S 47 KR 1598/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
47
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 47 KR 1598/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.115,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.11.2013 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist die Vergütung einer intensivmedizinischen Komplexbehandlung.

Der am 00.00.1955 geborene und bei der Klägerin krankenversicherte S1 S2 (im Folgenden: Versicherter) wurde vom 30.11.2009 bis 21.12.2009 in dem von der Beklagten betriebenen und nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) zugelassenen Krankenhaus wegen der Hauptdiagnose Diabetes mellitus (Typ 2) mit multiplen Komplikationen mit diabetischem Fußsyndrom, als entgleist bezeichnet (E 11.75) unter anderem auf der Intensivstation stationär behandelt. Für die Behandlung stellte die Beklagte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 28.611,33 EUR unter Zugrundelegung der DRG A36Z (Intensivmedizinische Komplexbehandlung 552 Aufwandspunkte bei bestimmten Krankheiten und Störungen) sowie des OPS 8-980.20 (553 bis 828 Aufwandspunkte) in Rechnung (Rechnung vom 07.01.2010). Diese Rechnung glich die Beklagte zunächst aus.

Im Zusammenhang mit einem anderen Abrechnungsfall begutachtete der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) das Haus der Beklagten am 11.12.2009 mit dem Ergebnis, die strukturellen Merkmale des OPS 8-980 seien formal nicht erfüllt, da eine kontinuierliche ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation nicht gewährleistet sei. Die Intensivstation sei bis zum Eintreffen des Hintergrunddienstes bzw. bis zur Rückkehr des auf der Intensivstation diensthabenden Anästhesisten, der seine Patienten kenne, nicht besetzt, wenn dieser bei Reanimationen auf anderen Stationen, bei Notfall-Operationen oder bei der Versorgung von Notfallpatienten in der Notaufnahme eingesetzt werde.

Hieran anknüpfend erfolgte im April 2010 eine erneute Überprüfung durch den MDK im Zusammenhang mit einem weiteren Behandlungsfall. In diesem Zusammenhang führte die Beklagte zur Organisationsstrukur aus, Reanimationen auf anderen Stationen würden im Nacht- und Wochenenddienst durch den diensthabenden Chirurgen und Internisten erfolgen. Nur wenn die Anwesenheit eines Anästhesisten erforderlich sei, werde dieser auf der Intensivstation vom Internisten abgelöst. Hierzu würden täglich gemeinsame interdisziplinäre Intensivvisiten und gemeinsame Übergabevisiten erfolgen. Die diensttuenden Bereitschaftsdienste seien vollumfänglich über die aktuellen Krankenheitsbilder der Intensivpatienten informiert. Auch bei Notoperationen werde der Hintergrunddienst informiert und bis zum Eintreffen der Anästhesist der Intensivstation vom Internisten abgelöst. Notfallpatienten der Ambulanz würden im Schockraum der Intensivstation weiterversorgt. Hierzu führte der MDK in seiner Stellungnahme vom 13.04.2010 aus, dass auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beklagten die strukturellen Voraussetzungen des streitigen OPS nicht erfüllt seien. Es sei nicht ausreichend, wenn ein diensthabender Arzt, insbesondere der Internist, den Anästhesisten ablöse, selbst wenn eine gemeinsame Visite erfolge. Da der Internist mit der Versorgung anderer Bereiche, nicht aber unmittelbar vorher mit der Versorgung der Patienten der Intensivstation befasst gewesen sei, könne er die akuten Probleme nicht kennen. Eine interdisziplinäre Visite oder Übergabevisite reiche für die Gewährleistung einer kontinuierlichen Patientenversorgung durch einen Arzt nicht aus. Ein in diesem Zusammenhang geführtes staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren wegen Abrechnungsbetrugs wurde eingestellt.

Mit Schreiben vom 04.11.2013 forderte die Klägerin die Beklagte zur Erstattung des auf der Abrechnung des OPS 8-890.20 beruhenden Betrags in Höhe von 17.197,24 EUR auf. Eine Zahlung hierauf erfolgte durch die Beklagte nicht.

Mit der am 18.11.2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 02.07.2018 hat sie nach Rechnungskorrektur durch die Beklagte ihre Klage in Höhe eines Betrags von 81,64 EUR nicht aufrecht erhalten. Im Übrigen trägt sie unter Hinweis auf die Stellungnahmen des MDK zur Begründung vor, die strukturellen Voraussetzungen des OPS 8-980 – maßgeblich sei die OPS-Version 2009 – seien unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.07.2013, Az.: B 3 KR 25/12 R, nicht erfüllt. Hiervon scheine zwischenzeitlich auch die Beklagte auszugehen, soweit seit dem Jahr 2010 der OPS 8-980 nicht mehr abgerechnet werde. Die Beklagte könne im Übrigen die Gewährleistung einer ständigen ärztlichen Anwesenheit nicht mit dem Einsatz eines Bereitschaftsdienstes begründen. Soweit dieser 15-20 Minuten benötige, um den Anästhesisten der Intensivstation abzulösen, reiche dies nicht aus.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr 17.115,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt die Beklagte vor, entgegen der Auffassung der Klägerin seien die strukturellen Voraussetzungen des OPS 8-980 zu bejahen, da insbesondere eine ärztliche Anwesenheit gewährleistet gewesen sei. Zu berücksichtigen sei, dass das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) bereits im Jahr 2011 ausdrücklich klargestellt habe, dass der Arzt kurzfristig zu einem Notfalleinsatz innerhalb des Krankenhauses (z.B. Reanimation) hinzugezogen werden könne. Diese Klarstellung habe bei Begutachtung durch den MDK noch nicht vorgelegen. Die begutachtenden MDK-Mitarbeiterinnen hätten jedoch später klargestellt, dass es insoweit zu einem Wandel der Auslegung des streitigen OPS gekommen sei. Soweit das MDK-Gutachten vom 13.04.2010 daher einen Einsatz des Anästhesisten bei Notfällen außerhalb der Intensivstation bemängele, seien dies gerade diejenigen Fälle, welche zwischenzeitlich auch ausdrücklich vom DIMDI als unschädlich angesehen würden. Rein vorsorglich werde im Übrigen bestritten, dass der diensthabende Anästhesist während der Dauer der streitigen Behandlung tatsächlich die Intensivstation verlassen habe.

Nichts anderes folge aus dem zu einem Schwesterhaus ergangenen Urteil des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 10.11.2014, Az.: S 9 KR 1240/11. Dieses gehe unzutreffend davon aus, dass nicht in jeden Fall die geforderte Überwachung der Intensivpatienten innerhalb von 5 Minuten gewährleistet sei, soweit der Bereitschaftsdienst 15-20 Minuten bis zum Eintreffen benötige. Die insoweit vorausgesetzte Rückkehr des Arztes binnen 5 Minuten lasse sich den Hinweisen des DIMDI gerade nicht entnehmen. Vielmehr beziehe sich dies auf die generelle räumliche Präsenz dergestalt, dass der Arzt innerhalb kürzester Zeit bei den Patienten sein müsse. Auch dem in einem Parallelverfahren ergangenen Urteil des SG Düsseldorf vom 27.01.2015, Az.: S 11 KR 1238/11, sei nicht zu folgen. Diesem sei vielmehr bereits entgegen zu halten, dass dieses vom Vorhandensein einer geburtshilflichen Abteilung ausgehe. Eine solche sei jedoch bereits seit 2004 in diesem Haus nicht mehr vorhanden.

Im Übrigen sei klarzustellen, dass der Anästhesist gerade nicht bei Aufnahme jedes Notfallpatienten gerufen werde. Insoweit habe bereits der MDK in seiner Stellungnahme vom 11.12.2009 festgehalten, dass sich das Herz-Alarm-Team aus dem diensthabenden Internisten, Chirurgen, Anästhesisten und einem Anästhesiepfleger zusammensetze. Bei Auslösung eines Herzalarms werde der Hintergrunddienst nicht automatisch gerufen, da zunächst das Erfordernis einer längeren Abwesenheit geklärt werde. Sei dies erforderlich, werde der Oberarzt gerufen, dies komme jedoch selten vor. Die Notaufnahme werde von Internist und Chirurg betreut, der Anästhesist nur im Notfall hinzugerufen, so insbesondere bei der Notwendigkeit einer Beatmung. Diese Patienten würden jedoch in der Regel umgehend wegen der besseren Versorgungsmöglichkeiten auf die Intensivstation verbracht. Übrig blieben insoweit Notfälle, welche nicht auf die Intensivstation verlegt werden könnten.
Hierbei handele sich um Traumapatienten, welche sofort operiert werden müssten. Da diese jedoch regelmäßig mit Notarzt eingeliefert und angekündigt würden, werde der Hintergrunddienst entsprechend vorab informiert und treffe häufig zeitgleich, zumindest aber kurzfristig später ein.

Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen sei die Klägerin jedenfalls mit ihren Einwendungen gegen die Abrechnung ausgeschlossen, da sie die MDK-Prüfung nicht rechtzeitig nach § 275 SGB V eingeleitet habe. Jedenfalls aber habe sie ihren Erstattungsanspruch verwirkt, da sie den Einwand der unrichtigen Rechnungsstellung nicht zeitnah erhoben habe.

In der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2017 ist die Beklagte aufgefordert worden, Dienstpläne der Intensivstation einzureichen sowie im Einzelnen das Versorgungskonzept sowie die Organisation der Intensivstation darzulegen. Hierauf hat die Beklagte die Dienstpläne des Jahres 2009 vorgelegt und im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2018 zum Parallelverfahren S 47 KR 1599/13 ergänzend vorgetragen, es sei zutreffend, dass der diensthabende Arzt der Intensivstation während der Nachtschicht und am Wochenende der einzige planmäßig im Krankenhaus anwesende Anästhesist gewesen sei und im Übrigen ein Bereitschaftsdienst bestanden habe. Im Übrigen sei der Anästhesist nur sehr selten zu Notfalleinsätzen außerhalb der Intensivstation gerufen worden. Dies folge bereits daraus, dass eine geburtshilfliche Abteilung nicht vorhanden gewesen sei. Im Übrigen habe sich der einzige Schockraum des Krankenhauses auf der Intensivstation befunden mit der Folge, dass ein Verlassen der Intensivstation bei Notwendigkeit der Behandlung eines Patienten im Schockraum nicht erforderlich gewesen sei. Zwar sei der Anästhesist auch kurzfristig zu anderweitigen Notfalleinsätzen, etwa bei Einlieferung eines schwererkrankten bzw. verunfallten Patienten per RTW, gerufen worden. Da dies jedoch regelmäßig mit Ankündigung bzw. Vorlauf erfolgt sei, sei in diesen Fällen regelmäßig eine rechtzeitige Alarmierung des Bereitschaftsdienstes möglich gewesen mit der Folge, dass dieser häufig bereits mit dem RTW ggf. wenige Minuten später im Krankenhaus eingetroffen sei. In diesen kurzen Zeiten der Abwesenheiten sei der Anästhesist durch den diensthabenden Internisten auf der Intensivstation vertreten worden. Zwar könne nicht näher angegeben werden, wie schnell der Internist die Intensivstation habe aufsuchen können. Da dieser jedoch im Hause anwesend gewesen sei, habe es sich jedoch nur um wenige Minuten handeln können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die als Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage ist zulässig. Die Klage einer Krankenkasse gegen den Träger eines Krankenhauses auf Rückzahlung der bereits gezahlten Vergütung für die Behandlung eines Versicherten ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen ist und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 10.04.2008, Az.: B 3 KR 19/05 R, Juris).

Die Klage ist im Übrigen begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung eines Betrages in Höhe von 17.115,60 EUR. Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Der im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung seit langem anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung herzuleiten. Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen zwar, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs. Er schließt jedoch im Rahmen seines Anwendungsbereichs den Rückgriff auf zivilrechtliche Normen, insbesondere die bereicherungsrechtlichen Vorschriften der §§ 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aus. Als solcher setzt er voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSG, Urteil vom 08.11.2011, Az.: B 1 KR 8/11 R, Juris, Rn. 11 m.w.N.). Dies zugrunde gelegt liegen die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs vor, da die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus insbesondere öffentlich-rechtlicher Natur sind (BSG, Urteil vom 08.11.2011, a.a.O.) und im Übrigen die Klägerin der Beklagten auch die streitbefangene Vergütung in Höhe eines Betrages von 17.115.60 EUR mangels eines korrespondierenden Vergütungsanspruchs ohne Rechtsgrund gezahlt hat.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs des Krankenhausträgers aus Behandlung eines Versicherten ist § 109 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit dem aus § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch des Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich ist (BSG, Urteil vom 08.11.2011, a.a.O., Rn. 13 m.w.N.; Urteil vom 23.07.2002, Az.: B 3 KR 64/01 R, Sozialgerichtsbarkeit.de). Die Höhe der Vergütung für die Behandlung Versicherter im Jahr 2009 bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Beklagten nach § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V in Verbindung mit § 7 S. 1 Nr. 1 und § 9 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) sowie der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2009 (FPV 2009) nebst Anlage 1 Teil a) Fallpauschalen-Katalog der G-DRG-Version 2009. Dies zugrunde gelegt ist ein Vergütungsanspruch der Beklagten in Höhe von 17.115,60 EUR abzulehnen, da die Voraussetzungen des diesem Abrechnungsbetrag zugrundeliegenden OPS 8-980 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur)) nicht vorliegen.

Mit dem OPS 8-980 vergütet wird die Intensivüberwachung ohne akute Behandlung lebenswichtiger Organsysteme oder kurzfristige ((24 Stunden) Intensivbehandlung. Ausgenommen ist weiter die kurzfristige (( 24 Stunden) Stabilisierung von Patienten nach operativen Eingriffen. Unter den "Hinweisen" des DIMDI finden sich die Mindestmerkmale zur Kodierung dieser Prozedur. Danach müssen unter anderem folgende Mindestmerkmale kumulativ vorliegen:

• Kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und akute Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen
• Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein

Diese Mindestmerkmale liegen nicht vor, da es bereits an einer ständigen ärztlichen Anwesenheit auf der Intensivstation fehlt. Nach den Auslegungsgrundsätzen des DIMDI ist von einer ständigen ärztlichen Anwesenheit auf der Intensivstation auszugehen, wenn der Arzt innerhalb kürzester Zeit (etwa 5 Minuten) direkt handlungsfähig am Patienten ist. So sei es zwar durchaus denkbar, dass er sich während des Dienstes auf der Station in einem Nebenraum kurz ausruhe, genauso, wie er in einem anderen Bereich der Intensivstation beschäftigt sein könne. Damit gemeint sei allerdings nicht, dass er neben dem Dienst auf der Intensivstation gleichzeitig an anderer Stelle des Krankenhauses weitere Aufgaben erfüllen müsse.

Unter Einbeziehung dieser Auslegungsgrundsätze setzt die Kodierung des OPS 8.890 daher voraus, dass eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation "gewährleistet", also allgemein sichergestellt ist. Dies ist abzulehnen, wenn ein Arzt auf der Intensivstation nicht durchgehend, sondern nur im Notfall bzw. nach Bedarf anwesend ist, oder dieser neben seinen Aufgaben auf der Intensivstation nach der Dienststruktur auch weitere, auf anderen Stationen anfallende ärztliche Aufgaben zu übernehmen hat, da er während eines solchen Einsatzes auf der Intensivstation planmäßig nicht anwesend ist (BSG, Urteil vom 18.07.2013, B 3 KR 25/12 R, Juris, Rn. 18). Dies ist insbesondere der Fall, wenn der für die Betreuung der Intensivstation zuständige Arzt zugleich auch für die Betreuung einer weiteren Station, ggf. im Rahmen eines einheitlichen Bereitschaftsdienstes, zuständig ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.07.2013, a.a.O., Rn. 18). Eine planmäßige Erfüllung weiterer Aufgaben kann jedoch auch bereits dann vorliegen, wenn der Arzt der Intensivstation nicht nur in außerplanmäßigen Notfällen, sondern nach der Organisationsstruktur des Krankenhauses planmäßig zu notfallartigen Behandlungen außerhalb der Intensivstation hinzugezogen wird und damit eine personelle Minderbesetzung in den Nacht- und Wochenenddiensten ausgeglichen werden soll (LSG NRW, Urteil vom 18.12.2016, Az.: L 5 KR 11/15, Sozialgerichtsbarkeit.de). Unerheblich ist, ob die planmäßige Wahrnehmung dieser Aufgaben von vornherein zeitlich beschränkt ist, so etwa bis zum Eintreffen des Hintergrunddienstes, wenn nach der Organisationsstruktur nicht in jedem Einzelfall gewährleistet ist, dass innerhalb der vom DIMDI vorgegebenen fünf Minuten eine Anwesenheit auf der Intensivstation wieder sichergestellt ist (LSG NRW, Urteil vom 18.12.2016, a.a.O.). Die "Gewährleistung" der ständigen Anwesenheit eines Arztes auf der Intensivstation ist dabei nicht im Einzelfall zu beurteilen, sondern im Sinne einer Planungs- und Strukturkomponente festzustellen mit der Folge, dass diese nur bei einer die Anwesenheit unter allen - vorhersehbaren - Umständen sicherstellenden, speziell auf die Intensivstation bezogenen (Bereitschafts-) Dienstplanung des Krankenhauses gegeben ist (BSG, Urteil vom 18.07.2013, a.a.O., Rn. 18).

Dies zugrunde gelegt ist eine ständige ärztliche Anwesenheit eines Arztes auf der Intensivstation im Krankenhaus der Beklagten nicht gewährleistet. Aus dem Vortrag der Beklagten, der mit den vorgelegten Dienstplänen übereinstimmt, geht hervor, dass die Intensivstation in den Nachtschichten sowie am Wochenende ausschließlich durch einen Anästhesisten betreut wird. Dieser Arzt ist zugleich der einzig diensthabende Anästhesist im Haus. Zwar ist ein Bereitschaftsdienst eingerichtet, welcher bei Bedarf eines Anästhesisten alarmiert wird und eine kurzfristige Anwesenheit im Krankenhaus sicherstellen muss. Bis zum Eintreffen des Hintergrunddienstes und damit für einen Zeitraum von bis zu 20 Minuten ist jedoch der Anästhesist planmäßig zur Überbrückung der Vakanz eingeteilt mit der Folge, dass eine Anwesenheit und Handlungsbereitschaft auf der Intensivstation in diesen Zeiten gerade nicht gewährleistet ist.

Dem steht nicht entgegen, dass der Einsatz des auf der Intensivstation diensthabenden Anästhesisten nach dem Vortrag der Beklagten auf notfallartige Behandlungen, wie Reanimationen, Not-Operationen oder Notfallbehandlungen im Schockraum, beschränkt ist. Der Eintritt solcher Behandlungsfälle, welche eine Anwesenheit bzw. Intervention eines Anästhesisten bedürfen, ist in einem Krankenhaus üblich und im Rahmen der Organisationshoheit in personeller Hinsicht planbar. Hiervon zu unterscheiden ist die Hinzuziehung des diensthabenden Anästhesisten in außerplanmäßigen Notfällen, so etwa bei Großschadensereignissen mit einer erhöhten Zahl von Verletzten oder dem zeitgleichen Eintritt mehrerer Notfallsituationen im Krankenhaus, welche außerplanmäßig einen kurzfristigen Einsatz einer erhöhten Zahl von Ärzten erfordern können. Der Einsatz des Arztes der Intensivstation ist jedoch gerade nicht auf den Eintritt solcher außerplanmäßigen Notfälle beschränkt. Vielmehr ist dieser während der Nacht- und Wochenendschichten planmäßig für alle notfallartigen Situationen im Krankenhaus, welche des Einsatzes eines Anästhesisten bedürfen, eingesetzt und nimmt damit neben der Aufgabe der Betreuung der Intensivstation weitere Aufgaben, welche seine Anwesenheit ausschließen, wahr (vgl. SG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2015, Az.: S 11 KR 1238/11, Juris, Rn. 22). Zwar trägt die Beklagte zur Begründung vor, dass derartige Notfallsituationen nur äußerst selten vorkommen würden, da eine geburtshilfliche Abteilung nicht vorhanden und in der Regel – so etwa bei der notfallmäßigen Einlieferung eines Patienten durch den Rettungsdienst – ein entsprechender Vorlauf die rechtzeitige Anwesenheit des Bereitschaftsdienstes in vielen Fällen gewährleiste. Da die Notaufnahme im Übrigen durch einen Internisten sowie einen Chirurgen betreut werde, sei der Einsatz des auf der Intensivstation tätigen Arztes von vorneherein auf solche Fälle beschränkt, die gerade der Intervention eines Anästhesisten bedürfen würden. Soweit der Vortrag der Beklagten damit die bislang nicht im Einzelnen dargelegte Seltenheit der Einsätze des Anästhesisten außerhalb der Intensivstation in den Vordergrund stellt, so ändert dies jedoch nichts daran, dass es sich um planbare Einsätze handelt.

Nichts anderes folgt aus dem Vortrag der Beklagten, der einzige Schockraum befinde sich in den Räumen der Intensivstation mit der Folge, dass der Anästhesist für dortige Notfälle die Intensivstation nicht verlassen müsse. Allein die räumliche Verlegung eines Behandlungsraums aus dem Bereich der Notaufnahme in den Bereich der Intensivstation reicht für sich genommen jedoch nicht aus, um eine Anwesenheit eines Arztes auf der Intensivstation auch im Falle einer Notfallbehandlung im Schockraum zu begründen. Maßgeblich für die Beurteilung ist insoweit nicht die räumliche Organisation des Krankenhauses, sondern die dem diensthabenden Anästhesisten planmäßig auferlegten Aufgaben, zu denen im vorliegenden Fall damit gerade auch die Aufgaben der Notaufnahme bis zum Eintreffen des Hintergrunddienstes zählen.

Dem steht im Übrigen nicht entgegen, dass der Anästhesist auf der Intensivstation im Bedarfsfall durch den diensthabenden Internisten abgelöst wird. Insoweit konnte die Beklagte bereits keine näheren Angaben zur Nahtlosigkeit der Ablösung machen mit der Folge, dass nicht ausgeschlossen ist, dass gleichwohl eine Vakanz eintritt. Dies ist jedoch nicht ausreichend (vgl. LSG NRW, Urteil vom 08.03.2018, L 5 KR 174/15, Juris). Im Übrigen würden auch bei einer nahtloser Übergabe an den diensthabenden Internisten die Voraussetzungen einer ständigen ärztlichen Anwesenheit nicht vorliegen, da der Internist gerade nicht ausschließlich für die Betreuung der Intensivstation, sondern gerade auch für weitere Bereiche eingesetzt ist. Daran ändert die vorübergehende räumliche Anwesenheit auf der Intensivstation nichts.

Die Beklagte kann ihren Vergütungsanspruch auch nicht unter Hinweis auf die Ergänzung der Auslegungsgrundsätze durch den DIMDI im Februar 2011 stützen. Eine rückwirkende Anwendung der Kriterien auf Sachverhalte im Jahr 2009 ist bereits nicht gerechtfertigt. Grundsätzlich sind Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben; dabei gibt es grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen. Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, haben es die zuständigen Stellen durch Änderung des Fallpauschalenkatalogs, der OPS-Kodes und der Kodierrichtlinien in der Hand, für die Zukunft Abhilfe zu schaffen (BSG, Urteil vom 18.07.2013, a.a.O., Rn. 15). Diese Auslegungs- und Anwendungsprinzipien für die vereinbarten Vergütungsregelungen gelten in vergleichbarer Weise auch für die vom DIMDI erteilten "Hinweise" zur Auslegung und Anwendung einzelner OPS-Kodes (BSG, Urteil vom 18.07.2013, a.a.O., Rn. 15) mit der Folge, dass auch insoweit eine rückwirkende Anwendung grundsätzlich nicht in Betracht kommt (LSG NRW, Urteil vom 08.12.2016, a.a.O.). Im Übrigen sind auch die Voraussetzungen der im Februar 2011 erfolgten Ergänzung der Auslegungskriterien durch das DIMDI nicht erfüllt. Vielmehr ergibt sich aus den Auslegungskriterien insgesamt - auch unter Berücksichtigung der Ergänzung im Februar 2011 -, dass zwar ein Verlassen der Intensivstation für außerplanmäßige Notfalleinsätze in anderen Bereichen der Abrechnung des OPS nicht entgegensteht. Der geplante Einsatz des diensthabenden Arztes in anderen Bereichen zum Ausgleich einer personellen Minderbesetzung in den Nacht- und Wochenenddiensten ist jedoch weiterhin nicht erfasst (LSG NRW, Urteil vom 08.12.2016, a.a.O.).

Ist damit bereits das Merkmal einer ständigen Anwesenheit eines Arztes auf der Intensivstation abzulehnen, liegen im Übrigen auch die Voraussetzungen des Merkmals einer kontinuierlichen, 24-stündigen Überwachung und akuten Behandlungsbereitschaft durch ein Team von Pflegepersonal und Ärzten, die in der Intensivmedizin erfahren sind und die aktuellen Probleme ihrer Patienten kennen, nicht vor. Die Kenntnis der aktuellen Probleme der Patienten der Intensivstation muss dabei bei allen Mitgliedern des Teams einzeln und gleichzeitig vorliegen. Eine Kenntnis des Teams als Ganzem reicht insoweit nicht aus mit der Folge, dass auch der für den zu einem Notfall gerufenen Anästhesisten den Dienst auf der Intensivstation – vorübergehend – übernehmende Arzt einen entsprechende Kenntnis haben muss. Hierfür ist unter Berücksichtigung der Auslegungshinweise des DIMDI regelmäßig nicht ausreichend, dass dieser etwa durch Übergabevisiten und/oder tägliche interdisziplinäre Intensivvisiten über "die anstehenden Probleme" informiert wird und sich dann wieder dem (Nacht-)Dienst in einer anderen Abteilung des Hauses widmet. Der Arzt muss vielmehr in das Team der Intensivstation über die Beteiligung an entsprechenden Visiten hinaus eingebunden sein. Dies findet seine Begründung darin, dass sich gerade auf einer Intensivstation die Situation bzw. die Krankheitsbilder der Patienten auch kurzfristig stark ändern können, sodass eine (Übergabe-)Visite, die ggf. einige Stunden vor der Übernahme der Verantwortung erfolgt, nicht ausreicht, um mit den aktuellen Problemen aller Patienten auf der Intensivstation vertraut zu sein (LSG NRW, Urteil vom 08.03.2018, a.a.O.). Eine über die Teilnahme an Visiten hinausgehende Einbindung des den Dienst für den Anästhesisten bei Notfallsituationen übernehmenden Internisten ist von der Beklagten weder vorgetragen, noch ist eine solche aus den bereits entschiedenen Parallelverfahren ersichtlich.

Liegen die Voraussetzungen des streitigen OPS 8-980 im Ergebnis nicht vor, steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der hierauf entfallenden Vergütung, deren Berechnung nicht streitig ist, zu. Diesem Anspruch kann die Beklagte Einwendungen nicht entgegenhalten. Insbesondere ist die Geltendmachung des Anspruchs nicht nach § 275 Abs. 1c SGB V ausgeschlossen. Ob in einem Krankenhaus die ständige ärztliche Anwesenheit gewährleistet ist, ist als strukturelle Abrechnungsvoraussetzung des OPS 8.980 unabhängig vom einzelnen Behandlungsfall aufgrund der allgemeinen Organisation und Dienststruktur des Krankenhauses zu beurteilen. Da es gerade nicht um eine medizinische Sachfrage des Einzelfalls geht, liegt ein Begutachtungsanlass im Sinne des § 275 Abs 1 S 1 SGB V nicht vor (BSG, Urteil vom 18.03.2014, a.a.O., Rn. 21; LSG NRW, Urteil vom 08.12.2016, a.a.O., m.w.N.).

Im Übrigen kann die Beklagte dem Anspruch weder die Einrede der Verjährung entgegenhalten, soweit die Klage innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist erhoben worden ist, noch liegen die Voraussetzungen der geltend gemachten Verwirkung vor. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 24/11 R, Sozialgerichtsbarkeit.de, Rn. 37 m.w.N.; LSG NRW, Urteil vom 08.12.2016, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen jedoch bei der innerhalb der vierjährigen Klagefrist erhobenen Klage nicht vor. Zwar hat die Klägerin in diesem Einzelfall die Klage erst im Jahr 2013 erhoben, ein über den bloßen Zeitablauf hinausgehendes Verwirkungsverhalten ist jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Klägerin der Beklagten ab Kenntnis der Gesamtumstände im Frühjahr 2010 keinen Anlass für die Annahme gegeben, dass eine Verfolgung des Anspruchs nicht erfolgen werde. Insoweit hat sie vielmehr bereits im Jahr 2011 in weiteren Abrechnungsfällen entsprechende Klagen anhängig gemacht. Die bloße Untätigkeit bzw. spätere Klageerhebung in diesem Fall reicht insoweit zur Begründung einer Verwirkung nicht aus.

Der Anspruch auf Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit (18.11.2013) folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Höhe der Verzugszinsen richtet sich nach § 15 Abs. 1 des Vertrags über allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 SGB V, welcher auf die Rückforderung überzahlter Vergütung analoge Anwendung findet (vgl. LSG NRW, Urteil vom 11.05.2017, Az.: L 16 KR 523/14).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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