Lange Mängelliste bei Kreisklinik Groß-Gerau

Erschreckend für alle Beteiligten ist im vorigen Jahr die finanzielle Entwicklung der Kreisklinik gewesen. Für das stark defizitäre Krankenhaus soll im Herbst ein neues Betriebskonzept vorliegen. Am Montag hat sich der Kreistag mit der Lage befasst. Archivfoto: VF/Heimann
© Archivfoto: VF/Heimann

Der Kreistag berät über den ersten Zwischenbericht der neuen Geschäftsführerin. Die Opposition sieht den Krankenhausbetrieb „seit Jahren gegen die Wand gerannt“.

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KREIS GROSS-GERAU. Schwerwiegende Versäumnisse der bisherigen Leitung der Kreisklinik Groß-Gerau legt ein erster Zwischenbericht der neuen Geschäftsführerin Erika Raab offen, mit dem sich der Kreistag in seiner Sitzung am Montagnachmittag befasste. Die Abgeordneten sollten zudem die Deckung der erheblichen Mehrkosten im Klinikbetrieb beschließen, die das Jahresdefizit von geplanten drei Millionen auf über neun Millionen Euro hochgetrieben hatten.

In ihrem auf den 16. April datierten Bericht listet Raab eine Reihe kostentreibender Mängel auf im Personalwesen, in der Materialbeschaffung und bei der Datenverarbeitung.

„Auffälligkeiten“ bei Sachkosten

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„Bei der Einarbeitung in die Geschäftsführung wurde bereits innerhalb kürzester Zeit erkennbar, dass vorliegend kein Berichtswesen im Bereich des operativen Medizincontrollings vorhanden ist“, schreibt Raab. Erst ab 2018 seien daher verwertbare Aussagen zu Themen wie Fehlbelegung oder Verweildauer von Patienten möglich. Diese Daten zeigten, „dass die Kreisklinik in der bisherigen klassischen Struktur nicht fortgeführt werden kann“. Sie müsse aus Kostengründen stärker mit „stationsersetzenden Leistungen“ verknüpft werden, etwa Kurzzeitpflege oder ambulanter Wundversorgung.

Bei der Analyse der Sachkosten zeigen sich nach Angaben der neuen Geschäftsführerin „diverse Auffälligkeiten“. Bislang könne jeder Arzt oder jede Station Sachmittel bestellen – ohne vorgeschaltete Prüfung, ob das benötigte Material vielleicht anderswo vorhanden sei. Rabatte beim Einkauf würden durch die Einzelbestellungen nicht ausgeschöpft. „Zusätzlich gibt es eine Vielzahl von Sonderbestellungen, welche aufgrund von Transportanforderungen zusätzliche Kosten verursachen.“

Als Sofortmaßnahme veranlasste Raab nach eigenen Angaben, dass sämtliche Bestellungen durch die Geschäftsführung freigegeben werden müssen.

Mit dem Personalwesen sei bis 2017 eine externe Personalberatungsfirma betraut gewesen, schreibt die neue Geschäftsführerin weiter. Die Folge sei, dass sich viele Unterlagen zum Personal nicht in der Klinik befänden. Ein Personalcontrolling gebe es nicht.

Zwar seien die Neueinstellungen der jüngsten Zeit nachvollziehbar, heißt es im Bericht. Doch es gebe zu viele Überstunden: Deren Zahl liege im Verhältnis zur Auslastung und Personalstärke des Krankenhauses deutlich über den Werten anderer Kliniken. Arbeitszeitmodelle der Berufsgruppen seien nicht aufeinander abgestimmt, Dienstpläne würden zu spät freigegeben. Das habe wiederum die Beschäftigung von Honorarkräften zur Folge, „welche aufgrund der Kurzfristigkeit des Einsatzes überhöhte Marktpreise fordern können“.

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Abgeordnete fast aller Kreistagsfraktionen lobten die neue Klinikchefin für ihren Bericht. Die Kreisklinik sei „seit Jahren gegen die Wand gerannt“, erklärte der FDP-Fraktionsvorsitzende Peter Engemann. Raabs Bericht zeige, dass dort außer der Patientenversorgung nichts funktioniert habe. In den vergangenen zehn Jahren seien in der Kreisklinik „50 Millionen Euro durch den Schornstein geblasen“ worden, befand der CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Bach. Nun gebe es wieder einmal einen Neubeginn, doch drohe das Krankenhaus zum Fass ohne Boden zu werden. „Auf das Schärfste“ kritisierte Artem Zakharov (AfD) den Anstieg des Klinik-Defizits im vorigen Jahr.

Ein Krankenhausbetrieb sei heute kostendeckend nicht möglich, entgegnete Werner Schmidt (SPD). „Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir die bisherigen Ergebnisse schlechtreden.“ Die Linken-Fraktionsvorsitzende Christiane Böhm verwies darauf, dass 91 Prozent der Kreisklinik-Patienten aus dem Kreis Groß-Gerau kämen: „Das ist ja das, was wir haben wollen.“

Landrat Will betonte, dass die Klinik weiterhin benötigt werde – „aber in einer anderen Form, als wir sie heute haben.“ Man sei dabei auf einem guten Weg. Ein neues Konzept soll im Herbst vorliegen.