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Gesundheitswesen

Krankenhaus ignoriert Patientenverfügung – Witwe ist sauer

Neustrelitz / Lesedauer: 4 min

Zu lebenserhaltenden Maßnahmen gehören künstliche Beatmung, die Reanimation oder auch eine Operation. Ob sie ergriffen werden, klärt eine Patientenverfügung – eigentlich …
Veröffentlicht:17.07.2022, 15:09
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Margarete Schröder aus Neustrelitz hat ihren Vater an Krebs verloren und weiß um die Herausforderung, einen Menschen in den Tod zu begleiten. Dementsprechend hatte sie auch für sich und ihren Mann mit einer Patientenverfügung vorgesorgt, berichtet sie. Der Passus über lebenserhaltende Maßnahmen sei in Absprache mit ihrem Hausarzt in der Verfügung gestrichen worden.

„Keine Maschinen, keine Abhängigkeiten“, war das Credo ihres Mannes, der bereits an Vorerkrankungen litt. Seit 30 Jahren sei er Diabetiker gewesen und seit seinem Schlaganfall im Jahr 2011 sei eine Herz- und Niereninsuffizienz hinzugekommen, später noch Demenzschübe. „Es ging immer weiter bergab mit ihm“, so Margarete Schröder. Anfang 2021 sei er dann ins DRK-Krankenhaus Neustrelitz eingeliefert worden.

Verfügung nicht berücksichtigt

Margarete Schröder hinterließ beim Krankenhauspersonal auch die Patientenverfügung inklusive Vorsorge- und Betreuungsvollmacht. Dennoch sei er in der Nacht aus Kapazitätsgründen ins Krankenhaus nach Wittstock verlegt worden. Ein Herzschrittmacher sollte gesetzt werden. Zuvor wäre aber eine Dialyse nötig gewesen.

Margarete Schröder verwies immer wieder auf die Patientenverfügung ihres Mannes, in der lebensverlängernde Maßnahmen ausdrücklich abgelehnt wurden. Schließlich habe sich in Wittstock der Zustand ihres Mannes verschlechtert. Sie habe die Möglichkeit gehabt, von ihrem geliebten Mann Abschied zu nehmen. Doch eine Frage beschäftigt sie bis heute: Wozu benötigt man eine Patientenverfügung, wenn diese nicht berücksichtigt wird?

Allgemeinaussagen sind nicht mehr ausreichend

Wenn es Vollmachten gibt, sind diese auch zu berücksichtigen. „Diese müssen umfassend und juristisch sauber sein, um von den Ärzten adäquat berücksichtigt werden zu können“, betont Joachim Odenbach von der Deutschen Krankenhaus Gesellschaft (DKG). Hierbei gilt es, Fallstricke zu vermeiden. So hat der Bundesgerichtshof mittlerweile entschieden, dass Allgemeinaussagen wie „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ nicht mehr ausreichend sind. Die Ärzte brauchen vielmehr konkrete Aussagen etwa hinsichtlich künstlicher Ernährung, Beatmung, Wiederbelebung und anderer medizinischer Behandlungen.

Genau dies sei bei der Patientenverfügung ihres Mannes auch beachtet worden, versichert Margarete Schröder. „Diese konkreten Dinge waren aufgelistet“, betont sie. Die Neustrelitzerin kann nicht verstehen, warum ihr Mann dennoch kurz vor seinem Tod eine qualvolle Verlegung auf sich nehmen musste. Im Gegensatz zum Neustrelitzer Krankenhaus sei in der Wittstocker Klinik auch alles akzeptiert und respektiert worden.

„Mit mir wurde ausführlich über die Patientenverfügung meines Mannes mit allen Konsequenzen gesprochen, ebenso über seinen Zustand und dass ich jederzeit dort willkommen bin, um bei meinem Mann zu sein. Das waren Dinge, die ich hier in Neustrelitz vom Krankenhaus vermisst habe“, kritisiert sie. Eine Nordkurier-Anfrage zu dem Vorfall blieb vom Krankenhaus unbeantwortet beziehungsweise es wurde darauf verwiesen, dass sich die Geschäftsführung im Urlaub befindet.

Verbraucherzentrale hilft weiter

Eine Anlaufstelle, um sich zum Thema Patientenverfügung beraten zu lassen, ist die Verbraucherzentrale. „Eine Patientenverfügung kommt nur in ganz bestimmten Situationen zum Tragen, beispielsweise am Ende des Lebens oder wenn man sich nicht mehr selber äußern kann“, heißt es von Wiebke Cornelius von der Verbraucherzentrale Mecklenburg-Vorpommern. Menschen, die ins Pflegeheim oder ins Hospiz kommen, sollten auf jeden Fall eine Patientenverfügung unterschrieben haben, so Cornelius.

Dabei ist jedoch der Einzelfall zu betrachten. Schließe man zum Beispiel als Demenzerkrankter lebenserhaltende Maßnahmen aus, könne das zum Hungertod führen. Denn bei einer Demenz vergisst der Patient häufig einfach zu schlucken. Mit einem Katheder im Bauch gäbe es die Möglichkeit, den Patienten weiter zu ernähren, sagt sie.

Bevollmächtigung wichtig

Wichtiger als eine Patientenverfügung sei jedoch eine Bevollmächtigung. Im besten Falle erhalte diese der Ehepartner oder die Kinder, heißt es von Cornelius. Mit der Vorsorgevollmacht trete man alle Rechte und Pflichten an den Bevollmächtigten ab. Hierzu sollte man bei klarem Verstand sein und der Person 100 Prozent vertrauen, um sein Leben in dessen Hand zu geben, so die Beraterin.

Ab 2023 tritt zudem das Notvertretungsrecht für Ehegatten in Kraft. Es regelt eine automatische Vertretungsbefugnis für den Ehepartner. So dürfen sich Ehegatten ohne Patientenverfügung oder Vollmacht dann gegenseitig vertreten und die Gesundheitssorge ihres nicht entscheidungsfähigen Partners für drei Monate übernehmen.

Die Verbraucherzentrale veranstaltet im Herbst vom 7. bis 11. November online die Woche der Vorsorge. Der Awo-Stadtverband Neustrelitz in der Karbe-Wagner-Str. 2, Telefon: 03981 449704, bietet Beratungen zum Thema Patientenverfügung an. Formulare für Vorsorgevollmachten finde man beim Justizministerium MV und bald auch online bei der Verbraucherzentrale.