Schleswiger Krankenhaus-Chef

Helios-Geschäftsführer Johannes Rasche: Darum müssen Klinikkonzerne Gewinne machen

Darum müssen Klinikkonzerne Gewinne machen

Darum müssen Klinikkonzerne Gewinne machen

SHZ
Schleswig
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Johannes Rasche ist Diplom-Kaufmann und arbeitet seit sieben Jahren für Helios. Nach Stationen als Assistent in Cuxhaven und in der ENDO-Klinik Hamburg sowie als Klinikgeschäftsführer in Kiel, Bad Schwartau und Stralsund hat er seit dem 1. November 2020 die Geschicke der Helios Mariahilf Klinik Hamburg verantwortet. Parallel zu seiner neuen Tätigkeit in Schleswig wird Johannes Rasche vorerst auch Geschäftsführer in Mariahilf bleiben. Zum 1. Mai 2021 hatte der 38-Jährige die Nachfolge von John Friedrich Näthke angetreten und die Geschäftsführung des Helios Klinikum Schleswig übernommen. Foto: Helios/shz.de

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Der neue Schleswiger Krankenhaus-Chef über die Corona-Krise, die Impfquote bei seinen Mitarbeitern und die Kritik an Helios und seinem Mutterkonzern Fresenius.

Seit etwa einem halben Jahr ist Johannes Rasche (38) Geschäftsführer der Helios-Klinik Schleswig. Wie er seine neue Aufgabe angenommen hat, wie das Krankenhaus auf die neue Corona-Welle vorbereitet ist und was er von Kritik an Helios hält, erzählt er im Interview mit SN-Reporterchef Sven Windmann.

Herr Rasche, die Corona-Zahlen im Kreis steigen wieder rasant an. Machen Sie sich mit Blick auf Ihre Klinik bereits Sorgen?

Natürlich haben wir die Inzidenzen täglich im Blick. Wir beobachten das ganz genau – und zwar mit dem notwendigen Sachverständnis dahinter. Und natürlich gucken wir auch, ob man hier und da wieder anders reagieren muss als etwa im Sommer, als die Lage relativ entspannt war. Was uns aber deutlich gelassener sein lässt als im vergangenen Winter, ist die verhältnismäßig hohe Impfquote hier bei uns in der Region. Aber noch einmal: Wir beobachten die Situation ganz genau und sind auf alles vorbereitet.

Dazu brauchen Sie eine starke Mannschaft. Wie sieht es mit der Impfbereitschaft Ihrer Mitarbeiter aus?

Wir haben eine Impfquote von 95 Prozent im Haus und sind gerade dabei, unsere Mitarbeiter nach und nach mit der Booster-Impfung zu versorgen. Und wir werden parallel dazu auch nicht müde, die verbleibenden fünf Prozent überzeugen zu wollen. Aber es gibt keine Impfpflicht. Wir setzen deshalb weiter auf den Faktor Aufklärung und Sensibilisierung.

Gibt es denn Einschränkungen bei der Arbeit für Ihre ungeimpften Mitarbeiter?

Die ungeimpften Kollegen sind natürlich dazu angehalten, sich regelmäßig und immer wieder testen zu lassen, und sie müssen natürlich Schutzkleidung tragen, so wie alle anderen. Wir haben im Haus eine sehr klare Teststrategie – und diese wird auch mit Nachdruck umgesetzt. Mitarbeiter- und Patientenschutz stehen bei uns ganz klar im Vordergrund.

Sie persönlich haben die Geschäftsführung der Klinik mitten in der Pandemie übernommen. Es gibt bessere Zeitpunkte, oder?

Ja, das stimmt wohl. Allerdings hatte ich den großen Vorteil, dass ich bereits in die Helios-Struktur eingebunden war und alle Themen, Verabredungen und Lösungsansätzen rund um Corona, die in allen Häusern vergleichbar sind, genau kannte. Dennoch ist der Standort in Schleswig ein neues Haus mit eigenen Rahmenbedingungen für mich, die ich auch erst einmal kennenlernen musste und muss – auch unabhängig von Corona. Ich erlebe hier ein ungewöhnlich aufgeschlossenes Team, das mit Informationen nicht hinter dem Berg hält – positiv wie kritisch. Genau das gefällt mir, weil ich mit dieser Art sehr gut umgehen kann. Ich kann deshalb jetzt schon sagen, dass es für mich die absolut richtige Entscheidung war, nach Schleswig zu kommen. Sowohl in der Klinik als auch in der Stadt und der Region fühle ich mich richtig wohl.

Ist das Schleswiger Krankenhaus bislang gut durch die Krise gekommen?

Diese Frage ist nicht grundsätzlich mit Ja oder Nein zu beantworten, sondern sehr themenspezifisch. Dank der Inzidenzen mit Blick auf die Corona-Patienten ist dieses Klinikum im Vergleich zu anderen Häusern etwa in Süddeutschland gut weggekommen. Natürlich hatten auch wir hier schwere Fälle, und es haben leider auch nicht alle Patienten die Corona-Erkrankung überlebt. Das gilt aber für alle Krankenhäuser. Aber: Wir sind in Schleswig, auch weil wir sehr gut vorbereitet waren, bislang zu keinem Zeitpunkt an unsere Kapazitätsgrenzen gekommen. An anderer Stelle gab es auch bei uns materielle Engpässe bei Masken und Schutzkleidung und auch vielfältige personelle Herausforderungen.

Aus anderen Helios-Kliniken hört man, dass im Zuge der Corona-Krise Personal abgebaut wurde. Insbesondere wurden offene Arztstellen nicht neu besetzt. Gilt das auch für Schleswig?

Das Thema muss man unabhängig von Corona betrachten. Die Helios-Unternehmenspolitik basiert auf dem Grundsatz einer bedarfsadäquaten Ressourcenverteilung. Wichtig ist: Die Patienten bekommen alles, was sie brauchen, und auch das Personal bekommt alles, was es braucht. Gleichzeitig sind wir bestrebt, Personal bedarfsadäquat einzusetzen. Und da stellt man sich natürlich auch die Frage, ob sich an der einen oder anderen Stelle Synergien ergeben. Das bedeutet auch: Wir folgen keinem Gießkannenprinzip und schütten Personal einfach in die verschiedenen Bereiche, sondern schauen schon genau hin, wo die Leute gebraucht werden.

Oft haftet Helios der Ruf an, ein Wirtschaftsunternehmen zu sein, das mit dem Thema Gesundheit Gewinn macht und eher an seine Aktionäre als an die Patienten denkt? Was ist Ihre Meinung dazu?

Ich bin der Meinung, dass man durchaus auch als Klinikkonzert Gewinne machen sollte. Es ist völlig klar, dass bei uns die Behandlungsqualität immer im Vordergrund steht und die Wirtschaftlichkeit dieser Qualität folgen muss – und niemals umgekehrt. Dass das funktioniert, zeigen die Behandlungsqualitätszahlen, die auch in Schleswig übrigens über dem Bundesdurchschnitt liegen. Und: Wenn man sich klar macht, dass wir diesen Standort aus eigener Kraft und ohne die öffentliche Hand aufrecht erhalten, dann wird aus meiner Sicht oft gesellschaftlich zu wenig darüber diskutiert, ob es andererseits nicht genau so unmoralisch wäre, als Klinik Verluste zu machen. Uns wird oft vorgeworfen, dass wir Gewinne machen, die übrigens zu 90 Prozent in die Kliniken reinvestiert werden. Auf der anderen Seite sollte man aber auch sehen, dass es Kliniken gibt, in denen nicht einmal eine Schwarze Null geschrieben wird – und dass Krankenkassenbeitragszahler und darüber hinaus dann auch noch der Steuerzahler das Defizit ganz selbstverständlich am Ende ausgleichen müssen. Ist das die bessere Lösung?

Müssen dennoch so hohe Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden?

Unser Mutterkonzern Fresenius ist an der Börse notiert, und wir führen unsere Gewinne natürlich auch an Fresenius ab. Wir beziehen aber auch sämtliche Mittel für laufende Investitionen von Fresenius. Genau deshalb braucht Fresenius zwangsläufig den Zugang zum freien Kapitalmarkt. Und dafür muss man Aktionäre davon überzeugen, dass sie bei uns an der richtigen Adresse sind, um in uns zu investieren. Und wer investiert, wünscht sich eine gewisse Verzinsung – das ist die Dividende. Diese ist aber im Vergleich zum Gesamtgewinn, den Fresenius macht, marginal.

Anderes Thema: Der Fachkräftemangel betrifft in erster Linie auch den Pflegebereich. Längst ist ein Wettbewerb um Mitarbeiter entstanden. Wie geht das Schleswiger Krankenhaus mit dieser Situation um?

Das ist ein großes Thema, denn auch wir sind vom Fachkräftemangel betroffen. Wir haben aber bereits mehrere Initiativen gestartet, um neues Pflegepersonal für uns zu gewinnen – und zwar mit Erfolg. Wir konnten in jüngster Zeit 39 Vollzeitkräfte einstellen. Gleichzeitig müssen wir für diejenigen, die bereits bei uns sind, aber auch Anreize schaffen, um sie langfristig zu halten – und zwar abseits des Lohnstreifens. Dabei geht es darum, Beruf und Familie besser miteinander verbinden zu können. Passend dazu bauen wir ja gerade für 2,5 Millionen Euro eine Betriebskindertagesstätte. Und wir bieten jetzt auch freie Parkmöglichkeiten bei Nachtdiensten an. Es geht darum, die Bedarfe der Mitarbeiter zu kennen und nach Kräften zu erfüllen.

Das Besondere am Standort Schleswig ist dabei sicherlich die Komplexität durch die verschiedenen Häuser.

Ja, das macht die Aufgabe sicherlich etwas komplexer, aber auch interessanter. Die Leistungsvielfalt, die wir in Schleswig anbieten, ist schon besonders. Neben der Schwerpunktversorgung behandeln wir hier auch psychiatrische Krankheitsbilder, haben eine der größten Kinder- und Jugendpsychiatrien in ganz Deutschland. Dazu noch die forensische Klinik mit ihren ganz eigenen Erfordernissen. Das alles mitgestalten zu dürfen, ist eine Herausforderung und große Freude zugleich.

Gibt es Projekte, die Sie sich für die kommenden Jahre konkret auf die Fahnen schreiben wollen?

Auf kürzere Sicht wird es für den gesamten Standort Schleswig wichtig sein, nach Corona wieder neu durchzustarten und zu alter Stärke zurückzufinden. Auch im Kopf Dinge wieder zuzulassen, die wir jetzt während der Krise noch eher skeptisch bewerten würden. Auf längere Sicht müssen und wollen wir uns auf die Zukunft vorbereiten und intensiv prüfen, ob es nicht weitere Alternativen zur stationären Behandlung gibt.

Das heißt konkret?

Wir tun gut daran, uns auf die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten dahingehend einzustellen, dass wir nicht jedes Krankheitsbild konsequenterweise mit stationärer Behandlung beantworten. Eine teilstationäre, tagesklinische Behandlung wäre hier und da sicherlich die richtige Lösung. Da gäbe es einige Bereiche, in denen das Sinn machen würde. Während des Tages wird man hier versorgt, abends kommt man in sein gewohntes Umfeld. Und wir müssen uns gerade in einer Region wie dem Kreis Schleswig-Flensburg die Frage stellen: Wie bekommen wir fachärztliche Expertise in den ländlichen Raum? Da wird das Thema Telemedizin eine zentrale Rolle spielen – und wir als Klinik damit natürlich auch. Das würde letztendlich auch das Miteinander zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern weiter stärken. Daran werden wir sicherlich in den nächsten Jahren arbeiten.

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