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23.12.2021 | Praxis und Beruf | Nachrichten

Praxis-IT

Kodierunterstützung kommt im Januar – aber noch nicht in allen Programmen

verfasst von: Hauke Gerlof

Zum Jahreswechsel soll die Praxis-IT Praxen zusätzliche Hilfen zur Diagnosenverschlüsselung zur Verfügung stellen. Das soll die Kodierqualität verbessern helfen – und harte Kodierrichtlinien umgehen.

Kommen Anfang 2022 strikte Kodierrichtlinien auf Vertragsärztinnen und -ärzte zu oder nicht? Nach der Regelung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes hätte dies durchaus so sein können. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte den gesetzlichen Auftrag bekommen, „im Benehmen“ mit Krankenhäusern und Krankenkassen sowie dem mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) „verbindliche Regelungen zur Vergabe und Übermittlung der Schlüssel“ nach ICD-10 vorzugeben.

Die KBV versuchte allerdings bereits früh im nun fast abgelaufenen Jahr, erst gar keinen Druck im Kessel entstehen zu lassen, und meldete, dass Vertragsärzten und -psychotherapeuten Kodierhilfen zur Verfügung gestellt werden sollten. Es stehe keine neue Bürokratie ins Haus, hieß es, vielmehr gehe es darum, Praxisteams zu helfen, bestehende Regeln mit wenig Aufwand einzuhalten.

Dahinter steckt die Notwendigkeit, Diagnosen präzise und vergleichbar zu dokumentieren, weil darüber die Entwicklung der Morbidität der Versicherten nachvollzogen wird – eine entscheidende Größe für das vertragsärztliche Honorar. Auch die finanzielle Ausstattung der Krankenkassen durch den Gesundheitsfonds hängt an der Morbidität ihrer Versicherten.

Übergangsfrist läuft Ende Juni aus

Nun also ein Tool zur Kodierunterstützung für Vertragsärzte, das Ärzten ab Jahresbeginn, spätestens aber ab dem 1. Juli 2022, bei der Diagnosenverschlüsselung unter die Arme greifen soll. Mitte das Jahres läuft die Übergangsfrist aus, die Softwareherstellern von der KBV gewährt worden ist. Denn bisher haben noch nicht alle Hersteller die Vorgaben umgesetzt. Neu sind:

  • ein Check der Dauerdiagnosen,
  • eine Verschlüsselungsanleitung auf Basis der Informationen des BfArM und
  • ein Kodiercheck.

Die Anwendung der neuen Funktionalitäten in der Software bleibt allerdings größtenteils freiwillig, und am Ende entscheidet der Arzt oder die Ärztin über den gewählten Diagnosenschlüssel, nicht die Software.

Anleitung hilft, Wissenslücken zu stopfen

Über die Verschlüsselungsanleitung erhalten Ärztinnen und Ärzte bei der Kodierung Hinweise. Wenn zum Beispiel der Schlüssel R55 G (gesicherter Kollaps/Synkope) aus dem XVIII. Kapitel (R00-R99) genommen wird, kommt nach Angaben der KBV der Hinweis, dass diese Schlüsselnummern in der Regel nur verwendet werden sollen, wenn auch nach entsprechender Diagnostik oder in Verbindung mit einem Zusatzkennzeichen keine spezifischere Diagnose gestellt werden kann. Diese Hinweise können aber auch ausgeblendet werden.

Nur der Kodiercheck kann nicht abgeschaltet werden. Er läuft stets im Hintergrund mit, kann aber wahlweise auch erst bei der (Test-)Abrechnung aktiv gestellt werden. Über den Check wird über den kompletten Datensatz des Patienten überprüft, ob ein ausgesuchter Schlüssel auch tatsächlich passt. Wenn die Auswahl wegen bereits eingetragener anderer Diagnosenschlüssel nicht plausibel ist oder auch wenn ein spezifischerer ICD-10-GM-Kode vorhanden ist, erhält der Arzt einen Hinweis.

Es bleibt allerdings dabei, dass Hausärzte vierstellig kodieren dürfen, sie müssen also nicht tiefer in die Verschlüsselung einsteigen als bisher.

Hausärzte dürfen weiter vierstellig kodieren

Im Kodiercheck macht die Software bei Implausibilitäten Alternativvorschläge. Ärzte können diese annehmen oder ablehnen. Sie können auch markieren, wenn sie gleichartige Vorschläge bei demselben Patienten in demselben Quartal nicht mehr sehen wollen.

Über die Hinweise sollen etwa Verschlechterungen des Zustandes bei chronischer Erkrankung gründlicher kodiert werden. Beispielsweise wird bei der Überweisung eines Diabetikers zum Ophthalmologen zur Abklärung einer diabetischen Retinopathie ein Hinweis erscheinen, dass zusätzlich zum bereits vergebenen Diagnosenschlüssel E11.30 auch noch die H36.0* dokumentiert werden könnte.

Vorerst nur vier Indikationsbereiche

Hinweise werden allerdings nicht bei allen Patienten kommen – die Kontrolle der Diagnosenschlüssel durch die Software beschränkt sich zunächst auf vier Indikationsbereiche, die in Praxen häufig vorkommen und bei der Diagnosestellung nicht ganz einfach sind: Schlaganfall (I60-I64, I69), Herzinfarkt (I21, I22, I25), Diabetes mellitus (E10-E14) sowie Hypertonie (I11-I13). In Zukunft sollen weitere Diagnosegebiete hinzukommen.

Gerade in den Diagnosebereichen Herzinfarkt und Schlaganfall kommen auch die Dauerdiagnosen auf den Prüfstand. Bei kodiertem akutem Herzinfarkt (I21) und akutem Schlaganfall (I60 bis I64) zum Beispiel werden Ärzte über die Software darauf aufmerksam gemacht, dass diese Kodes als Dauerdiagnosen ungeeignet sind.

Stattdessen gilt beim Schlaganfall zum Beispiel I64 Z für Zustand nach Insult – wenn keine motorischen oder kognitiven Einschränkungen zurückgeblieben sind. Wenn es solche Defizite gibt, werden diese kodiert.

Ein zurückliegender Myokardinfarkt wird als „alter“ Infarkt kodiert, zum Beispiel I25.22 für einen ein Jahr oder länger zurückliegenden Infarkt.

Sind die Kodierhilfen gut integriert?

Wie sinnvoll die Kodierhilfen tatsächlich am Ende für die Abläufe der einzelnen Praxen ist, das „muss jeder Arzt bzw. jede Ärztin selbst entscheiden“, verlautet vom Softwarehaus Zollsoft auf Anfrage. „Aus technischer bzw. anwendungstheoretischer Sicht gibt es sicher einige Vor- und auch Nachteile der einzelnen vorgeschriebenen Funktionen“, so die sibyllinische Antwort des Anbieters, der die Zertifizierung für seine Software bereits erhalten hat.

Ziel der KBV ist es letztlich, mit Hilfe der Software die Kodierqualität in Praxen, bei der ambulanten Behandlung in Kliniken, aber auch bei der Behandlung von Patienten in Selektivverträgen zu verbessern und vor allem leichter vergleichbar zu machen. Wenn das Ziel erreicht wird – und dabei kommt es entscheidend auf die Ergonomie der Kodierhilfen in der Anwendung an –, könnte daraus tatsächlich eine verbesserte Basis für die Messung der Entwicklung der Morbidität entstehen.

Quelle: Ärzte Zeitung

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