Bauarbeiten an Groß-Umstadts Kreisklinik teurer als geplant

An der Kreisklinik haben nach Monaten die Bauarbeiten wieder begonnen – und alles wird viel teurer. Foto: Guido Schiek
© Guido Schiek

Was das Landratsamt verschweigt: Neues Bettenhaus in Groß-Umstadt soll 100 Millionen Euro kosten und erst viel später fertig werden.

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DARMSTADT-DIEBURG. Kritische Wendung an der teuersten Baustelle des Landkreises: Beim Neubau eines Bettenhauses an der Kreisklinik in Groß-Umstadt werden aus offiziell 82 Millionen Euro im ersten Bauabschnitt nach aktualisierter Prognose 97,5 Millionen, inklusive Hubschrauberlandeplatz sogar 101,3 Millionen Euro. Zudem soll das neue moderne 260-Betten-Haus nicht im November 2021 fertig werden, sondern erst im März 2023.

All das steht in einer Vorlage fürs Kreisparlament und ist jetzt im Internet nachzulesen. Die Kreispolitiker werden für 16. August zu einer Sondersitzung zum Klinikbau ins Landratsamt gerufen.

Sondersitzung des Kreisparlaments

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Auf ECHO-Anfrage, warum bislang kein Pressehinweis zur Sitzung vorliege und ob es im Hintergrund Veränderungen beim 80-Millionen-Projekt gebe, hieß es noch vor wenigen Tagen: „Aktuell keine.“ Zu einem Zeitpunkt also, als den Verantwortlichen die gravierenden Mehrkosten und Verzögerungen bekannt gewesen sein mussten.

Die Sondersitzung des Kreisparlaments erhält dadurch eine ganz andere Ausrichtung. Sollte es zuvor nur darum gehen, ohne weiteren Zeitverzug die Bauaufträge im Millionenumfang zu beschließen, stehen nun ganz andere Fragen an: Lässt sich die Kostenexplosion allein aus vollen Auftragsbüchern der Baufirmen erklären, wurde im Vorfeld realistisch kalkuliert? Woher soll das zusätzliche Geld kommen? Sind zwanzig Millionen Euro mehr im angespannten Kreishaushalt ohne Erhöhung der Kreisumlage zu stemmen? Gäbe es für diese schmerzliche Mehrbelastung aller Bürger eine Mehrheit im Parlament? Und zuletzt: Wie kann es sein, dass Klinik und Kreisverwaltung angesichts derartig gravierender Probleme das ECHO und damit die Öffentlichkeit desinformieren und von „aktuell keinen Veränderungen“ sprechen?

Schon in den vergangenen Monaten hatte es immer wieder abwiegelnde Antworten auf ECHO-Anfragen zur Klinik gegeben. Monatelang tat sich im Winter und Frühjahr auf der Baustelle nichts. „Kein Grund zur Beunruhigung“, hieß es aus dem Landratsamt. Man sei im Zeit- und Kostenrahmen.

Für die Klinik trägt das Land Hessen die Hälfte der ursprünglich veranschlagten Kosten, also 40 Millionen Euro für den ersten Bauabschnitt. Der Rest muss aus der Kreiskasse kommen. In weiteren Bauabschnitten sollten die Ausgaben auf 110 bis 120 Millionen Euro steigen; realistisch erscheinen jetzt wohl eher 150 Millionen.

Die Öffentlichkeit sollte die aktualisierten Zahlen erst nach den Gremien des Kreisparlaments erfahren. „Bereits jetzt darüber zu sprechen oder zu schreiben, wäre verfrüht und unseriös“, schrieb die Klinikleitung via Kreis-Pressestelle. Der Wunsch und die Motivation, die Leser umfassend und frühzeitig zu informieren, sei verständlich. Doch auf der anderen Seite stehe der Auftrag und die Erwartung des Kreistages, Sitzungsinhalte nicht aus den Medien vorab erfahren zu wollen.

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Mehr als zehn Jahre dauerten die politischen Vorbereitungen für den Neubau der Klinik. Im Januar 2019 sollte der Rohbau beginnen; so viel zum eingehaltenen Zeitplan.

Die Großbaustelle fordert die Kreisfinanzen auch ohne Kostenexplosion enorm, doch Landrat Klaus Peter Schellhaas (SPD) und Klinikleitung sehen keine Alternative. Die Sanierungskosten des 50 Jahre alten Gebäudes nähmen immer mehr zu, auf modernen Stationen seien die Patienten bei höherem Komfort kostengünstiger zu versorgen.

Da das neue vierstöckige Bettenhaus (plus Keller) kein zehnstöckiges Hochhaus mehr sein wird, werden zeitraubende Bettentransporte mit Aufzügen stark reduziert. Das Hochhaus soll – um obere Etagen reduziert – vorerst stehen bleiben. Die Umstädter SPD beantragt alternativ zu prüfen, ob die oberen Kliniketagen zu Schwesternwohnungen umgebaut werden können.

Die Einnahmesituation wird sich durch den Neubau kaum verändern, da keine Leistungsausweitung geplant ist und die Bettenzahl (etwa 260) nahezu gleich bleibt. Lediglich der Intensivbereich einschließlich Stroke-Unit und Chest-Pain-Unit (CPU, bei Brustschmerz/Herzerkrankung), wird etwas größer – falls nicht bei der Sondersitzung eine veränderte Planung vorgelegt wird.

Von Reinhard Jörs