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Grünen-Kandidatin Bettina Jarasch will Senatschefin werden - dann unterstünde ihr die landeseigene Charité.

© K. Nietfeld/dpa; imago images

Exklusiv

Fleischlose Kost wichtiger als Pflegenotstand?: Berliner Krankenhäuser fürchten „ökoliberales Regime“ der Grünen

Welchen Stellenwert haben Berlins Kliniken für die Grünen? Die Branche ist skeptisch. Ein hoher Personalvertreter der Charité findet deutliche Worte.

In Berlins größter Branche, dem Gesundheitswesen, wird heftig über die umfragestarken Grünen diskutiert – in den Krankenhäusern kursieren Analysen der Wahlprogramme, die Grünen werden darin gesundheitspolitisch als schwächer eingestuft als SPD und CDU. Die drei Parteien stehen im Fokus, weil sie den neuen Senat führen könnten.

Krankenhauschefs fürchten, mit den Grünen zöge ein „ökoliberales Regime“ ein, wie eine Klinikleiterin sagte: wenig Bauen und Soziales, dafür Umwelt- und Nischenprojekte. Öffentlich äußern sich Vorstände diverser Krankenhäuser nicht, aber ein hoher Personalvertreter der Charité.

„Die Grünen unterschätzen die Bedeutung der Medizin für Berlin seit Jahren“, sagte Jörg Pawlowski, Chef des Klinikpersonalrats. „Von den großen Parteien fielen die Grünen bislang am wenigsten damit auf, Krankenhäuser gut ausstatten, den Pflegekräften helfen und die Forschung unterstützen zu wollen. Wenn Berliner Grüne die Charité besucht haben, stand unsere Kernaufgabe, die massenhafte Versorgung von Patienten, kaum im Mittelpunkt.“ Einige Grüne hätten in der Pandemie eher über „fleischlose Krankenhauskost“ gesprochen als über die Pflegenot.

In ihrem Wahlprogramm erwähnen die Grünen die Universitätsklinik als Ausbildungsstätte für Hebammen und Studenten, nicht als Maximalversorger mit 19.000 Medizinern, Pflegekräften, Technikern und 790.000 Patienten im Jahr. Die ebenfalls landeseigenen Vivantes-Krankenhäuser, Deutschlands größte kommunale Klinikkette, tauchen im Grünen-Wahlprogramm nicht auf.

Die SPD schreibt, man wolle Charité und Vivantes ausbauen, sie hätten „Vorbildfunktion“. Beide Häuser böten „Spitzenmedizin auf Weltniveau“, erklärt die CDU, sollten aber besser genutzt werden.

Jarasch: Kliniken nicht nur nach „wirtschaftlichen Kriterien“ ausrichten

Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sagte dagegen auf Anfrage, eine „innovationsstarke Gesundheitsbranche“ sei wichtig. Die Kliniken dürften nicht nur nach „wirtschaftlichen Kriterien“ ausgerichtet werden; sie bräuchten Reservekapazitäten. Die Verhandlungen zwischen Verdi und Charité sowie Vivantes um Entlastung und Löhne würde sie als Senatschefin „konkretisieren“ – auch wenn sich vieles „nur mit einer anderen Gesundheitspolitik im Bund“ realisieren ließe.

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In Berlins Kliniken, Pflegeheimen, Pharma- und Medizintechnikfirmen arbeiten 240.000 Beschäftigte. Auch in einzelnen Heimen sorgen sich Management- und Beschäftigtenvertreter, dass kleinteilige Fragen aus dem Gesundheitswesen in einem Grünen-Senat kaum beachtet würden.

Pflegeverband: CDU schneidet besser ab als Grüne

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) schreibt in seinen „Wahlprüfsteinen“ unter anderem, dass die Grünen kaum vom „profitorientierten Gesundheitssystem“ abrücken wollten und wenig zur „Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung“ böten. Die SPD antwortete auf den DBfK-Fragebogen offenbar nicht, die CDU schnitt besser ab als die Grünen.

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Wie berichtet hatte auch Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) die Charité verärgert, als er 2020 versuchte, die Tierversuchskommission mit mehr Tierschützern zu besetzen. Das blockierte, so der Vorwurf, die Laborarbeit. Zudem beschwerten sich Pflegekräfte, dass sie in der Pandemie für Parkplätze an der Charité voll zahlen mussten – bis zu 20 Euro je Schicht. Zunächst empfahl Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) dem auch nachts eingesetzten Personal neben Bus und Bahn das Rad. Später gab es reduzierte Gebühren.

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