L 11 KR 2249/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 801/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2249/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Geltendmachung von Ansprüchen iSv
§ 325 SGB V aF/§ 412 SGB V nF gehört jede Form der Rechtsdurchsetzung, sowohl aktiv als auch passiv und damit nicht nur die Erhebung einer Klage, sondern auch die Aufrechnung.
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.06.2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 467,05 EUR festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin eines nach landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannten Krankenhauses. Sie nahm am 20.05.2014 die bei der beklagten Krankenkasse versicherte C. L. (im Folgenden: Versicherte) zur stationären Behandlung auf (Entlassung am 22.05.2014). Mit Rechnung vom 27.05.2014 rechnete die Klägerin für den 20.05.2014 insgesamt 567,75 EUR ab (Tagesklinik Schmerztherapie 467,05 EUR nebst Zuschlägen). Die Beklagte bezahlte die Rechnung zunächst vollumfänglich. Am 04.12.2018 nahm sie gegenüber der Klägerin eine Aufrechnung mit unstreitigen Forderungen aus anderen Fällen iHv 467,05 EUR vor. Die Vergütung für den stationären Aufenthalt der Versicherten iHv 1.642,10 EUR (Rechnung vom 03.06.2014) ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Am 19.02.2019 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Sie bestreitet die Berechtigung der Beklagten, im vorliegenden Fall eine Aufrechnung vorzunehmen. Nach der geltenden Rechtslage hätte bis zum 09.11.2018 eine gerichtliche Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs erfolgen müssen; die am 04.12.2018 vorgenommene Aufrechnung genüge dem nicht.

Die Beklagte geht von der rechtmäßigen Aufrechnung der Forderung aus. Die streitige teilstationäre Behandlung sei am Aufnahmetag der stationären Behandlung erfolgt; es dürfe daher keine teilstationäre Abrechnung erfolgen.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.06.2020 hat das SG die Beklagte zur Zahlung von 467,05 EUR nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.12.2018 an die Klägerin verurteilt. Die Beklagte sei zur Aufrechnung nicht berechtigt gewesen. Nach § 109 Abs 5 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verjährten Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Dies gelte nach der durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz vom 11.12.2018 (PpSG, BGBl I 2394) eingeführten Vorschrift des § 109 Abs 5 Satz 2 SGB V auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die - wie vorliegend - vor dem 01.01.2019 entstanden sind. Diese Regelung stelle eine Sondervorschrift zur allgemeinen vierjährigen sozialrechtlichen Verjährungsfrist des § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) dar. Zum Zeitpunkt der Aufrechnung am 04.12.2018 sei der vermeintliche Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der bereits im Jahr 2014 geleisteten Vergütung nach der maßgebenden Rechtslage danach bereits verjährt gewesen. Der Aufrechnung stehe auch die ebenfalls durch das PpSG eingeführte Vorschrift des § 325 SGB V entgegen, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen ausgeschlossen ist, soweit diese - wie im vorliegenden Fall - vor dem 01.01.2017 entstanden sind und bis zum 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht wurden. Der vermeintliche Anspruch auf Rückzahlung sei durch die Beklagte bis zum 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht worden. Die erst nach dem 09.11.2018 vorgenommene Aufrechnung könne einer gerichtlichen Geltendmachung nicht gleichgestellt werden. Eine einschränkende Auslegung, nach der lediglich die direkte (gerichtliche) Durchsetzbarkeit der betroffenen Ansprüche ausgeschlossen sein soll, lasse sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch dem gesetzgeberischen Willen (unter Hinweis auf BT-Drs 19/5593, S 124: "Durchsetzung entsprechender Rückzahlungsansprüche") entnehmen. Soweit die Beklagte verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 325 SGB V vortrage, könne dies aufgrund der fehlenden Grundrechtsfähigkeit der Beklagten dahinstehen.

Gegen den der Beklagten am 19.06.2020 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom SG zugelassene, am 17.07.2020 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie hält die Rechtsauffassung des SG für verfehlt. Das SG verkenne, dass die §§ 109 Abs 5 Satz 2 und 325 SGB V erst zum 01.01.2019 in Kraft getreten seien, mithin zum Zeitpunkt der Aufrechnung am 04.12.2018 noch nicht wirksam gewesen seien. Es erschließe sich nicht, warum die Normen gleichwohl auf eine nach § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschene Forderung angewendet werden sollten und wie diese rückwirkende Anwendung rechtsdogmatisch zu begründen sei. § 325 SGB V sei als reine Übergangs- und Begleitregelung konzipiert und betreffe die Durchsetzung eines Anspruchs in einem bestimmten Zeitraum (09.11. bis 31.12.2018). Darüber hinaus beziehe sie sich nur auf die Einleitung gerichtlicher Verfahren und enthalte keine Aussage zur Möglichkeit einer Aufrechnung. Vor dem 01.01.2017 entstandene Rückforderungsansprüche sollten nach dem 09.11.2018 nicht mehr vor Gericht anhängig gemacht werden können. Die Möglichkeit der aktiven Durchsetzung der Ansprüche sei den Krankenkassen damit entzogen worden, gleichwohl seien die Ansprüche noch existent und unterfielen als solche dem neuen Verjährungsregime (unter Hinweis auf Ricken, NZS 2019, 241). Auch die verfassungsrechtlichen Ausführungen des SG überzeugten nicht. Zwar seien Krankenkassen tatsächlich nicht grundrechtsfähig, jedoch müssten sich rückwirkende Regelungen an den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen insbesondere von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit messen lassen. Maßstab sei an vorderster Stelle das in Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG) verortete Rechtsstaatsprinzip. § 325 SGB V betreffe Altforderungen der Krankenkassen, die bereits abgeschlossenen Sachverhalten zuzuordnen seien, und enthalte damit die Regelung einer echten Rückwirkung. Die Krankenkassen würden durch das Gesetz quasi enteignet. Die Krankenkassen hätten auf den Fortbestand des bisherigen Rechts vertrauen dürfen. Allein der Umstand, dass wenige Tage vor Verabschiedung des Gesetzes der Ausschlusstatbestand bekannt geworden sei, führe nicht zu fehlender Schutzwürdigkeit. Es habe gerade in der erklärten Intention des Gesetzgebers gelegen, die Krankenkassen an der Durchsetzung ihrer Ansprüche zu hindern. Zudem betreffe das Gesetz allein Erstattungsansprüche der Krankenkassen, nicht die Vergütungsansprüche der Krankenhäuser. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. Die Vorstellung des Gesetzgebers, dass sich die Krankenkassen wegen fehlender Grundrechtsfähigkeit gegen die faktische Enteignung nicht wehren könnten, sei im Hinblick auf das vorgeschobene Ziel der Norm (Wahrung des Rechtsfriedens) kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung. Damit liege auch ein Verstoß gegen das Willkürverbot (Art 3 GG) vor. Die Verjährung komme zudem wegen § 215 BGB nicht in Betracht. Danach komme es für die Wirksamkeit der Aufrechnung auf die Rechtslage zu dem Zeitpunkt an, in dem die Gegenforderung erstmals gegen die Hauptforderung aufgerechnet werden konnte. Der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung sei somit unbeachtlich.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.06.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach dem Wortlaut des § 325 SGB V sei die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung geleisteter Vergütung ausgeschlossen, soweit diese vor dem 01.01.2017 entstanden und bis 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht worden seien. Hier habe die Beklagte gegen die 2014 entstandene Forderung der Klägerin am 04.12.2018 aufgerechnet und sei daher mit der Geltendmachung ausgeschlossen. Soweit die Beklagte behaupte, § 325 SGB V treffe keine Aussage zur Möglichkeit einer Aufrechnung, könne dem nicht gefolgt werden. Der Wortlaut spreche eindeutig von der Geltendmachung von Ansprüchen und unterscheide im zweiten Halbsatz selbst hierzu die gerichtliche Geltendmachung. Dies ergebe sich ebenfalls unzweideutig aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs 19/5593 S 123 ff). Eine wirksam vorgenommene Aufrechnung würde dem Wortlaut, der Systematik, der Entstehungsgeschichte und der Teleologie unzweideutig zuwiderlaufen. Dies hätte gerade zur Folge, dass die Klagen wie vorliegend von den Krankenhäusern erhoben werden, womit eine Entlastung der Gerichte oder der erstrebte Rechtsfrieden mitnichten eintreten könnten. Der Einwand der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeuge ebenfalls nicht. Die Beklagte verkenne, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Rückwirkungsverbot nicht allein aus Art 20 Abs 3 GG ableite, sondern vielmehr aus den aus Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtsicherheit und des Vertrauensschutzes (unter Hinweis auf BVerfG 10.04.2018, 1 BvR 1236/11). Da es sich bei Art 2 Abs 1 GG um ein Grundrecht handele, die Beklagte als gesetzliche Krankenkasse jedoch nicht grundrechtsfähig sei, scheide ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot aus. Darüber hinaus könnten sich juristische Personen des öffentlichen Rechts auch nicht isoliert auf die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes berufen. Zwar habe das BVerfG das Rückwirkungsverbot mit dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung gebracht, hierbei jedoch stets den rechtsstaatlichen Schutz individueller Freiheiten und die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf betont; eine abstrakte Ableitung des Rückwirkungsverbots aus der Rechtsstaatlichkeit und dem Willkürverbot unabhängig von der Grundrechtsträgerschaft könne daher nicht angenommen werden. Schließlich seien Grundrechte entsprechend ihrem Ursprung und ihrer Natur Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe. Würden dem Staat Abwehrrechte gegen seine eigenen Maßnahmen eingeräumt, wäre dies ein Widerspruch. Dies müsse ebenso isoliert für das Rechtsstaatsprinzip gelten, welches naturgemäß die Staatsgewalt binde, um die individuelle Freiheit zu schützen. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot sei nicht ersichtlich, da die Regelung mit der Wahrung des Rechtsfriedens und der Entlastung der Gerichte ein legitimes Ziel verfolge. Der einseitige Ausschluss für Krankenkassen, Rückzahlungsansprüche von weit in der Vergangenheit liegenden Krankenhausvergütungen geltend zu machen, erscheine vor diesem Hintergrund verständlich und deute in keiner Weise auf die Zugrundelegung sachfremder Erwägungen hin.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch ansonsten statthafte Berufung (§§ 151 Abs 1, 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung der von der Klägerin geforderten Vergütung zzgl Zinsen verurteilt.

Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur Bundessozialgericht (BSG) 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert. Dies gilt gleichermaßen für den geltend gemachten Zinsanspruch. Insoweit reicht die Bezugnahme auf den Basiszinssatz (vgl Becker-Eberhard in Münchner Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 253 Rn 132).

Der mit der erhobenen Leistungsklage verfolgte Vergütungsanspruch der Klägerin aus einer späteren Krankenhausbehandlung eines anderen Versicherten der Beklagten ist unstreitig. Darauf, welchen Vergütungsanspruch die Klägerin auf Grund welcher konkreten Krankenhausbehandlung geltend macht, kommt es nach der Rechtsprechung des BSG nicht an (vgl zB BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, juris Rn 10), sodass insoweit keine nähere Prüfung durch den Senat erforderlich ist (vgl zB BSG 14.10.2014, B 1 KR 34/13 R, juris Rn 8; BSG 25.10.2016, B 1 KR 9/16 R, juris Rn 8; BSG 25.10.2016, B 1 KR 7/16 R, juris Rn 9; BSG 30.07.2019, B 1 KR 31/18 R, juris Rn 8; BSG 17.12.2019, B 1 KR 19/19 R, juris Rn 9).

Der anderweitige Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung erlosch jedoch nicht dadurch, dass die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten analog § 387 BGB die Aufrechnung erklärte (vgl BSG 23.06.2015, B 1 KR 26/14 R, juris Rn 33 mwN). Denn die Beklagte konnte am 04.12.2018 nicht mehr wirksam mit der geltend gemachten Erstattungsforderung aus dem Jahr 2014 aufrechnen. Ob ein Erstattungsanspruch in der Sache bestand, bedarf daher keiner Entscheidung durch den Senat.

Grundsätzlich unterlagen sowohl der Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegen die Krankenkasse als auch der Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegen das Krankenhaus nach gefestigter Rechtsprechung des BSG entsprechend dem in § 45 SGB I zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken einer vierjährigen Verjährung (BSG 21.04.2015, B 1 KR 11/15 R, SozR 4-2500 § 69 Nr 10 Rn 12 ff). Rückzahlungsansprüche der Krankenkasse entstehen im Augenblick der Überzahlung, also mit der vollständigen Begleichung der Schlussrechnung. Die Verjährung beginnt folglich entsprechend § 41 Abs 1 SGB I nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Krankenhausrechnung beglichen worden ist (BSG 21.04.2015, B 1 KR 7/15 R, SozR 4-7610 § 242 Nr 8 Rn 15; BSG 23.06.2015, B 1 KR 26/14 R, SozR 4-5560 § 17c Nr 3 Rn 44). Danach verjährte der Erstattungsanspruch für die im Jahr 2014 vergütete Behandlung der Versicherten mit Ablauf des 31.12.2018.

Mit der zum 01.01.2019 in Kraft getretenen Regelung gem Art 7 Nr 8a PpSG (BGBl I 2018, 2394) in § 109 Abs 5 Satz 1 SGB V wurde die Verjährungsfrist für Vergütungsansprüche der Krankenkassen und Erstattungsansprüche der Krankenhäuser auf zwei Jahre verkürzt. Dies gilt auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen, die vor dem 01.01.2019 entstanden sind, nicht aber für Ansprüche der Krankenhäuser, die vor dem 01.01.2019 entstanden sind (§ 109 Abs 5 Sätze 2 und 3 SGB V). Für den hier streitigen Erstattungsanspruch wirkte sich diese Änderung nicht aus, denn dieser war am 01.01.2019 auch nach der alten Rechtslage verjährt. Zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung galt die verkürzte Verjährungsfrist noch nicht, so dass die Änderung der Verjährungsvorschriften allein einer wirksamen Aufrechnung nicht entgegenstand. Dies entspricht auch der allgemeinen Regelung in § 215 BGB, wonach die Verjährung die Aufrechnung nicht ausschließt, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte.

Jedoch ergibt sich der Ausschluss der Aufrechnungsbefugnis aus dem zeitgleich zum 01.01.2019 durch Art 7 Nr 20 PpSG eingeführten § 325 SGB V, der durch Art 1 Nr 36 Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz – PDSG) vom 14.10.2020 mWv 20.10.2020 § 412 SGB V wurde. Danach ist die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen ausgeschlossen, soweit diese vor dem 01.01.2017 entstanden sind und bis zum 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht wurden. Durch diese Norm wurde mit Rückwirkung eine von Amts wegen zu beachtende "gesetzliche Ausschlussfrist" (vgl BT-Drs 19/5593 S 124) eingeführt, die über den Charakter einer bloßen Übergangsvorschrift hinausgeht. Der Wortlaut der Norm ist erfüllt. Der Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Vergütung ist vor dem 01.01.2017 (nämlich 2014) entstanden und bis 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht worden. Damit ist die Geltendmachung des Anspruchs ausgeschlossen. Zur Geltendmachung gehört jede Form der Rechtsdurchsetzung, sowohl aktiv als auch passiv und damit nicht nur die gerichtliche Klageerhebung, sondern auch die Aufrechnung. Von ihrer Konzeption her enthält die Vorschrift tatbestandliche Voraussetzungen (Anspruch vor dem 01.01.2017 entstanden und bis 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht) und eine Rechtsfolge, den Ausschluss der Geltendmachung des Anspruchs. Ausgehend von dieser Systematik gibt es keine Grundlage für ein einschränkendes Verständnis, wonach mit Geltendmachung des Anspruchs auf der Rechtsfolgenseite nur die aktive Geltendmachung durch Klageerhebung gemeint sein soll (so aber Ricken, NZS 2019, 241, 245; SG Marburg 31.07.2020, S 14 KR 154/19). Vielmehr ist jegliche Durchsetzung der Ansprüche aus der Zeit vor dem 01.01.2017 ausgeschlossen, die bis 09.11.2018 nicht eingeklagt waren (ebenso Bockholdt in Hauck/Noftz, SGB V § 325 Rn 15; Bogan in BeckOK, SGB V, § 325 Rn 5; SG Nürnberg 08.11.2019, S 21 KR 2172/18).

Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers. Die Neuregelung der Verjährung in § 109 Abs 5 SGB V und die flankierende Regelung des § 325 SGB V aF/§ 412 SGB V nF sind insoweit gemeinsam zu betrachten. Das PpSG soll der Entlastung der Sozialgerichte und der Durchsetzung des Rechtsfriedens dienen. Nach der Gesetzesbegründung soll die neue spezifische Verjährungsfrist für die Vergütungsansprüche der Krankenhäuser und für Rückforderungsansprüche der Krankenkassen die Belastungen der Krankenhäuser verringern und zu einer schnelleren Herstellung des Rechtsfriedens zwischen den Beteiligten beitragen. Die Vermeidung der durch Rückforderungsansprüche hervorgerufenen Rechtsunsicherheit trage einem Anliegen des Bundesrats Rechnung. Die Verkürzung der Verjährungsfrist führe auch zu einer Angleichung der für Krankenhäuser und Krankenkassen geltenden Rechtslage. Auch vor Ablauf der Verjährungsfrist seien nachträgliche Rechnungskorrekturen der Krankenhäuser nach der Rechtsprechung nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn sie nach Ablauf eines vollständigen Kalenderjahres nach Erteilung der ersten Schlussrechnung erfolgen, dh nach Ende des auf die erste Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres. Gegenwärtig könnten die Krankenkassen daher vier Jahre lang Erstattungsansprüche geltend machen. Nachträgliche Rechnungskorrekturen der Krankenhäuser seien aber bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt ausgeschlossen. Die Verkürzung der Verjährungsfrist sei den Beteiligten auch zumutbar, da Krankenhäuser und Krankenkassen als versierte Teilnehmer am Wirtschaftsleben über eine ständige professionelle Zusammenarbeit aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens verbunden und daher für die Geltendmachung ihrer wechselseitigen Ansprüche nicht auf eine vierjährige Verjährungsfrist angewiesen seien. Aufgrund der Regelung in Satz 2 gelte die verkürzte Verjährungsfrist auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von zu Unrecht geleisteten Vergütungen, die vor dem 01.01.2019 entstanden seien. Andernfalls könnte das Ziel der Regelung nur unvollkommen erreicht werden. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts wäre die verkürzte Verjährungsfrist mangels anderweitiger Übergangsregelungen erst ab dem Inkrafttreten des PpSG zu berechnen. Wenn die verkürzte Verjährungsfrist erst am 01.01.2019 zu laufen begänne, könnte eine umfassende Befriedung abgeschlossener Abrechnungsfälle nicht erreicht werden, denn bereits auf im Jahr 2016 entstandene Ansprüche hätte auch die verkürzte Verjährungsfrist keine Auswirkung mehr. Diese würden sowohl nach der bisherigen vierjährigen Verjährungsfrist als auch nach der neuen zweijährigen Verjährungsfrist erst am 31.12.2020 verjähren. Vor diesem Hintergrund regele Satz 2 in Abweichung von den Grundsätzen des intertemporalen Rechts, dass die Regelung zur Dauer und zum Beginn der verkürzten Verjährungsfrist auf Rückforderungen der Krankenkassen anwendbar sei, die vor dem 01.01.2019 entstanden, nach alter Rechtslage aber noch nicht verjährt seien. Eine unzulässige Rückwirkung sei hierin nicht zu erblicken, da die Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht grundrechtsfähig seien. Hinsichtlich der Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen beschränke Satz 3 den Anwendungsbereich der verkürzten Verjährungsfrist auf solche Forderungen, die ab dem 01.01.2019 entstünden. Hierdurch werde zugunsten der Planungssicherheit der Krankenhäuser vermieden, dass bereits entstandene Forderungen der Krankenhäuser früher als bislang verjährten, und gewährleistet, dass die Krankenhäuser ihr Forderungsmanagement auf die zweijährige Verjährungsfrist einstellen könnten (vgl BT-Drs 19/5593, S 115 f). § 325 SGB V enthalte eine gesetzliche Ausschlussfrist für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung geleisteter Vergütungen, die vor dem 01.01.2017 entstanden seien, die aber bis zum Tag der zweiten und dritten Lesung des PpSG nicht gerichtlich geltend gemacht worden seien. Die Regelung ziele auf die Entlastung der Sozialgerichte und die Durchsetzung des Rechtsfriedens, der mit der rückwirkenden Einführung der verkürzten Verjährungsfrist beabsichtigt sei. Verhindert werden solle, dass die Krankenkassen zum Ende des Jahres 2018 zahlreiche gerichtliche Verfahren einleiteten, um die Verjährung vermeintlicher Rückzahlungsansprüche aus vormals abgeschlossenen Abrechnungsvorgängen zu hemmen. Vor diesem Hintergrund werde die Durchsetzung entsprechender Rückzahlungsansprüche der Krankenkassen, die eine solche Vorgehensweise bereits angekündigt hätten, ausgeschlossen. Rückzahlungsansprüche, die nach dem 01.01.2017 entstanden seien, könnten nach der Einführung der zweijährigen Verjährungsfrist noch bis zum Ende des Jahres 2019 geltend gemacht werden (vgl BT-Drs 19/5593, S 124). Gerade das Ziel der Entlastung der Sozialgerichte – angesichts der Klagewelle Ende 2018 allerdings ohnehin verfehlt (vgl Roller, DRiZ 2018, 406) – spricht für ein wortlautgetreues Verständnis der Norm, denn ließe man die Aufrechnung weiter zu, führte das lediglich zu einem Rollentausch (das Krankenhaus muss den Vergütungsanspruch einklagen, gegen den aufgerechnet wurde), nicht aber zu einer Verringerung der Anzahl der Verfahren.

Der Ausschlusswirkung des § 325 SGB V aF/§ 412 SGB V nF auf die am 04.12.2018 vorgenommene Aufrechnung steht auch nicht entgegen, dass diese Vorschrift erst am 01.01.2019 in Kraft getreten ist und damit zum Zeitpunkt der Aufrechnung noch nicht galt (ebenso Bockholdt, aaO; SG Nürnberg, aaO). Zwar erlöschen sich gegenüberstehende Forderungen durch die Aufrechnung nach § 389 BGB mit Rückwirkung vom Zeitpunkt des Eintritts der Aufrechnungslage. Auch diese Wirkung kann jedoch rückwirkend beseitigt werden. Dies kommt beispielsweise in Betracht bei auflösend bedingter Haupt- oder Gegenforderung – die zunächst wirksame Aufrechnung wird mit Eintritt der Bedingung gegenstandslos (Bundesgerichtshof (BGH) 22.09.2010, VIII ZR 285/09, NJW 2001, 143). Ebenso entfällt die Erlöschenswirkung, wenn durch Anfechtung eine der Forderungen rückwirkend eliminiert wird (vgl Gursky in Staudinger, BGB, § 389 Rn 10). In gleicher Weise ist im vorliegenden Fall durch die rückwirkend geltende Gesetzesänderung die Aufrechenbarkeit mit Rückwirkung entfallen. Eine Forderung, die nicht mehr geltend gemacht werden kann, ist nicht vollwirksam, durchsetzbar und erzwingbar iSv §§ 387 ff BGB. Insoweit verbietet § 325 SGB V aF/§ 412 nF als speziellere Regelung den Rückgriff auf § 215 BGB.

Schließlich ist der Senat auch nicht von der Verfassungswidrigkeit der rechtspolitisch umstrittenen Vorschrift des § 325 SGB V aF/§ 412 nF überzeugt (vgl auch Huster/Ströttchen, SGb 2019, 527 ff; Bockholdt aaO Rn 8; zweifelnd Estelmann, NZS 2018, 961, 965 Fn 41: "auf den Fransen des Verfassungsteppichs"; aA Kingreen, SGb 2019, 449; Ricken, NZS 2019, 241; Wahl in juris-PK-SGB V, § 109 Rn 197.2). In der Gesetzesbegründung (BT-Drs 19/5593, S 124) wird die Regelung des § 325 SGB V statt als Übergangsregelung zutreffender als Ausschlussfrist bezeichnet. Krankenkassen müssen durch § 325 SGB V für Erstattungsansprüche, die vor dem 01.01.2017 entstanden sind, zusätzlich zu der Verkürzung der Verjährungsfrist des § 109 Abs 5 SGB V die Einhaltung einer Ausschlussfrist beachten. Mit dem dargelegten Regelungsgehalt verstößt § 325 SGB V aF/§ 412 SGB V nF weder abstrakt noch konkret gegen höherrangiges Recht. Durch diese Regelung werden die Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechtes mit Selbstverwaltung belastet, indem ihnen bestehende Ansprüche auf Rückzahlung von Krankenhausvergütungen genommen werden. Ein Verstoß gegen Grundrechte kommt nicht in Betracht, denn Krankenkassen sind als Träger mittelbarer Staatsverwaltung unter Beachtung der Rechtsprechung des BVerfG nicht grundrechtsfähig (vgl BVerfG 31.01.2008, 1 BvR 2156/02; BVerfG 09.06.2004, 2 BvR 1248/03 mwN; BVerfG 07.06.1991, 1 BvR 1707/88; BVerfG 09.04.1975, 2 BvR 879/73, BVerfGE 39, 302; DOK 1975, 901 Anm Krauskopf; SGb 1976, 56 Anm Schroeter).

Auch wenn § 325 SGB V aF/§ 412 SGB V nF in Bezug auf vor dem 01.01.2017 entstandene Ansprüche Rückwirkung zukommt, so können sich die Krankenkassen auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot indes nicht berufen. Der Senat geht davon aus, dass der gesetzlichen Regelung der Verkürzung der Verjährungsfrist (für die Krankenkassen rückwirkend) kombiniert mit einer Ausschlussfrist im Sinne der Terminologie des BVerfG echte Rückwirkung zukommt, die grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar ist, und nicht lediglich eine unechte Rückwirkung vorliegt, die grundsätzlich zulässig ist (s hierzu BVerfG 17.12.2013, 1 BvL 5/08, juris Rn 40 mwN). Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte eingreift, eine unechte Rückwirkung dann, wenn eine Rechtsnorm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl BVerfG 10.10.2012, 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, 318 mwN; BSG 19.02.2014, B 6 KA 10/13 R, SozR 4-2500 § 85 Nr 79 Rn 44). Bei dieser Abgrenzung ist auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe (Verkündung) der Norm abzustellen (vgl BVerfG 10.10.2012, aaO; BSG 02.11.2005, B 6 KA 63/04 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 11, Rn 46), frühestens auf den Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses, denn bis zu diesem Zeitpunkt ist das Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage jedenfalls noch geschützt (vgl Kingreen, SGb 2019, 449, 453). Verkündet wurde das PpSG am 11.12.2018, die Beschlussfassung im Bundestag erfolgte am 09.11.2018. Für den hier maßgeblichen Sachverhalt – ein vor dem 01.01.2017 entstandener Anspruch der Krankenkasse auf Rückzahlung von Krankenhausvergütung, der bis 09.11.2018 noch nicht geltend gemacht war – kommt § 325 SGB V aF/§ 412 SGB V nF echte Rückwirkung zu. Die Vorschrift schließt die Geltendmachung des noch nicht verjährten Erstattungsanspruches im verbleibenden Zeitraum bis zum Jahresende aus und vernichtet damit rückwirkend Ansprüche (ebenso Kingreen, SGb 2019, 449, 453 ff).

Gleichwohl kann sich die Beklagte nicht mit der Argumentation auf das Rückwirkungsverbot berufen, dass dieses nicht allein aus Grundrechten, sondern auch dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet wird. Die Annahme, dass aus der Geltung des Rechtsstaatsprinzips grundsätzlich für "jedermann" (vgl zB 07.07.1992, 2 BvR 1631/90 ua, BVerfGE 87, 48, 63, mwN: "Die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, die für jedermann gelten ...") zugleich folge, dass sich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts hierauf berufen können, geht fehl. In Bezug auf die Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden hat das BVerfG ausdrücklich klargestellt, dass unter dem gemäß Art 93 Abs 1 Nr 4a GG, § 90 Abs 1 BVerfGG zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde berechtigten "jedermann" nur derjenige zu verstehen ist, der Träger von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten - also grundrechtsfähig - ist (BVerfG 21.12.2009, 1 BvR 2738/08, BVerfGK 16, 449, 454 f = juris Rn 17; BSG 22.10.2014, B 6 KA 3/14 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 48). Das BVerfG leitet das Rückwirkungsverbot nicht allein aus Art 20 Abs 3 GG ab, sondern konkret aus "den aus Art 2 Abs 1 in Verbindung mit Art 20 Abs 3 GG herzuleitenden" rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (vgl BVerfG 10.04.2018, 1 BvR 1236/11, BStBl II 2018, 303, Rn 132; BVerfG 02.11.2015, 1 BvR 1530/15; BVerfG 05.03.2013, 1 BvR 2457/08, BVerfGE 133, 143). Der Gedanke des Vertrauensschutzes macht insoweit den Kern des Rückwirkungsverbots aus (BVerfG 17.12.2013, 1 BvL 5/08 R, BVerfGE 135, 1, 20 f: "Die Verfassungsmäßigkeit eines rückwirkenden Gesetzes ist nur dann fraglich, wenn es sich um ein den Bürger belastendes Gesetz handelt"). Diese Ableitung des grundsätzlichen Verbots rückwirkender belastender Gesetze durch das BVerfG ua aus Art 2 Abs 1 GG, dh aus einem materiellen Grundrecht, schließt einen verfassungsrechtlich beachtlichen Verstoß von § 325 SGB V aF/§ 412 SGB V nF als lediglich die nicht grundrechtsfähige Beklagte benachteiligende Norm aus (BSG 22.10.2014, B 6 KA 3/14 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 48, Rn 30 ff). Abgesehen davon stellt sich die rückwirkende Beschneidung der Forderungen der gesetzlichen Krankenkassen aus Sicht der (je nach Trägerschaft) grundrechtsberechtigten Krankenhäuser als begünstigende Rückwirkung dar, die als solche grundsätzlich nicht als problematisch angesehen und der auch kein objektivrechtliches Gebot der Rechtssicherheit im Rahmen einer Abwägung gegenübergestellt wird (vgl Huster/Ströttchen, SGb 2019, 527, 530 mwN). Ob ein aus dem Rechtsstaatsgebot folgendes objektivrechtliches Gebot der Rechtssicherheit und –kontinuität anerkannt werden kann, ist zumindest problematisch. Es würde zu einer Beschränkung demokratischer Gestaltungsmöglichkeiten führen (vgl Lepsius, Jura 2018, 695). Auch wenn die gesetzlichen Krankenkassen Körperschaften mit dem Recht zur Selbstverwaltung sind, können sie sich auf Schutzwirkungen eines angenommenen objektivrechtlichen Rückwirkungsverbots nicht berufen. Zum einen ist ihnen anders als Hochschulen oder Rundfunkanstalten kein grundrechtlich geschützter Eigenbereich zugewiesen, zum anderen ist ihr Selbstverwaltungsrecht nicht verfassungsrechtlich garantiert (vgl Huster/Ströttchen, SGb 2019, 527, 529). Ein schutzwürdiges Bedürfnis der Krankenkassen nach Rechtssicherheit kann daher nur in den engen Grenzen des aus Art 3 Abs 1 GG abgeleiteten Willkürverbots bestehen, das als Prinzip einer rechtsstaatlichen Ordnung auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts zu beachten ist, ungeachtet dessen, dass diese nicht Träger des Grundrechts aus Art 3 Abs 1 GG sind (vgl BVerfG 01.07.1987, 1 BvL 21/82, BVerfGE 76, 130, 139; BVerfG 14.04.1987, 1 BvR 775/84, BVerfGE 75, 192, 200 f; BVerfG 19.06.1973, 1 BvL 39/69 ua, BVerfGE 35, 263, 271 f; BVerfG 02.05.1967, 1 BvR 578/63, BVerfGE 21, 362, 372: vgl auch Huster/Ströttchen, SGb 2019, 527, 531: " ... kann sich.lediglich auf einen Residualbestand rechtsstaatlicher Prinzipien beziehen, der erforderlich ist, um die Funktionsfähigkeit und die koordinierte Aufgabenwahrnehmung eines Trägers der öffentlichen Gewalt sicherzustellen"). Ein Verstoß gegen das Willkürverbot liegt indes nur vor, wenn die staatliche Entscheidung von sachfremden Erwägungen geleitet ist (vgl BVerfG 16.12.2014, 2 BvE 2/14, BVerfGE 138, 102, 116; BVerfG 25.01.2005, 2 BvR 656/99, BVerfGE 112, 185, 215 f; BVerfG 17.12.2001, 2 BvE 2/00, BVerfGE 104, 310, 325). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Nach der Gesetzesbegründung dienen die umstrittenen Regelungen der schnelleren Herstellung von Rechtsfrieden bei Abrechnungsstreitigkeiten. Die zweijährige Verjährungsfrist soll verhindern, dass – sich ggf auch ändernde – höchstrichterliche Rechtsprechung zu abrechnungsrelevanten Vorschriften und Fragestellungen zur Wiederaufnahme bereits abgeschlossener Abrechnungsverfahren führt. Insoweit sind die vom Gesetzgeber getroffenen Maßnahmen jedenfalls nicht unvertretbar (vgl auch ausführlich Huster/Ströttchen, SGb 2019, 527, 532 f).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm §§ 161 Ab. 1, 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören und die Beklagte die unterliegende Partei des Rechtsstreits ist.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs 1 Satz 1 GKG). Ist der Antrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs 3 GKG).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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