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Klinik Ebersbach: "Niemand spricht vom Zumachen"

Klinikum-Geschäftsführer Steffen Thiele zum Millionen-Defizit des KOB, einer schwierigen Personalsituation und dem Zwang zu effizienteren Strukturen.

Von Jana Ulbrich
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Steffen Thiele ist Geschäftsführer des Klinikums Oberlausitzer Bergland mit den beiden Krankenhaus-Standorten in Zittau und Ebersbach.
Steffen Thiele ist Geschäftsführer des Klinikums Oberlausitzer Bergland mit den beiden Krankenhaus-Standorten in Zittau und Ebersbach. © Matthias Weber/photoweber.de

Die Wogen schlagen hoch im Süden des Kreises Görlitz: Seit bekannt geworden ist, dass der Landkreis massive Einschnitte an den Kreiskrankenhäusern plant, ist im Oberland die Verunsicherung groß. Soll das Krankenhaus in Ebersbach nur noch eine Klinik für ambulante Operationen werden? Soll es keine Betten-Stationen und keinen Kreißsaal mehr geben? Ober bleibt der Kreißsaal doch, wie Steffen Thiele, Geschäftsführer des Klinikums Oberlausitzer Bergland (KOB), in einer am Mittwoch versendeten Pressemitteilung betont? Die SZ hat ihn gefragt, was dran ist an den Plänen.

Herr Thiele, wie denn nun? Jetzt sagen Sie: Der Kreißsaal steht nicht in Frage. Das steht doch aber so im Konzept des Landkreises zu den geplanten Strukturveränderungen bei den Kreiskrankenhäusern.

Niemand hat gesagt, die Geburtshilfe in Ebersbach wird geschlossen. Im Moment haben wir dafür keine Veranlassung. Wir müssen jedoch akzeptieren, dass die Welt sich verändert und dass sich die Rahmenbedingungen ändern. Dem müssen wir uns stellen. Es spricht niemand vom Zumachen. Unser Ziel ist es, beide Krankenhausstandorte in Zittau und in Ebersbach zu erhalten. Es geht jetzt darum, wie das gelingt.

Der Deutsche Städtetag warnt vor einem Kliniksterben. Jedes fünfte Krankenhaus sei insolvenzgefährdet, heißt es. Das KOB auch?

Nein, so weit ist es nicht. Aber damit das auch perspektivisch so bleibt, müssen wir jetzt unsere Hausaufgaben machen und die Strukturen anpassen. Das finanzielle Defizit wird größer werden.

Sie hatten schon für 2022 ein Millionen-Defizit befürchtet.

Ja. Der Jahresabschluss ist zwar noch nicht fertig, ich kann aber schon sagen: Der Fehlbetrag wird diesmal tatsächlich siebenstellig sein. Einen Verlust in dieser Größenordnung hat es noch nie gegeben. 2021 war das Defizit schon hoch, da lagen wir bei 700.000-Euro-Verlust. Das zeigt auch, dass die staatliche Unterstützung in der Corona-Pandemie für uns als Regelversorger nicht ausgereicht hat. Die Entwicklung zeigt aber auch, dass wir absehbar weiterhin hohe Verluste schreiben werden, wenn wir so weitermachen wie bisher.

Und deshalb muss das Krankenhaus in Ebersbach jetzt umstrukturiert werden?

Die finanzielle Situation ist ein Grund dafür, allerdings nicht der einzige. Natürlich ist ein Krankenhaus ein Unternehmen, das wirtschaftlich geführt werden muss. Aber das KOB ist ein kommunales Unternehmen, da steht Geld nicht an alleiniger Stelle, da geht es immer auch um die Versorgungssicherheit.

Aber gerade die Versorgungssicherheit sehen viele im Oberland doch gefährdet, wenn die Pläne des Landkreises umgesetzt werden.

Nochmal: Wir haben nicht vor, den Standort in Ebersbach zu schließen. Wir müssen uns dennoch der Herausforderung stellen, dass wir nicht mehr so weiterarbeiten können wie bisher.

Warum nicht?

Durch verschiedene Faktoren wie etwa die Bevölkerungsentwicklung und bedingt durch die gesundheitspolitischen Rahmenvorgaben sehen wir immer weniger stationäre Patienten in unseren Kliniken. Das hat Einfluss auf die Erlössituation. Unabhängig vom Problem der künftigen Finanzierung haben wir auch nicht mehr genügend Mitarbeiter, um an beiden Standorten - in Zittau und Ebersbach - weiterhin in Doppelstruktur an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden täglich alle Bereiche wie bisher abdecken zu können. Uns fehlt schon jetzt Personal, nicht nur Pflegekräfte, auch Ärzte und Assistenzberufe wie etwa Radiologie-Assistenten. Diese Situation wird sich weiter zuspitzen. Schon jetzt ist absehbar, dass in den nächsten Jahren viele Kollegen in den verdienten Ruhestand gehen werden. Ob alle ersetzt werden können, ist sehr fraglich. Das ist im Übrigen nicht nur in unserer Region ein Problem. Davon sind auch Großstädte betroffen. Wir haben wegen der rückläufigen Patientenentwicklung und der Personalsituation aktuell eine Station in Zittau und zwei Stationen in Ebersbach nicht in Betrieb.

Was wäre denn die Lösung?

Genau diese Frage wollen wir uns jetzt stellen. Wir werden in aller Ruhe und Sachlichkeit, aber auch konsequent, mit allen Beteiligten diskutieren und alle Möglichkeiten ausloten. Wir werden dabei über alle Fachbereiche reden: über die Chirurgie, die Gynäkologie, die Innere Medizin. Unser Ziel muss es sein, die Standorte zu erhalten - aber leistungsfähig und qualifiziert. Wir müssen eine Struktur finden, wie das gehen kann. Ein ambulantes OP-Zentrum wäre beispielsweise eine Option für die Zukunft. Die Krankenhausfinanzierung ändert sich aktuell. Für die nächsten drei Jahre ist durch den Gesetzgeber ein klarer Wechsel von stationär zu ambulant vorgesehen. Patienten mit Operationen, die aktuell über Nacht im Krankenhaus bleiben, werden deutlich weniger. Bleiben die Patienten dennoch über Nacht, bedarf es einer medizinischen Stellungnahme des Krankenhauses, diesen stationären Aufenthalt zu begründen. Und wenn diese Begründung einer Prüfung nicht standhält, gibt es überhaupt kein Geld.

Kann denn wirklich so viel ambulant operiert werden, dass sich das lohnt?

In den aktuellen Strukturen, nein. Die Organisation werden wir anpassen müssen. Die Entwicklung in den Kliniken geht aber weiter in Richtung "ambulant vor stationär". Die Aufenthaltsdauer der Patienten im Krankenhaus wird immer kürzer. Die Fortschritte in der Medizin machen das möglich. Zudem sinken die Patientenzahlen auch insgesamt. Wir hatten in den Jahren vor der Corona-Pandemie zwischen 21.000 und 22.000 stationäre Patienten, im Jahr 2022 hatten wir 16.000. Und wie schon gesagt: Auch der finanzielle Druck wird größer. Das Gesundheitswesen ist extrem teuer geworden, da sucht auch der Bund nach Wegen, die Gesamtkosten zu senken.

Der Bund plant doch eine große Reform der Krankenhaus-Vergütung. Wollen Sie die nicht erstmal abwarten?

Prinzipiell ja, die Frage ist, wie lange wir in Anbetracht der aktuellen Herausforderungen warten können. Ich denke, hier wird noch einige Zeit ins Land gehen. Nach allem, was jetzt schon bekannt ist, wird uns diese Reform aber nur teilweise helfen. Gerade kleinere Häuser werden zunehmend unter Druck geraten. Es wird auch Qualitäts- und Leistungsvorgaben geben, die Häuser wie Ebersbach und Zittau möglicherweise gar nicht erfüllen können.

Was sind das für Vorgaben?

Es sollen zum Beispiel bundeseinheitliche Versorgungslevel in die Krankenhausplanung eingeführt werden. Ein Haus muss dann beispielsweise, um eine bestimmte Operation durchführen zu dürfen, nachweisen, dass es diese OP schon soundso viele Male gemacht hat. Am Ende ist eine weitere Zentralisierung und Bündelung der Leistungsgruppen zu erwarten. Das ist zwar alles noch offen. Aber die Tendenz ist erkennbar. Fakt ist, dass sich die Voraussetzungen in den nächsten Jahren deutlich verändern werden. Dem muss man sich stellen. Ein Beharren auf den bisherigen Strukturen ist dabei aus meiner Sicht wenig hilfreich.