Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Verdener Landgericht Ärztin muss sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten

Am Verdener Landgericht muss sich eine Ärztin wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Sie soll einer Patientin Kalium verabreicht haben, wodurch diese einen Herzstillstand erlitt.
13.08.2019, 21:04 Uhr
Lesedauer: 3 Min
Zur Merkliste
Von Angelika Siepmann

Wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung muss sich eine 37-jährige Ärztin der Verdener Aller-Weser-Klinik seit Dienstag vor dem Verdener Landgericht verantworten. Sie soll im August 2017 einer 45-jährigen Frau, die in lebensbedrohlichem Zustand auf die Intensivstation gebracht worden war, intravenös Kalium verabreicht haben. Die Patientin hatte nach einem Herzstillstand zwar reanimiert werden können, war aber in ein Wachkoma gefallen und im November in einer Hamburger Spezialklinik verstorben.

Die Staatsanwaltschaft legt der Medizinerin zur Last, als damalige Assistenzärztin auf der Intensivstation „erheblich gegen ihre ärztliche Sorgfaltspflicht verstoßen“ zu haben. In „möglicherweise nicht einmal einer Minute“ soll sie der Patientin über den bereits angelegten zentralen Venenkatheter etwa 15 Milliliter Kalium injiziert haben und dabei von der Anordnung der Oberärztin abgewichen sein. Die Risiken der Kaliumzufuhr als „Bolus“ seien „allgemein bekannt“, die Folgen der fehlerhaften Medikamentengabe „vorsehbar“ gewesen, so Oberstaatsanwalt Marcus Röske.

Patientin aus Thedinghausen

Die Patientin aus der Gemeinde Thedinghausen war am Abend mit schlechten Blutzuckerwerten und in, wie es hieß, schlechtem Allgemeinzustand in die Klinik eingeliefert worden – nicht zum ersten Mal. Die Kaliumzufuhr führte nach den Ermittlungen zu sofortigem Herzkammerflimmern, dann zum Herzstillstand. Nach der etwa 50-minütigen Reanimation schien sie zunächst „stabilisiert“ zu sein, war aber in ein Wachkoma gefallen. Im September war sie in eine neurologische Klinik in Hamburg verlegt worden und dort am 7. November gestorben – „infolge des bei der Reanimation erlittenen Sauerstoffmangels im Gehirn“.

Die angeklagte Ärztin wollte zum Prozessauftakt vor der zweiten großen Strafkammer nichts beschönigen. Sie habe das Mittel „unglücklicherweise“ verabreicht und bedaure dies „außerordentlich und aus tiefstem Herzen“. Es tue ihr leid, diesen nicht wieder gut zu machenden Fehler begangen zu haben. „Eine richtige Erklärung, wie es dazu kam“, habe sie bis heute nicht. Es habe während ihres ersten Dienstes auf der Intensivstation sehr viel Stress gegeben, sie habe sich auch zeitweise überfordert gefühlt, „aber das hätte nicht passieren dürfen“ Kalium dürfe man „nie“ als „Bolus“ geben, das wisse sie.

Auch der Begriff „Augenblicksversagen“ fiel in ihrer ausführlichen Einlassung, die sie an der Seite ihres Verteidigers aus Hannover abgab. Auch Peter Ahrens, Chefarzt und ärztlicher Direktor des Krankenhauses, benutzte diesen Ausdruck. Er sei an dem Abend der diensthabende Anästhesist und auch für die Intensivstation zuständig gewesen, erklärte er in seiner Zeugenaussage. Er habe bei der Patientin, die sich „in kritischem Zustand“ befunden habe, auch den zentralvenösen Zugang gelegt. Zwecks Therapie habe die Assistenzärztin vorschriftsmäßig mit der Oberärztin telefoniert, alle Anordnungen detailliert notiert und auch wiederholt.

Traumatisierendes Ereignis

So hatte zuvor auch die Oberärztin selbst den Ablauf des Abends im Krankenhaus geschildert. Und ebenfalls wie vorgeschrieben, sagte Ahrens weiter, habe die Assistenzärztin zwecks Medikamentengabe, unter anderem auch Insulin, den diensthabenden Pfleger instruiert. Wieso die Angeklagte dann Kalium pur gespritzt habe, habe sie sich nicht erklären können. Ihr sei aber augenblicklich klar gewesen, „dass sie etwas gemacht hat, was in keinem Lehrbuch steht“. Es gebe kein Krankheitsbild, bei dem Kalium gespritzt werde. Die Angeklagte sei geradezu traumatisiert und „komplett am Boden zerstört“ gewesen. „Eine schreckliche Erfahrung“, so Ahrens, „niemand möchte in ihrer Haut stecken“ und keiner könne ausschließen, dass ihm so etwas einmal passiere. Die Ärztin habe „davor und danach“ keinen Fehler gemacht und arbeite sehr gewissenhaft.

Für die Hauptverhandlung sind vorerst drei Fortsetzungstermine angesetzt. Ein Sohn der Verstorbenen tritt als Nebenkläger auf, er war am Dienstag nicht anwesend. Ein Experte für Rechtsmedizin begleitet den Prozess zudem als Sachverständiger.

Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+! Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)