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Universitätsmedizin

Sparziel erreicht: Unimedizin Greifswald präsentiert ausgeglichen Haushalt

Die Architektin des Wandels: Marie Le Claire (37) hat den Posten des kaufmännischen Vorstands seit 2016 inne.

Die Architektin des Wandels: Marie Le Claire (37) hat den Posten des kaufmännischen Vorstands seit 2016 inne.

Greifswald. Das Gebälk der Universitätsmedizin hat in den vergangenen Jahren ganz schön geächzt unter den Sparmaßnahmen, es gibt kaum Bereich im Haus der nicht einmal durchgeschüttelt wurde und irgendeine Veränderung durchlaufen hat. Doch die Radikalkur hat sich gelohnt: Im Jahr 2018 konnte erstmals seit langem ein positives Ergebnis erzielt werden. Als verantwortlich für den Wandel gilt Marie le Claire. Die 37-jährige war bereits mit 28 Jahren Chefin des Klinikcontrollings an der Berliner Charité, seit 2016 ist sie Kaufmännischer Vorstand der Universitätsmedizin Greifswald. Die studierte Betriebswirtin und Wirtschaftsingenieurin sprach mit der OSTSEE-ZEITUNG über Einsparungen, Fachkräftemangel und die Psychologie der Veränderung.

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Als Sie Anfang 2016 ihren Posten angetreten haben, stand 2015 ein Minus von über 14,3 Millionen im Jahreshaushalt. Jetzt ist wieder ein leichtes Plus zu verzeichnen. Wie schafft man das?

Wir haben 2016 einen sehr strukturierten Sanierungsplan aufgestellt, den wir auch engmaschig kontrolliert haben. Eine große Rolle haben Nachverhandlungen mit den Krankenkassen gespielt. Im Bereich der Fachambulanzen waren wir zum Beispiel deutlich unterfinanziert. Solche Verhandlungen sind sehr intensiv und ziehen sich, aber es hat sich gelohnt. Statt der Pauschalsumme von rund 60 Euro pro Quartal pro Patient, bekommen wir jetzt 145 Euro. Das summiert sich auf 2,9 Millionen Euro. Bedarf gibt es noch im Bereich der Notfallmedizin, da sind wir in Deutschland generell noch weit unter dem, was notwendig wäre. Für einen ambulanten Patienten in der Notaufnahme bekommen wir etwa 45 Euro, für Kinder sogar nur 23 Euro.

Wo gab es im Klinikum Einsparpotential?

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Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass wir auch hier viel verhandelt haben, etwa bei Einkaufspreisen von Materialien. Entscheidend war dabei die Standardisierung. Wenn zum Beispiel alle das gleiche Nahtmaterial bei Operationen verwenden, können wir ganz andere Einkaufspreise erzielen, als wenn wir viele kleine Bestellungen absetzen. Außerdem haben wir einige Arbeitsbereiche wieder ins Haus geholt, die wir vorher ausgelagert hatten.

Das bedeutet aber auch Mehrarbeit für die Mitarbeiter?

Das ist zum Teil so, ja. Wir versuchen aber immer mehr Aufgaben, die reine Routine sind, zu digitalisieren und damit die Workflows zu vereinfachen. Damit schaffen wir Kapazitäten für Aufgaben, für die wir unsere Mitarbeiter wirklich brauchen. Wir digitalisieren zum Beispiel das Bestellwesen und den Rechnungseingang, das passiert derzeit noch auf Papier. Und nach einem erfolgreichen Testlauf führen wir ein auf den medizinischen Bereich ausgelegtes Spracherkennungssystem für Ärzte ein. Dann entfällt der Schritt des Eintippens von Texten in die digitale Akte.

 Mit der Gewerkschaft Verdi hat jüngst eine Tarifeinigung der Universitätskliniken stattgefunden. Torpediert das ihren Finanzhaushalt?

Mit der Einführung des Flächentarifvertrags auch bei uns bekommen unsere Mitarbeiter das gleiche Gehalt wie an fast allen Universitätskliniken in Deutschland. Ich finde diese Angleichung wichtig und richtig. Zwar ist das für uns natürlich mit mehr Kosten verbunden, dafür steigen unsere Chancen, Fachkräfte zu gewinnen. Jetzt gilt es, Wege zu finden, trotz des Tarifsprungs den Haushalt weiterhin ausgeglichen zu gestalten. Schließlich gehen Defizite zu Lasten der Steuerzahler. Mit deren Geld müssen wir verantwortungsvoll umgehen, das ist mir wichtig.

Man sagt immer, Sparen tut weh. Was hat Ihnen wehgetan?

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Für mich persönlich ist der durchgehende Vorwurf am Schwierigsten, dass am Personal gespart werde. Das stimmt so einfach nicht. Manche sehen nicht, dass an vielen Stellen auch Prozesse verbessert werden, was nicht nur einen ökonomischen Effekt hat, sondern auch einen qualitativen Gewinn für die Mitarbeiter und die Patienten mit sich bringt. Man kennt das doch von Zuhause: Wenn ich hin und herlaufe und eine Aufgabe fünf Mal anfasse, verbrauche ich mehr Ressourcen als wenn ich vorher einmal strukturiert überlege, wie ich es mache. Gegen die Überzeugung anzugehen, jede Veränderung wäre schlecht - das ist für mich die größte Herausforderung. Veränderungen können auch Mehrwert für alle bieten.

 Ist denn an den Vorwürfen denn etwas dran? Wurde am Personal gespart?

Ich kenne die Vorwürfe. Aber sie stimmen nicht. Wir haben tendenziell sogar mehr Mitarbeiter, 2018 zum Beispiel sind unterm Strich acht Vollzeitkräfte dazugekommen. Sicherlich gibt es Situationen, in denen es personell eng wird, bei Krankheit der Mitarbeiter zum Beispiel. Dann entsteht für den Patienten schnell die Wahrnehmung, es steht weniger Personal zur Verfügung. Abgebaut haben wir lediglich im Bereich der Verwaltung, dort haben wir einige auslaufende Stellen nicht neu besetzt. In der Gesamtperspektive wollen wir personell weiterwachsen, vor allem im Bereich der Pflege. Was die Ausbildung angeht, haben wir einen großen Schritt nach vorn gemacht. Wir haben derzeit über 500 Azubis. In unserer Pflegeschule mussten wir deshalb schon die Klassenräume vergrößern.

 Besteht ein Mangel an Pflegepersonal?

Wir haben derzeit rund 20 offene Stellen, ein Teil ist aber auch für unsere Auszubildenden vorgesehen. Im deutschlandweiten Vergleich stehen wir sehr gut da. Es wurde ja jetzt die Pflegepersonaluntergrenze eingeführt, die festlegt und kontrolliert, wie viel Pflegepersonal für eine Anzahl Betten tatsächlich zur Verfügung steht, trotz Ausfällen, trotz Urlaub. Wir erfüllen die Kriterien fast überall vollständig. Andere Häuser in Deutschland haben in diesem Bereich offenbar weitaus größere Probleme. Man muss dabei auch ruhig mal hinterfragen, ob das Gesundheitssystem in Deutschland so ausgelegt ist, dass jede Fachkraft genug Zeit für jeden Patienten hat. Das ist nämlich leider nicht so, auch in Arztpraxen nicht.

 Wie soll es mit dem Kreiskrankenhaus am Standort Wolgast weitergehen?

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Wir als Universitätsmedizin stehen hundertprozentig hinter dem Kreiskrankenhaus, auch langfristig. Mit Peter Hingst als neuem Geschäftsführer betonen wir das. Er ist seit über 25 Jahren bei uns, mit der Region fest verbunden und sagt, er will hier mindestens bis zur Rente bleiben, also bis 2026 glaube ich. Es gibt immer wieder Fragen nach der Zukunft und Gerüchte über mögliche Schließungen von Abteilungen. Das steht aber nicht zur Debatte, das Haus hat eine Auslastung von über 80 Prozent, gerade Innere Medizin, Notfallversorgung und Chirurgie sind wichtige Standbeine in der Versorgungslandschaft.

 Trotzdem rumort es bei den Mitarbeitern, es gibt eine Bürgerinitiative, Personalmangel wird angeprangert.

Manchmal sind es eben nur die lautesten, die gehört werden. Von den Ärzten hören wir andere Rückmeldungen, nämlich, dass es dort eine sehr gute Teamstimmung gibt, gerade im Bereich der Pflege. Künftige Fachkräfte schauen bei den Bewerbungen übrigens nicht nur auf die Lage des neuen Arbeitsortes, sondern auch, wie über das Haus geredet wird. Und solche Diskussionen und Aktionen wie in den vergangenen Monaten machen die Mitarbeitersuche nicht einfacher.

 Gibt es denn in Wolgast einen stärkeren Fachkräftemangel als in Greifswald?

Für eine große Klinik ist die Mitarbeitersuche heute bereits eine Herausforderung, für einen kleinen Standort im eher ländlichen Raum noch mehr. Wir versprechen uns einen positiven Effekt durch die Geriatrieprofessur. Die wird ab Oktober hier an der Uni angesiedelt sein, aber die 32 Betten sind in Wolgast. Dadurch lernen die angehenden Ärzte das Haus bereits früh kennen. Das sind ja alles potenzielle Assistenzärzte für die Region. Und das Thema ist wichtig, man muss sich die demographische Entwicklung nur ansehen.

Haushaltsjahr 2018

Nach Beginn des Sanierungsprozesses vor vier Jahren konnte 2018 von der Universitätsmedizin wieder eine ausgeglichene Bilanz erwirtschaftet werden. Der Umsatz von 337,9 Millionen Euro steht einem Gewinn von 500 000 Euro gegenüber. Damit scheint der Unimedizin die Trendwende geglückt, im Jahr 2015 stand noch ein Defizit von über 14 Millionen Euro zu Buche.

Im kommenden Jahren steht allerdings ein Tarifsprung an, die Personalaufwendungen für die 4.582 Mitarbeiter des Hauses werden um rund 8,4 Millionen Euro steigen.

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Anne Ziebarth

OZ

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