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Update Exklusiv

Die Lage am Dienstag: Bergmann kämpft gegen Virus-Ausbruch im Klinikum

In der Geriatrie des Potsdamer Klinikums sind 33 Menschen infiziert. Vier Patienten der Station sind bereits gestorben. Die Stadt zählt jetzt neun Tote und hat das Robert-Koch-Institut um Amtshilfe gebeten. 

Potsdam - Das Potsdamer Klinikum "Ernst von Bergmann" kämpft gegen einen Ausbruch des Coronavirus innerhalb des Klinikums. Dafür hat die Stadtspitze das Robert-Koch-Institut um Amtshilfe gebeten, die auch bereits zugesagt sei, bestätigte Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) am Dienstagabend den PNN. 

Dies sei mit dem Corona-Krisenstab des Landes und Landesgesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) sowie mit dem RKI und der Leitung des Bergmann-Klinikums schon seit Montagabend abgestimmt, so Schubert. Er habe am Montagmorgen den Landes-Krisenstab über Auffälligkeiten am Klinikum informiert.

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Wie das Klinikum am Dienstagabend auf PNN-Anfrage mitteilte, waren vier der sieben bisher im Klinikum nach einer Covid-19-Erkrankung gestorbenen Menschen zuvor Patienten der Fachabteilung Geriatrie. Ob sich die Verstorbenen dort mit dem Virus infiziert haben, ist bislang unklar. Alle hatten nach Angaben des Klinikums "erhebliche Vorerkrankungen".  

Tests zeigten 33 Infizierte auf der Geriatrie-Station

Der Krisenstab des Klinikums hatte nach eigenen Angaben am Samstag entschieden, sofort alle rund 500 stationären Patienten auf eine Corona-Infektion zu testen. Das Ergebnis: Bei 33 Personen sei eine Infektion bestätigt worden - dabei handelte es sich laut Klinikum ausschließlich um Patienten der Geriatrie. Diese Patienten seien vor dem Test ohne Symptome gewesen. Sie seien sofort in das so genannte Covid-positiv-Krankenhaus des Klinikums verlegt worden, das seit Montag im Gebäude H eingerichtet sei. 

Ursache für die Patienten-Tests sei gewesen, dass in der Nacht zum Samstag auffällig viele Corona-positive Testergebnisse innerhalb des Klinikums gemeldet worden seien. Getestet wurden bis dahin den Angaben nach nur klinikum-interne Kontaktpersonen von Corona-Infizierten - auch solche, die keine Symptome zeigten. Wie viele Personen aus diesen Gründen getestet und wie viele Infektionen nachgewiesen wurden, teilte das Klinikum nicht mit. Überraschend sei jedoch gewesen, dass die Mehrzahl der so festgestellten Corona-Infizierten keinerlei Symptome aufgewiesen habe.

Der Eingang des Robert Koch-Instituts in Berlin.
Der Eingang des Robert Koch-Instituts in Berlin.

© Carsten Koall/dpa

Wie genau das RKI helfen wird, ist noch unklar

Wie das Virus sich im Klinikum verbreitet hat, könne man bislang nicht dezidiert feststellen, teilte eine Sprecherin am Dienstagabend mit. Mit dem Gesundheitsamt werde "kontinuierlich in enger Abstimmung das Geschehen analysiert". Hierbei soll die Amtshilfe des Robert-Koch-Instituts zum Zuge kommen. Wie diese genau aussehen soll, sei Entscheidung des RKI, sagte Oberbürgermeister Schubert.  Er betonte, das Klinikum habe angesichts der Lage verantwortungsvoll gehandelt. Es sei angesichts von Ereignissen wie in Würzburg und Wolfsburg, wo sich das Virus in Pflegeeinrichtungen ausgebreitet hatte und zahlreiche alte Menschen starben, sehr wichtig, unverzüglich zu handeln.

Brandenburgs Gesundheitsministerin Nonnemacher, die die Einschaltung des RKI in Potsdam am Dienstag zuerst bestätigt hatte, sagte am Nachmittag, der Krisenstab des Landes sei informiert und deshalb auch mit dem Problem im Bergmann-Klinikum befasst. Bereits am Montag habe das Gesundheitsministerium der Landeshauptstadt empfohlen, die Bundesbehörde Robert-Koch-Institut einzuschalten, was Potsdam getan habe. "Wir haben als Land das Ersuchen unterstützt", sagte Nonnemacher. "Wir haben auch der Landeshauptstadt jegliche Unterstützung zugesagt."

Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen).
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen).

© Soeren Stache/dpa

Nonnemacher hatte für Dienstagnachmittag einen präzisen Bericht der Landeshauptstadt über das Ausmaß des Problems im kommunalen Bergmann-Klinikum erwartet. Die Ministerin betonte, Krankenhäuser gehörten zu den am meisten gefährdeten Orten bei der Verbreitung des Virus. Eine Schuld-Debatte gelte es zu vermeiden. Die Lage am Potsdamer Klinikum nehme das Gesundheitsministerium jedoch sehr ernst; es handele sich schließlich um das größte Schwerpunkt-Krankenhaus des Landes, das über Potsdam hinaus Bedeutung habe.

Seit Montag drei weitere Tote im Bergmann-Klinikum

Der Ernst der Lage wurde am Dienstag nochmals deutlicher: Wie die Stadt mitteilte, sind seit Montag im Bergmann-Klinikum drei weitere Menschen an der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben.  Die Zahl der in Potsdam an den Folgen des Virus Verstorbenen erhöht sich damit auf insgesamt neun. Wie berichtet waren in den vergangenen Tagen vier männliche Potsdamer im Alter von 78, 80, 88 und 98 Jahren nach einer Covid-19-Erkrankung gestorben. Auch aus dem St. Josefs Krankenhaus waren am Montag zwei Todesfälle gemeldet worden, beide Verstorbene stammten aus Potsdam-Mittelmark. Damit sind bis auf zwei Ausnahme im Landkreis Oberhavel und Elbe-Elster bislang alle Brandenburger Corona-Todesfälle in Potsdam zu verzeichnen.

Das Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum kämpft mit Corona-Infektionen im Haus. 
Das Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum kämpft mit Corona-Infektionen im Haus. 

© Ottmar Winter

Die derzeit im Vergleich hohe Zahl der Todesopfer in Potsdam hatte für Besorgnis gesorgt. So meldet Berlin (Stand Dienstagabend) derzeit 13 Tote, die Großstädte Hamburg und München sieben und fünf – da erscheinen die bislang neun Todesfälle in Potsdam viel. Und die Zahl könnte weiter steigen:  Aus Rathauskreisen hatte es am Montag geheißen, im Klinikum kämpften zehn Menschen in intensiv medizinischer Behandlung um ihr Leben.

Warum die Zahl der Toten in Potsdam im Vergleich aktuell besonders hoch ist, bleibt unklar. „Konkrete Gründe“ könne das Gesundheitsamt nicht nennen, man ermittle aber „fortlaufend zum Infektionsgeschehen“, sagte die Rathaussprecherin. Die Stadt sei auf einen weiteren Anstieg von Todesfällen vorbereitet: Sowohl Kühlkapazitäten als auch Kapazitäten im Krematorium seien vorhanden, um eine mögliche Verschärfung der Situation zu bewältigen, so die Sprecherin.

Mitarbeitender der Klinikum-Psychiatrie infiziert

Die Stadt bestätigte am Dienstag auf PNN-Anfrage, dass es auch am Babelsberger Standort In der Aue des Bergmann-Klinikums – dort ist die Psychiatrie angesiedelt – einen Corona-Infizierten gibt. Betroffen sei ein Mitarbeitender. Die Ermittlungen zu Kontaktpersonen seien aufgenommen worden, seien aber noch nicht abgeschlossen. Auch hier könne die Amtshilfe des RKI zum Zuge kommen, weil der Standort formal zum Klinikum gehöre. Das Klinikum selbst gab dazu die Auskunft, dass es am Standort In der Aue keine positiv getesteten Patienten gebe. Bevor Patienten von dort in eine Pflegeeinrichtung entlassen würden, würden sie auf Corona getestet und nur bei negativem Ergebnis entlassen. 

Das Klinikum hatte bereits Montagnacht dazu informiert, dass seit dem Wochenende auch ein Großteil der Mitarbeiter getestet worden sei. Wegen des größten Risikos war zuerst Personal der Notaufnahme, von Intensivstationen und der Infektiologie dran.  Positiv getestete Mitarbeiter würden in die häusliche Quarantäne geschickt. Wie viele Mitarbeiter infiziert sind, teilte das Klinikum nicht mit.

Klinikum verschärft Besucherregelung weiter

Das Bergmann-Klinikum kündigte Dienstagabend außerdem an, ab Mittwoch den Zugang zum Klinikumgebäude erneut stark einzuschränken sowie das generelle Besuchsverbot zu kontrollieren. Der Zutritt ins Klinikum werde nur noch über die Kindernotaufnahme und den Haupteingang möglich sein. Alle Eingänge würden bis auf Widerruf abgeschlossen. So könne sichergestellt werden, dass nur noch Mitarbeiter, beauftragte Fremdfirmen, bestellte Patienten und zugelassene Besucher Zugang haben. Besucht werden dürfen nur Schwerstkranke und Kinder unter 16 Jahren - dazu gehören auch Neugeborene - ein Mal am Tag für eine Stunde. Der Zutritt werde durch Wachschutz kontrolliert und erfolge nur nach vorheriger Anmeldung über die jeweilige Station. Notfallpatienten würden über die Notaufnahmen aufgenommen und versorgt.

Sieben Neuinfektionen bestätigt

Insgesamt hat sich die Ausbreitung des Coronavirus in Potsdam am Dienstag etwas verlangsamt. Mit Stand 15 Uhr am Nachmittag waren 146 Menschen an der durch das Virus hervorgerufenen Lungenkrankheit Covid-19 erkrankt, sieben mehr als am Vortag.  Unter anderem wegen der drei neuen Todesfälle leicht zurückgegangen ist die Zahl der Infizierten, die stationär im Bergmann-Klinikum oder im St. Josefs-Krankenhaus behandelt werden müssen – von 61 am Montag auf 56 am Dienstag, 53 davon befinden sich im Bergmann-Klinikum. Zwei Patienten konnten nach Rathausangaben als geheilt aus dem kommunalen Krankenhaus entlassen werden.  Zwölf der 56 stationären Patienten liegen auf der Intensivstation, elf davon im Bergmann-Klinikum, einer im St. Josefs-Krankenhaus. Die Bergmann-Patienten müssen zudem allesamt künstlich beatmet werden. Unverändert befinden sich rund 600 Potsdamer in häuslicher Quarantäne, weil sie in direktem Kontakt mit einem Infizierten standen.

Eines der Hauptthemen im Potsdamer Krisenstab war am Dienstag die Schutzausrüstung. Die Bedarfe seien ausgewertet und ein Verteilschlüssel als Grundlage für Bestellungen erarbeitet worden, hieß es. Am Dienstagnachmittag nahm Oberbürgermeister Mike Schubert von Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) 30 Kisten mit Schutzausrüstung entgegen, die von Brandenburger Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Potsdam, Großbeeren und Zeuthen gespendet worden waren. Die Lieferung enthält laut Rathaus Desinfektionsmittel, Schutzanzüge, Kittel, Handschuhe und 800 Atemschutzmasken. Die Schutzausrüstung werde dringend benötigt, sagte Schubert. Jedoch stellten Spenden „nur einen Baustein in unserer Materialbeschaffung“ dar. Der Rathauschef appellierte erneut an Bund und Land, die Versorgung der Städte, Gemeinden und Landkreise mit Schutzausrüstung sicherzustellen. Allein könnten diese das Material nicht beschaffen. 

Corona-Teströhrchen.
Corona-Teströhrchen.

© Daniel Bockwoldt/dpa (Symbolbild)

Stadt plant keine Maskenpflicht

Eine generelle Pflicht, einen Mundschutz zu tragen, wie es die thüringische Stadt Jena plant, sei in Potsdam „nach derzeitigem Stand“ nicht vorgesehen, sagte die Rathaussprecherin. Das Gesundheitsamt empfehle, beim Tragen von selbst angefertigten Masken „mindestens den Standard des Entwurfs von Essen“ anzulegen. Die Stadt Essen hatte zum Schutz ihrer Bürger eine Nähanleitung für Masken veröffentlicht. Diese Masken seien allerdings nur ein Behelf, so die Sprecherin. Sie dienten vor allem dem Schutz des Gegenübers vor einer Infektion, nicht des Trägers.

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