Schorndorf

Behandlungsfehler: Wie Qualitätskontrolle in der Klinik funktioniert

Dr. Singer
Dr. Joachim Singer ist Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Rems-Murr-Klinikum Winnenden, seit 2021 auch Chefarzt der Endoprothetik am Schorndorfer Krankenhaus. Am Modell erläutert er einem Patienten in der Sprechstunde die unterschiedlichen endoprothetischen Versorgungsmöglichkeiten am Knie. © Benjamin Büttner

„Hüft-OP verpfuscht und sich nie entschuldigt“– Artikel wie diese ziehen nicht nur Leserbriefe nach sich, sie verunsichern Patienten so, dass Operationen abgesagt werden und Ärzten ganz generell großes Misstrauen entgegenschlägt. Und auch wenn Gelenkersatz-Operationen selten schiefgehen, in jeder Klinik könne es bei Operationen zu Komplikationen und zu medizinischen Behandlungsfehlern kommen, sagt Dr. Joachim Singer, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Rems-Murr-Klinikums Winnenden und Chefarzt der Klinik für Endoprothetik am Schorndorfer Krankenhaus. Jetzt nimmt er die Reaktionen, die auch ihm in seiner Sprechstunde entgegenschlagen, zum Anlass, das weite Feld der Gelenkersatz-Operationen und vor allem der Qualitätssicherung zu erklären.

Oberstes Ziel, sagt der Mediziner, sind für ihn perfekte Ergebnisse und maximale Patientenzufriedenheit, für Fehler anderer Kliniken mag er sich nicht rechtfertigen – und doch ist Singer eines wichtig: Da Fehler immer passieren können, sollten sich Ärzte Komplikationen und Behandlungsfehlern stellen und den Patienten auch dann noch weiter betreuen – um am Ende das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Behandlungsfehler einzugestehen, was betroffene Patienten oft schmerzlich vermissen, auch das gehört für den Mediziner dazu und ist für ihn auch noch kein juristisch wirksames Schuldeingeständnis – sondern gehört zum normalen zwischenmenschlichen Umgang.

Rems-Murr-Kliniken in Winnenden und Schorndorf: Höchste Qualitätsstufe

400 000 künstliche Gelenke werden jedes Jahr in Deutschland eingesetzt.  Damit die Implantation von künstlichen Gelenken in möglichst hoher Qualität gelingt, hat die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie schon vor mehr als zehn Jahren eine aufwendige und komplexe Zertifizierung von Endoprothetikzentren entwickelt, die in der höchsten Stufe in einer zweitägigen Überprüfung von externen Fachleuten einen Nachweis der Spezialisierung, Kompetenz, Erfahrung und Versorgungsqualität erbringen muss.

Im Fall der höchsten Qualitätsstufe – wie beim Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung im Rems-Murr-Klinikum Winnenden der Fall – sind das mindestens 100 Endoprothesen-Eingriffe pro Senior-Hauptoperateur im Jahr und 50 pro Haupt-Operateur, die nachgewiesen werden müssen. Das Zentrum an sich muss dabei mindestens 200 Endoprothesen-OPs im Jahr und 50 der aufwendigeren Wechseloperationen vorweisen können. In den Rems-Murr-Kliniken, sagt Dr. Singer, fanden in Vor-Corona-Zeiten etwa 1000 Kunstgelenk-Operationen im Jahr statt.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie Fort- und Weiterbildungen für alle Beteiligten sollen die Qualität außerdem erhöhen. Mit standardisierten Behandlungspfaden, minimalinvasiven OP-Verfahren und individuell angepassten Implantaten soll eine möglichst hohe Qualität erreicht werden. Nicht nur in Winnenden, sondern auch in Schorndorf – mit den gleichen Operateuren und der gleichen Expertise. Singer selbst war vergangene Woche zweimal in Schorndorf.

Wie oft es bei Operationen zu Knochenbrüchen und danach zu Infektionen, zu Verrenkungen der Hüfte, neurologischen Komplikationen und Thrombosen kommt – auch solche Qualitätsindikatoren sollen eine kontinuierliche Überwachung und Erfassung bieten, die fürs Jahr 2020 gezeigt hat, dass die Endoprothetik der Rems-Murr-Kliniken deutlich geringere Komplikationsraten vorweist als von der Überwachungsbehörde gefordert. Zur Qualitätssicherung gehören auch kontinuierliche Patientenbefragungen, bei denen die Klinik mit der Schulnote 1,7 abgeschnitten hat – mit einer Weiterempfehlungsrate von 88 Prozent. „Da bin ich sehr zufrieden“, sagt Singer und erläutert, dass die Qualität nicht zuletzt auch durch monatliche Besprechungen sämtlicher erfassten möglichen Komplikationen erhöht werden soll.

Gerichtlich bestellter Sachverständiger für das Landgericht München

Dr. Singer, der seit 2017 Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Rems-Murr-Klinikum Winnenden und seit 2021 Chefarzt der Endoprothetik am Schorndorfer Krankenhaus ist, und zuvor acht Jahre lang leitender Oberarzt der europaweit anerkannten Klinik für Endoprothetik der Orthopädischen Klinik Markgröningen war, ist auch gerichtlich bestellter Sachverständiger für das Landgericht und Oberlandesgericht München. In dieser Funktion erstellt er nach Sichtung von Behandlungsakten Gutachten und erläutert diese in der Hauptverhandlung, wenn es zur Klage gegen einen behandelnden Arzt im Zusammenhang mit der Implantation von Kunstgelenken kommt. „Durch jeden einzelnen Fall“, sagt Singer, „lerne ich auch für die eigenen Kliniken viel.“

Vermutet ein Patient einen ärztlichen Behandlungsfehler, kann Singer die Gutachter-Kommissionen der Bezirksärztekammern als Schlichtungsstelle empfehlen: Hier könne mit Hilfe von einem Juristen und zwei Ärzten objektiv geklärt werden, „ob eine gesundheitliche Komplikation auf einer haftungsbegründeten ärztlichen Behandlung beruht“. Ist der Patient mit der Entscheidung der Kommission nicht einverstanden, kann er immer noch den ordentlichen Rechtsweg bestreiten. Für den Patienten, findet Dr. Singer, ist es ein objektives, kostenloses Verfahren zur Begutachtung eines vorgeworfenen Behandlungsfehlers, das zur Befriedung und zu einer Entlastung der Gerichte führen soll.

Im Fall von Elke M., über deren verpfuschte Hüft-OP in dieser Zeitung berichtet wurde, hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) der Patientin in einem Gutachten bescheinigt, dass die Operation fehlerhaft war. Auch dieses Gutachten ist für gesetzlich Versicherte kostenfrei und kann als fachliche Grundlage für eine gerichtliche oder außergerichtliche Klärung dienen.

„Hüft-OP verpfuscht und sich nie entschuldigt“– Artikel wie diese ziehen nicht nur Leserbriefe nach sich, sie verunsichern Patienten so, dass Operationen abgesagt werden und Ärzten ganz generell großes Misstrauen entgegenschlägt. Und auch wenn Gelenkersatz-Operationen selten schiefgehen, in jeder Klinik könne es bei Operationen zu Komplikationen und zu medizinischen Behandlungsfehlern kommen, sagt Dr. Joachim Singer, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des