bei den Kontrollen des Medizinischen Dienstes (MD) können Unregelmäßigkeiten auffallen. Die Qualitätsprüfungen der Pflegeanbieter einmal im Jahr gehen vor allem Hinweisen auf Missstände oder Qualitätsmängel in der Pflege nach, untersuchen aber auch Abrechnungen. Die Prüfungen waren in der Corona-Zeit für viele Monate ausgesetzt worden.