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Rollstuhl oder Reha? Wenn Krankenkassen Leistungen verweigern, hilft oft ein Widerspruch.

© Thilo Rückeis

Kritik von Patientenberatern: Wie Krankenkassen bei Widerspruch zu tricksen versuchen

Wenn Krankenkassen Leistungen verweigern, können Betroffene Widerspruch einlegen. Doch viele Versicherer versuchen, das mit fragwürdigen Methoden auszuhebeln.

Wenn sich Patienten beschweren und Expertenhilfe benötigen, geht es vornehmlich um eines: Probleme mit den Krankenkassen wegen Leistungsansprüchen. Von den mehr als 128 000 Anfragen, die von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschlands (UPD) im vergangenen Jahr bearbeitet wurden, hatte nahezu jede dritte dieses Thema.

Das ist dem aktuellen UPD-Monitor für 2018 zu entnehmen, der am Montag in Berlin präsentiert wurde. Und besonders oft gab es Ärger wegen des fragwürdigen Umgangs von Versicherern mit Widersprüchen gegen Leistungsbescheide. Offensichtlich gebe es hier „eklatante Kommunikationsprobleme“, resümierte UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede. Immer wieder würden Leistungsanträge ohne individuelle Begründung abgelehnt. Und man habe auch den Eindruck, dass einige Kassen „bewusst die Möglichkeit des Widerspruchs verschleiern“.

Keineswegs Einzelfälle

Konkret geht es um freundlich gehaltene Schreiben, in denen die Versicherten gedrängt werden, ihren Widerspruch wegen mangelnder Erfolgsaussicht zurückzunehmen. Für die Betroffenen sei es dabei „nicht erkennbar, ob sie nun tätig werden müssen oder der Widerspruch eventuell sogar schon abgelehnt wurde“, so die Patientenberater. Sie hatten die Kassen für solche „Zwischennachrichten ohne relevanten Anlass“ schon im Jahr zuvor kritisiert. Geändert hat sich an dieser rechtlich unzulässigen Praxis bislang offensichtlich aber kaum etwas.

Durch die Schreiben, bei denen es sich keineswegs um Einzelfälle handle, würden anspruchsberechtigte Patienten verunsichert, sagte Krumwiede. „Der eigentlich klar geregelte Ablauf des Verwaltungsweges wird dadurch regelrecht konterkariert.“

Ein Umstand, der auch die neue Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke, beunruhigt. Versicherte müssten sich darauf verlassen können, dass sie die ihnen zustehenden Leistungen auch erhalten, sagte sie. „Es gibt klare Vorgaben zum Ablauf von Widerspruchsverfahren und damit für eine neutrale Kommunikation mit den Versicherten.“ Daran hätten sich alle Krankenkassen zu halten. Zudem müssten sie ihrem „gesetzlichen Auftrag zur Auskunft, Aufklärung und Beratung der Versicherten uneingeschränkt nachkommen“.

Patientenbeauftrage will mehr Transparenz

Die Beauftragte will sich im kommenden Herbst mit Krankenkassenvertretern treffen, um zu erfahren, ob in dieser Sache bis dahin Konsequenzen gezogen wurden. Gleichzeitig regte sie an, die Quote der Leistungsablehnungen bei den unterschiedlichen Krankenversicherern publik zu machen. „Solche Transparenz“, sagte sie, „wäre für den erwünschten Qualitäts-Wettbewerb sicher nicht schlecht.“

Im Jahr 2017 hatte ein Gutachten des IGES-Instituts ergeben, dass die Ablehnungsquoten von Leistungsträgen je nach Kasse und auch nach Kassenart höchst unterschiedlich sind. Bei Anträgen auf Kur oder Reha-Maßnahme variierten sie etwa zwischen 8,4 Prozent bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse und 19,4 Prozent bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen und Ersatzkassen. Bei Hilfsmitteln für chronische Wunden betrug die Ablehnungsquote bei einer Kasse nicht mal vier Prozent, bei einer anderen waren es fast 55 Prozent.

Ähnliche Unterschiede gab es bei der Erfolgsquote von Widersprüchen. Allerdings zeigte sich, dass jeder zweite Widerspruch gegen einen abgelehnten Antrag Erfolg hatte. Es sei „nicht zu erklären“, warum die Ablehnungsquoten derart auseinanderklafften, sagte Schmidtkes Amtsvorvorgänger Karl-Josef Laumann damals. „Es kann nicht sein und es stört mich sehr, dass es große Unterschiede zwischen den einzelnen Kassen bei der Abweisung von Widersprüchen gibt“, meint nun auch die neue Patientenbeauftragte.

Wenn Krankenkassen Leistungsanträge ablehnen, haben Patienten im Normalfall das Recht, binnen eines Monats Widerspruch einzulegen. Wer nach drei Monaten keinen Widerspruchsbescheid erhält, kann beim Sozialgericht eine Untätigkeitsklage einreichen. Gegenüber Privatversicherern gibt es keine Fristen, für Klagen gilt nur die gesetzliche Verjährung von drei Jahren. Hilfreich ist es hier oft, sich an den Ombudsmann der PKV zu wenden.

Bei Beratungen "noch Luft nach oben"

Bei der Zahl der Patientenberatungen durch die UPD sieht die Patientenbeauftragte "noch Luft nach oben". Nach heftiger Kritik an der Vergabe der zunächst von Verbraucherzentralen, Sozialverband und gemeinnützigen Trägervereinen betriebenen Beratung an einen privaten Dienstleister vor dreieinhalb Jahren sei das Beratungsangebot zwar kontinuierlich ausgebaut worden, sagte Schmidtke. Das anvisierte Ziel sei aber noch nicht erreicht.

Tatsächlich sank die Zahl der Beratungen im vergangenen Jahr trotz besserer Erreichbarkeit um 17 Prozent. Kritik hatte es vor allem deshalb gegeben, weil der damalige Auftragnehmer Sanvartis sein Geld zuvor mit Callcentern für Krankenversicherer und Pharmaindustrie verdient hatte. Mittlerweile gehört das Unternehmen der neu gegründeten Sanvartis Careforce Holding GmbH mit Sitz in Duisburg.

Die Grünen kritisierten das Unternehmen und verlangten die Umwandlung in eine Stiftung mit unabhängiger Trägerstruktur. Durch die von Union und SPD gebilligte Übernahme der UPD im Jahr 2016 durch die Sanvartis GmbH sei die Patientenberatung "faktisch in ein Callcenter verwandelt" worden, sagte Fraktionsexpertin Maria Klein-Schmeink. Mehr als 88 Prozent der Patientenkontakte erfolgten telefonisch, nur rund fünf Prozent persönlich. Und obwohl der Patientenberatung fast doppelt so viel Geld zur Verfügung stehe wie unter der alten Trägerschaft, seien die Beratungen im Vergleich zum Vorjahr rückläufig. Eine verlässliche und vertrauenswürdige Beratung benötige "eine nicht in erster Linie kommerziell interessierte Trägerschaft".

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