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"Organisierte Schwerkriminalität": Millionen-Betrug bei Pflegediensten: Chefs bunkerten Gold, Rolex-Uhren und Geld-Koffer
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Drei Millionen Euro, die in der Wohnung eines Pflegedienst-Geschäftsführers in Augsburg beschlagnahmt wurden.
PP Schwaben Nord/AdobeStock/iStock/Composing: Sascha Weingartz Drei Millionen Euro, die in der Wohnung eines Pflegedienst-Geschäftsführers in Augsburg beschlagnahmt wurden.
  • FOCUS-online-Chefreporter (München)

Mega-Schlag gegen osteuropäische Abzocker-Pflegedienste in Bayern: 13 Chefs in Haft, Millionen-Beute gesichert. Laut Staatsanwaltschaft arbeiteten die Betrüger mit übelsten Methoden. So wurden Leistungen für "Pflegefälle" abgerechnet, die in Wahrheit als Schweißer oder Verkäufer arbeiteten. Eine Frau wurde mit Medikamenten vollgepumpt, damit sie als hilfsbedürftig gilt.

Die sichergestellte Beute erinnert an Funde bei Mafia-Kartellen oder Bankräubern:

In Schließfächern und Wohnungen von Verdächtigen entdeckten Fahnder Goldbarren, Rolex-Uhren und sündhaft teuren Schmuck, außerdem Koffer voller Bargeld – mal 1,2 Millionen Euro, mal 2,5 Millionen, mal drei Millionen Euro. Insgesamt fielen den Ermittlern Geldbündel und Wertsachen für rund acht Millionen Euro in die Hände.

Unter Betrugsverdacht: zehn osteuropäische Pflegedienste

Gehortet hatten die Reichtümer keine klassischen Mafiosi oder Panzerknacker. Es handelt sich vielmehr um Inhaber und Geschäftsführer von insgesamt zehn ambulanten Pflegediensten aus dem osteuropäischen Raum. Acht der Anbieter haben ihren Sitz in Augsburg, zwei in München.

Bei einer selbst für bayerische Verhältnisse außergewöhnlich großen Razzia rückten an diesem Mittwoch 33 Staatsanwälte und mehr als 630 Polizisten aus, um die mutmaßlichen Abzocker-Pflegedienste auseinanderzunehmen.

Mega-Razzia: 630 Polizisten durchsuchen 220 Objekte

Rund 220 Objekte wurden gefilzt, darunter Geschäftsräume und Privatwohnungen der Firmenchefs, aber auch die von Patienten sowie Arztpraxen und Banken. Die Ermittlungen konzentrierten sich auf den Raum Augsburg und München. Weitere Durchsuchungen fanden in Thüringen, Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg und Niedersachsen statt.

Sichergestellte Goldbarren, Uhren und Schmuck im Wert von mehr als 200.000 Euro.
PP Schwaben Nord Sichergestellte Goldbarren, Uhren und Schmuck im Wert von mehr als 200.000 Euro.

Das Ergebnis der Mega-Razzia kann sich sehen lassen: Bislang wurden 13 Verdächtige festgenommen, weil Flucht- und Verdunkelungsgefahr besteht. Die Zahl der Beschuldigten liegt bei rund 100, etwa 40 von ihnen gelten als mutmaßliche Haupttäter. Von dem Geld, das bei ihnen gefunden wurde, stellten die Strafverfolger vorerst 3,6 Millionen Euro im Zuge der Vermögensabschöpfung sicher. Zudem wurden große Mengen an Computern, Festplatten und Akten beschlagnahmt. Die detaillierte Auswertung könnte Jahre dauern.

Staatsanwalt: Pflege ist "Schlaraffenland für Kriminelle"

Hans Kornprobst, Leiter der Staatsanwaltschaft München I, spricht von einem „großen Schlag gegen die Organisierte Kriminalität im Gesundheitswesen, insbesondere im Pflegebereich“. Dem Top-Ermittler zufolge werden in der Gesundheitsbranche jedes Jahr mehr als 375 Milliarden Euro umgesetzt, das ist mehr als der gesamte Bundeshaushalt. Gerade im Pflegebereich werde „sehr viel Geld bewegt“, was auch Betrüger anlocke. Kornprobst: „Unser Gesundheitswesen ist in Teilen ein Schlaraffenland für Kriminelle.“

Bei der Razzia sichergestellte Akten.
PP Schwaben Nord Bei der Razzia sichergestellte Akten.

Pflegedienste und Patienten machen oft gemeinsame Sache

Im aktuellen Fall wirft die Staatsanwaltschaft den Pflegediensten „Totalfälschungen“ vor. Sie sollen Leistungen abgerechnet haben, die niemals erbracht wurden. Außerdem sei in vielen Fällen ein Pflegebedarf angemeldet worden, der in Wahrheit nicht bestand. Oftmals hätten Pflegedienste, Patienten und Angehörige „unter einer Decke gesteckt“. Kornprobst: „Hier wurden Millionen ergaunert zu Lasten der Gemeinschaft und der Pflegekräfte, die ihre Aufgabe ordentlich erfüllen.“

70.000 Euro für "pflegebedürftigen" Schweißer abgerechnet

Mit welch hochkriminellen Methoden die Pflegedienste agiert haben sollen, weiß der Münchner Oberstaatsanwalt Richard Findl zu berichten.

  • So habe ein Unternehmen einen Mann als „pflegebedürftig“ eingestuft, der tagsüber in einem Kiosk gearbeitet hat und putzmunter mit einem Roller unterwegs war.
  • Für einen angeblich Pflegebedürftigen wurden insgesamt zwischen 60.000 und 70.000 Euro abgerechnet, etwa für Hilfe beim Rasieren. In Wahrheit arbeitete der kerngesunde Mann als Schweißer.
  • Ein Mann, der angeblich kaum Laufen konnte, wurde mit einem Rollator zu einer Behörde geschickt, wo er seine Pflegebedürftigkeit nachweisen sollte. Wenige Stunden später ging er zum Einkaufen in den Supermarkt – ohne Rollator!

Kontrolleure getäuscht, Patientin mit Arznei "betäubt"

Begünstigt wurden die mutmaßlichen Betrugstaten durch das offenbar mangelhafte Kontrollsystem. Laut Oberstaatsanwalt Findl müssen sich Prüfer des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einen Tag vorher bei den Pflegediensten anmelden. Das ermögliche den Unternehmen, „Dokumentationen und Akten zu frisieren“ und „Hilfsmittel an Patienten auszugeben, die sie in Wahrheit nie benutzen“. So würden Patienten unmittelbar vor dem MDK-Besuch gebrauchte Krücken oder Rollatoren erhalten, die nach der Überprüfung wieder abgeholt würden.

Doch es geht noch schlimmer, wie Ermittler Findl weiß: „Einer Patientin wurden gegen ihren Willen sehr hohe Dosen Beruhigungsmittel gegeben.“ Auf die Kontrolleure habe sie dadurch „apathisch und schwer pflegebedürftig“ gewirkt.

AdobeStock/iStock/Composing: Sascha Weingartz

IN DEUTSCHLANDS GERICHTEN

Wie sieht der Alltag in Deutschlands Justiz wirklich aus? Was läuft nicht rund? Wie geht es besser? FOCUS Online ist in Gerichten unterwegs: Dort, wo normale Menschen um ihr Recht kämpfen. Wo spektakuläre Prozesse laufen. Wo Deutschland sein Versprechen einlösen muss, ein Rechtsstaat zu sein. Unsere Reporter sprechen mit Richtern, Staatsanwälten, Angeklagten, Opfern und Zeugen.

In unserem Justiz-ABC erklären wir die wichtigsten Begriffe aus der Justiz. Und hier finden Sie alle Artikel des Gerichtsreports.

Schildern auch Sie uns, was Sie im Umgang mit Staatsanwälten oder Richtern erlebt haben. Vielleicht entsteht daraus eine Geschichte. Mailen Sie uns an: mein-fall@focus.de.

Kripo-Chef: "Gefahr für Leib und Leben der Patienten"

„Es geht hier nicht nur um Geld“, warnt Gerhard Zintl, Chef der Augsburger Kriminalpolizei, „sondern um Leib und Leben der Patienten“. Zintl spricht von „bandenmäßig organisierter Fehlpflege“ und von „Schwerkriminellen“, denen man das Handwerk legen müsse. Dabei seien die aktuellen Ermittlungen nur der Anfang. Allein in Bayern würden „mehrere Verfahren“ gegen Pflegedienste geführt.

In Anspielung auf den Namen der Augsburger Ermittlungskommission „Eule“ verspricht Zintl: „Die Eule wird weiter ihre Kreise ziehen – und sie wird wieder zuschlagen!“

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