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Dieser Beitrag erschien durch Kooperation mit Abendzeitung
„20 bis 30 Prozent zu viel“: Münchner Klinik-Chef zeigt extremen Betten-Überschuss in Deutschland auf
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Die städtischen Krankenhäuser sind heute auf 2500 Betten ausgelegt. 2000 würden reichen, meint Geschäftsführer Axel Fischer.
Foto: Daniel von Loeper Die städtischen Krankenhäuser sind heute auf 2500 Betten ausgelegt. 2000 würden reichen, meint Geschäftsführer Axel Fischer.
Mittwoch, 11.01.2023, 20:34
Im Abendzeitung-Interview sagt der Chef der städtischen Krankenhäuser in München, Axel Fischer, dass künftig 20 Prozent der Patienten nach einer Behandlung gleich nach Hause gehen sollen. Aus diesem Grund sollen in München Hunderte Klinikbetten abgebaut werden.

Abendzeitung-Interview mit Dr. Axel Fischer (54). Seit 2014 ist er Geschäftsführer der München Klinik, die Standorte hat in der Thalkirchner Straße, Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach und Schwabing.

Abendzeitung: Herr Fischer, wenn Sie eine Knie-OP bräuchten – in welche Klinik würden Sie gehen?
AXEL FISCHER: Schwierige Frage. Ich würde es natürlich bei uns machen lassen. Aber ich habe in unseren Kliniken ja ein paar Möglichkeiten.

Können Sie nachvollziehen, dass viele für so etwas lieber in eine private Klinik gehen?
Als Patient hat man oft die medizinischen Einblicke nicht. Da würde ich vielleicht auch anders entscheiden – weil woanders die Häuser schöner sind oder das Essen besser. Aber wenn es rein um die medizinische Qualität geht, würde ich immer zu uns kommen.

Krankenhaus-Betten können nicht belegt werden, weil Personal fehlt

Zuletzt konnten in den städtischen Krankenhäusern um die 500 Betten nicht belegt werden, weil so viel Personal fehlte.
Das bewegt sich immer noch in der Größenordnung.

Der OB sagt: Die Betten nicht zu belegen, kostet so viel, dass er locker jeder Pflegekraft bis 1000 Euro mehr geben könnte. Hat er recht?
Ich seh's ähnlich, ich würde auch jeder Pflegekraft gern mehr zahlen. Denn tatsächlich sind die Fixkosten, die in einer Klinik anfallen, genauso groß, egal, ob 20 oder 40 Patienten auf der Station liegen.

Trotzdem wurde der Bonus an die Pfleger, den der OB versprochen hat, nicht gezahlt.
Um das zu erklären: Es gibt Bereiche wie die Kinderintensivstation, in denen der Mangel größer ist als in anderen. Wir dachten, wir geben den Leuten dort etwas mehr Geld, auch als Anreiz, sich weiterzubilden. Der Betriebsrat will eher Geld für alle haben. Aber wenn wir die Summe auf alle verteilen, verpufft sie. Auch tarifrechtlich ist nicht alles möglich. Wir müssen uns noch mal zusammensetzen.

200 bis 300 Pflegekräfte fehlen aktuell - und die Situation wird sich noch verschärfen

Wie viel Personal fehlt?
Für eine stabile Situation bräuchten wir 200 bis 300 Pflegekräfte. Die Situation wird sich in den nächsten Jahren verschärfen, weil die Baby-Boomer in Rente gehen. In Deutschland wird eine Lücke von 25 bis 30 Prozent der Pflegekräfte entstehen.

Zu welchen Problemen führt das? Müssen Sie Patienten wegschicken?
Wir schaffen es, die Notfälle zu behandeln, aber wir müssen in der aktuellen Infektwelle öfter Eingriffe wie die Knie-OP, die wir planen können, verschieben. Wir sind immer noch in einer Pandemie. Solange wir Isolationsmaßnahmen und eine Testpflicht haben, sind wir noch in keinem normalen Zustand.

Sind mehr Pfleger aus dem Ausland die Lösung?
Sonst schaffen wir es nicht. Aber das alleine reicht nicht. Auch wir als Arbeitgeber müssen unsere Hausaufgaben machen.

Welche?
Wir haben sieben Tage 24 Stunden auf. Doch in der Generation, die jetzt ins Berufsleben kommt, wollen viele so nicht mehr arbeiten. Da müssen wir uns fragen, wie können wir es trotzdem schaffen, rund um die Uhr da zu sein, zum Beispiel mit flexibleren Arbeitszeitmodellen, mit mehr Kinderbetreuung oder Pflege der Angehörigen.

Münchner Klinik-Chef: „Das A und O für uns ist Wohnraum“

Was wünschen Sie sich von der Stadt?
Das A und O für uns ist Wohnraum. Wir haben ein Bezugsrecht für 1.000 Wohnungen in der Stadt, aber die sind voll. Wir können jedes Jahr nur 35 bis 40 Wohnungen neu belegen. Wir bräuchten sicherlich das Dreifache. Die Wohnungen, die bis 2025 in Schwabing entstehen, sind ein erster Schritt.

2022 fuhr die München Klinik einen Verlust von 36 Millionen ein. Hinzu kommen teure Sanierungen der Kliniken, hohe Energiekosten. Wie schlecht sehen die Finanzen aus?
Wir kommen ungefähr bei dem Verlust raus. Mehr Sorgen macht mir aber, was in den nächsten Jahren passiert. Denn die Einnahmen stagnieren, weil immer mehr Fälle ambulant behandelt werden. Gleichzeitig steigen die Kosten immens. Wir planen statt mit 16 mit 42 Millionen Euro an Energiekosten.

Die München Klinik hat 141 Millionen Euro Schulden aufgenommen. Kann sie dieses Geld jemals zurückzahlen?
Wir hatten drei Jahre Corona, wir haben eine Energiekrise, den demografischen Wandel – da können wir das Geld sicher nicht in drei oder vier Jahren zurückzahlen. Aber in acht bis zehn Jahren wollen wir auf eigenen Beinen stehen.

Probleme macht vor allem das Klinikum Bogenhausen. Es soll im laufenden Betrieb saniert werden. War es nicht absehbar, dass das schwierig wird?
Absehbar, wie schwierig es werden würde, war's im Jahr 2014 nicht. Das sieht man ja erst, wenn man anfängt. Hinterher ist man natürlich immer klüger.

Es heißt, jetzt soll doch ganz neu gebaut werden. Stimmt das?
Der Anbau wird voraussichtlich 2024 fertig. Wir werden weitere Teilbereiche im Betrieb sanieren. Und andere Ideen wie Wohnraum diskutieren wir aktuell mit den Verantwortlichen.

„In ganz Deutschland gibt es sicherlich 20 bis 30 Prozent zu viele Betten"

Gibt es in München zu viele Krankenhäuser?
Man muss sich eher die Anzahl der Betten anschauen. Fakt ist: In ganz Deutschland gibt es sicherlich 20 bis 30 Prozent zu viele Betten. Andere sagen, dass wir in Deutschland 50 Prozent mehr Fälle stationär behandeln als der Rest Europas, und zum Teil ist dort die Versorgung sogar besser. Wenn wir 300, 400, 500 Krankenhäuser weniger hätten, hätten wir immer noch die gleiche Qualität. Und weil wir so viele Betten betreiben, ist auch der Bedarf nach Pflegekräften so groß.

Wie viele Betten müssten in München abgebaut werden?
Unser Zielkonzept ist heute auf knapp 2.500 Betten ausgelegt. Wir betreiben heute zwischen 2.000 und 2.300 Betten. Die Bevölkerung wird zwar älter. Aber es gibt einen immensen Druck von der Politik und der Medizin hin zu einer ambulanten Versorgung. In Zukunft werden bis zu 20 Prozent mehr Patienten nach einer Behandlung direkt nach Hause gehen. Ich glaube, dass wir in der München Klinik neben der verstärkt ambulanten Behandlung dann etwa 2.000 Betten brauchen.

Fischer: „Der Knackpunkt ist das Personal, nicht die Betten“

Braucht es dann noch fünf städtische Kliniken?

Während Corona war es doch gut, dass es in Deutschland mehr Betten gab.
Wir haben die Pandemie nicht geschafft, weil wir mehr Betten hatten, sondern weil wir früher reagiert haben und weil wir die schweren Fälle in hoch spezialisierten Zentren behandelt haben. Der Knackpunkt ist das Personal, nicht die Betten.

Braucht es dann noch fünf städtische Kliniken?
Es braucht alle städtischen Standorte, aber in einer anderen Konfiguration. Ich als Geschäftsführer würde nie vorschlagen, einen Standort zu verkaufen – und die Stadt will das meines Wissens auch nicht. Aber das beste Beispiel ist die Geburtsklinik in Neuperlach. Ich werde weiter dafür plädieren, sie an einem Standort zu konzentrieren. Denn es wird schwierig, in zehn Jahren genug Personal für zwei Standorte zu haben.

Also verstehen Sie die Petition der Hebammen, die die Geburtsklinik in Neuperlach erhalten wollen, nicht?
Ich kann jede einzelne Hebamme gut verstehen, die seit Jahren in Neuperlach gute Medizin macht und die sich nicht verändern will. Aber als Geschäftsführer würde ich die Petition nicht unterschreiben. In Harlaching machen wir heute 2.400 Geburten, in Neuperlach 1.000 bis 1.300 im Jahr. Wir wollen sogar auf 4.000 ausbauen. Bisher können in Neuperlach keine Risikoschwangerschaften gemacht werden – die werden nach Harlaching verlegt. In Harlaching ist die Kinderintensivstation gleich in der Nähe. Dass es ein Problem sein soll, acht Kilometer weiter für eine Geburt zu fahren, erschließt sich mir nicht.

Gerade wird an einem neuen Medizinkonzept gearbeitet. Viele machen sich Sorgen, dass Stellen abgebaut werden.
In der Pflege wird gar nichts abgebaut. Im Gegenteil: Da gibt es ja schon heute eine Lücke von 300 Pflegern, die wir liebend gerne sofort besetzen würden. Doch wir müssen innerhalb der Standorte verschieben und verlagern, weil das der Gesetzgeber mit der neuen Reform verlangen wird: Und weil wir mit stabilen Teams mehr Betten betreiben können. Wenn also Abteilungen zusammengelegt werden, brauche ich vielleicht nicht jede Funktion 1:1. Aber natürlich wird niemand gekündigt, aber es würden langfristig weniger neu eingestellt. Das ist ja ein Prozess, der sich über mehrere Jahre hinzieht. Ich habe also keinen Stellenabbau vor.

„Wir sind in einem Sturm und müssen den Kurs ändern“

Wer arbeitet an dem Medizin-Konzept mit?
Ein Team aus Ärzten, Pflegekräften, Leuten aus der Verwaltung hat nach der ersten Corona-Welle Mitte 2020 angefangen, sich Gedanken zu machen, wo es 2030 mit der München Klinik hingehen soll. Erst in den letzten Wochen haben wir eine Beratung reingeholt. Die braucht man auch, um externe Daten einzuholen.

Wie teuer waren die Berater?
Unter 200.000, sonst hätten wir es europaweit ausschreiben müssen.

Kürzlich haben Sie Ihren Rückzug aus der Geschäftsführung angekündigt. Kurz bevor das neue Medizinkonzept verabschiedet wird. Warum ausgerechnet jetzt?
Es ist nie der richtige Zeitpunkt zu gehen, wenn man etwas gerne gemacht hat. Es war ein Prozess. Es liegt auch an der Familie. Ich habe zwei Kinder, die zehn und 13 Jahre alt sind und die ich kaum mitbekommen habe. Und ich will einfach noch mal was Neues machen.

Und was?
Das ist noch nicht spruchreif. Ich bleibe auf jeden Fall im Gesundheitswesen.

Mancher meint: Der Kapitän verlässt das sinkende Schiff.
Die München Klinik wird nie untergehen.

„Ich habe Fehler gemacht. Hinterher ist man immer klüger“

Ihr Nachfolger dürfte es schwer haben, wenn er ein Konzept umsetzen muss, das er sich nicht ausgedacht hat.
Als ich kam, war die München Klinik ein Tanker, der in einer totalen Schräglage irgendwo festgefahren war. Und den haben wir mit großen Anstrengungen gelöst. Jetzt sind wir in einem Sturm und müssen den Kurs ändern. Wir dürfen nicht warten. Trotzdem wird jeder, der kommt, im Rahmen dessen, was möglich ist, gestalten können.

Was würden Sie anders machen?
Ich habe definitiv Fehler gemacht. Aber hinterher ist man eben immer klüger. Ein Fehler war vielleicht, dass ich manches zu persönlich genommen habe.

Mit welchem Gefühl gehen Sie?
Wenn es zu Ende ist, werde ich hochemotional sein. Ich war eben 24/7 die vergangenen neun Jahre immer da. Aber ich werde auch sicher irgendwann zurückkommen – dann aber als Patient.

Dieser Artikel wurde verfasst von Christina Hertel

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