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Nach Ausbruch bei Tönnies war St. Vinzenz in Rheda-Wiedenbrück gefordert

Corona reißt Loch in Klinikbilanz

Rheda-Wiedenbrück (WB). Als sich im Sommer um den Schlachthof der Tönnies-Gruppe plötzlich ein Corona-Hotspot entwickelte, war das Sankt-Vinzenz-Hospital in Rheda-Wiedenbrück sehr gefragt. 22 Patienten, die sich in dem Schlachtbetrieb mit dem Virus so stark infiziert hatten, dass sie klinisch behandelt werden mussten, nahm das Krankenhaus auf; drei mussten sogar künstlich beatmet werden. Dafür, wie das ablief, wurde die Klinik später gelobt. Finanziell aber hat sich das Engagement nicht gelohnt.

Bernhard Hertlein

Das 1849 gegründete Sankt-Vinzenz-Hospital in Rheda-Wiedenbrück mit seinen knapp 200 Betten ist Teil der Katholischen Hospitalvereinigung Ostwestfalen (KHO). Dessen Geschäftsführer ist Georg Rüter (kleines Foto).
Das 1849 gegründete Sankt-Vinzenz-Hospital in Rheda-Wiedenbrück mit seinen knapp 200 Betten ist Teil der Katholischen Hospitalvereinigung Ostwestfalen (KHO). Dessen Geschäftsführer ist Georg Rüter (kleines Foto). Foto: Bernhard Hertlein

Genau genommen, so rechnet Dr. Georg Rüter, Geschäftsführer der Katholischen Hospitalvereinigung Ostwestfalen (KHO), vor, war es sogar ein Minusgeschäft. Abgerechnet werden Klinikaufenthalte nach Fallpauschalen – unabhängig davon, wie lange der Patient im Krankenhaus gewesen ist. Im Falle der Covid-19-Erkrankten waren das 16 lange Tage. „Früher haben wir sie, selbst wenn sie schon weitgehend gesund waren, wegen der Ansteckungsgefahr nicht in ihre Unterkünfte zurückschicken können“, erklärt Rüter.

Die Rechnung

Pro Tag und Patient kann das Sankt-Vinzenz-Hospital, das ne­ben dem Franziskus-Hospital in Bielefeld und dem Mathilden-Hospital Herford die KHO bildet, 220 Euro abrechnen. Das sind, so Rüter, schon mal 233,73 Euro weniger als für ein Krankenhausbett mit anderen Patienten dort normalerweise pro Tag vergütet wird. Insgesamt beträgt das Minus bei den Einnahmen der Klinik demzufolge – 22 Patienten à statistisch genau 16,4 Tage mal 233,73 Euro – 84.376 Euro.

Noch viel schlechter sieht die Kalkulation rein rechnerisch aus, wenn Rüter das, was von der Versicherung gezahlt wird, mit der Pauschale vergleicht, die Kliniken in diesem Sommer pro Bett erstattet bekamen, das sie für mögliche Corona-Patienten freihielten: pro Tag 560 Euro. Wären alle Betten der Corona-Patienten in Rheda-Wiedenbrück frei gehalten worden, hätte das Sankt-Vinzenz-Hospital sogar insgesamt 122.672 Euro mehr auf der Einnahmeseite der Bilanz verbuchen können.


Dr. Georg Rüter ist Geschäftsführer der Katholischen Hospitalvereinigung Ostwestfalen (KHO) und
Dr. Georg Rüter ist Geschäftsführer der Katholischen Hospitalvereinigung Ostwestfalen (KHO) und Foto: KHO

Bei den acht Corona-Patienten, die keinen Bezug zum Infektionsherd beim Schlachthof Tönnies in Rheda-Wiedenbrück hatten, sieht die Bilanz ein wenig besser aus. Weil sie durchschnittlich „nur“ 14,9 Tage in der Klinik waren, konnte das Krankenhaus pro Tag 229,16 Euro erlösen. Im Durchschnitt aller Patienten, also nicht nur der Corona-Infizierten, erhält Sankt Vizenz pro Belegungstag 454,56 Euro.

Ortsnähe zahlt sich aus

Immerhin, sagt Rüter, der seit 2013 auch Vorstandsvorsitzender des Zweckverbandes freigemeinnütziger Krankenhäuser Münsterland und Ostwestfalen (ZVMO) ist, zeige die Corona-Pandemie, wie wichtig es sei, Kliniken vor Ort vorzuhalten. Der Glaube, riesige bis gigantische Klinikzentren seien kostengünstiger, sei längst widerlegt und trotzdem nicht aus der Welt zu schaffen. In Zeiten einer Pandemie vergrößerten große Strukturen zudem das Risiko, dass ein Krankenhaus selbst zum Ausbreitungsherd werde.

Zu viel Bürokratie

Wiederholt hat Rüter auch schon in der Vergangenheit die „Regelungswut“ im Gesundheitswesen kritisiert. So habe das in diesem Jahr in Kraft getretene Pflegepersonal-Stärkungsgesetz den bürokratischen Aufwand für die Kliniken noch einmal vergrößert und die Flexibilität bei der Personalplanung verringert. Verstärkt werde dies aktuell durch die Ausweitung der Pflegepersonal-Untergrenzen für vier klinische Bereiche: pädiatrische Intensivmedizin, Pädiatrie, Allgemeine Chirurgie sowie Innere Medizin.

Der allgemein sehr große Aufwand für Verwaltung und Logistik bringt es mit sich, dass Rüter zufolge höchstens 30 bis 50 Prozent der Arbeitszeit der Beschäftigten in einem Krankenhaus – Pfleger, Ärzte und Funktionspersonal – der unmittelbaren Versorgung der Patienten diene.

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