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Defizit schon bei 380 Millionen Euro Kassen wollen mehr Tempo bei Krankenhausreform

Intensivpfleger Sebastian arbeitet in einer Schutzausrüstung in einem Krankenhaus. Der Patient liegt im künstlichen Koma und wird beatmet.

Intensivpfleger Sebastian arbeitet in einer Schutzausrüstung in einem Krankenhaus. Der Patient liegt im künstlichen Koma und wird beatmet.

Nietfeld/dpa

Hannover - Knapp 380 Millionen Euro beträgt das finanzielle Defizit aller 163 niedersächsischen Krankenhäuser. Diese Summe weist die „Defizit-Uhr“ der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG) aus. Als „dramatisch“ bezeichnet NKG-Vorsitzender Hans-Heinrich Aldag die Situation der Kliniken. Ähnlich sieht Dirk Engelmann, Leiter der niedersächsischen Landesvertretung der Techniker-Krankenkasse (TK), die Situation. „Es ist fünf vor zwölf.“ Die stationäre Versorgung drohe vor die Wand zu fahren. Es drohe eine „ungeplante Schließungswelle“.

Vor diesem Hintergrund wird eine bundesweite Krankenhausreform diskutiert.

Wie finanzieren sich die Krankenhäuser aktuell ?

Für die Investitionen sind die Länder zuständig. Die laufenden Betriebskosten werden über „Fallpauschalen“ (DRGs) finanziert. Hier kommt das Geld von den Kostenträgern, also den Krankenkassen. Die Pauschalen haben dazu geführt, dass die Krankenhausaufenthalte tendenziell kürzer sind. Seit 2016 – also noch vor der Corona-Pandemie – stagniert die Zahl der Behandlungen nach diesem System.

Warum gibt es Kritik an den Fallpauschalen ?

Sie bieten den Kliniken einen finanziellen Anreiz, bestimmte Fälle zu steigern. So gelten manche Behandlungen als besonders lukrativ, beispielsweise Hüft- oder Knie-Operationen. Große Kliniken dagegen sehen sich wegen ihrer hohen Vorhaltekosten durch die Fallpauschalen benachteiligt. Hinzu kommen nun Inflation, Fachkräftemangel und mehr.

Wie soll die Finanzierung der Zukunft aussehen ?

Die Fallpauschalen sollen nur noch teilweise zur Finanzierung herangezogen werden. Eine Kommission auf Bundesebene schlägt vor, künftig bis zu 128 Leistungsgruppen zu definieren. Etwa 60 Prozent der Vergütung sollen die Krankenhäuser als „Vorhaltekosten“ erhalten. Dabei handelt es sich um Fixkosten, die entstehen, wenn die Kliniken bestimmtes Personal oder Geräte vorhalten. Das ist vor allem für kleine Häuser in ländlichen Regionen wichtig. Ihnen würde der Druck genommen.

Wo steht Niedersachsen in diesem Prozess ?

Niedersachsen hat mit dem neuen Krankenhausgesetz (NKHG) bereits einen rechtlichen Rahmen geschaffen. Das Land wird in acht Versorgungsregionen eingeteilt. Je nach Leistungsportfolio werden die Kliniken in drei Versorgungsstufen eingeteilt: Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung, Schwerpunktversorger sowie Maximalversorger. Der Bund will die Systematik übernehmen und fünf Level einführen. Das Land darf künftig Kliniken schließen, wenn dort mehr als drei Monate lang kein Betrieb stattgefunden hat. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet bis Sommer 2023 die Ausgestaltung konkreter Eckpunkte der Krankenhausreform. Die Krankenhausreform dann in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts umgesetzt werden.

Was beurteilen die Krankenkassen die Pläne ?

Bund und Länder sollten den Bedarf ermitteln und ein entsprechendes Qualitätsniveau bei der stationären Versorgung verankern, so TK-Landeschef Engelmann. Es gelte der Grundsatz: erst planen, dann finanzieren. Um die Investitionen von rund 3 Milliarden Euro zu stemmen, sei ein Fonds sinnvoll. Die Kassen warnen vor Doppelstrukturen: Nicht alle Krankenhäuser in einer Region könnten die gleichen Leistungen anbieten. Die Umwandlung von kleinen Kliniken in ambulante Regionale Gesundheitszentren (RGZ) bleibe eine Option. Engelmann fordert das Land auf, die Reform des Bundes zu unterstützen und die Investitionen zu erhöhen. Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi (SPD) lädt alle Akteure des Gesundheitswesens für diesen Freitag zu einem landesweiten „Zukunftsdialog Krankenhausreform“ nach Hannover ein.

Stefan Idel
Stefan Idel Landespolitischer Korrespondent
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