Gesundheitswesen 2019; 81(03): 227
DOI: 10.1055/s-0039-1679257
Vorträge
Fachausschuss GBE und Prävention
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Regionale Unterschiede in der Verwendung nicht-informativer ICD-Kodes bei kardiovaskulären Todesfällen

S Stolpe
1   Uniklinikum Essen, Zentrum für klinische Epidemiologie am Institut für med. Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Essen, Germany
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Publication Date:
05 April 2019 (online)

 
 

    Einleitung:

    Erkrankungsspezifische Mortalitätsdaten sind wichtige Indikatoren der Bevölkerungsgesundheit und der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens. Die Reliabilität von Mortalitätsdaten wird von der WHO u.a. anhand des Anteils nicht-informativer Kodes an allen für die Todesursachenkodierung verwendeten ICD-10-Kodes geschätzt. Die meisten dieser nicht-informativen ICD-Kodes gehören zu den kardiovaskulären Erkrankungen (I00-I99). Im Vortrag soll gezeigt werden, wie groß regionale (national und international) Unterschiede in der Verwendung nicht-informativer Kodierungen bei kardiovaskulären Todesfällen sind und inwieweit dies die Aussagekraft regionaler Mortalitätsvergleiche beeinflusst. Methoden:

    Für den regionalen Vergleich in Deutschland wurden die kardiovaskulärer Todesfälle (I00-I99) für die Jahre 2000 – 2015 von GBE-Bund (www.gbe-bund.de) geladen. Für den europäischen Vergleich wurden Daten der European Detailed Mortality Database für die Jahre 2000 – 2013 verwendet. Die nicht-informativen ICD-Kodes wurden für den internationalen Vergleich drei-stellig, für den nationalen Vergleich 4-stellig nach Veröffentlichungen der WHO identifiziert. Ergebnisse:

    Der am häufigsten verwendete nicht-informative ICD-Kode bei kardiovaskulären Todesfällen ist I50 (Herzinsuffizienz). Herzinsuffizienz als Todesursache liegt in Deutschland an dritter Stelle aller Todesursachen. Zwischen den Bundesländern sind deutliche regionale Unterschiede in der Verwendung nicht-informativer Kodes bei kardiovaskulären Todesfällen zu erkennen. Der Anteil nicht-informativer Kodierungen ist abhängig von Todesjahr, Geschlecht und Alter des Verstorbenen. 2015 betrug der Anteil nicht-informativer Kodes bei kardiovaskulären Todesfällen in NRW 30% (2000: 27%), in Hessen 16% (2000: 23%) und in Sachsen nur 13% (2000: 13%). Kardiovaskuläre Todesfälle bei Frauen wurden in allen Bundesländern über alle Altersgruppen häufger mit nicht-informativen ICD-10-Kodes kodiert als bei Männern (insgesamt: 21% vs. 17%). Der Anteil nicht-informativer Kodes ist ebenfalls größer bei Verstorbenen im Alter von 45 – 55 Jahre bzw. > 90 Jahre. Auch im europäischen Vergleich variiert der Anteil nicht-informativer Kodes bei kardiovaskulären Todesfällen variiert stark. Er betrug 2013 zwischen 4% (FI) und 27% (NL). Zeitliche Trends von 2000 – 2013 sind landesspezifisch verschieden. Die Geschlechts-und Altersabhängigkeit in der Verwendung nicht-informativer Kodes lässt sich in allen europäischen Ländern zeigen.

    Diskussion:

    Unterschiede in der Kodierpraxis innerhalb Deutschlands und in Europa beeinflussen die Höhe erkrankungsspezifischer kardiovaskulärer Mortalitätsraten. Die Wahrscheinlichkeit der Nutzung nicht-informativer Kodes ist abhängig von Zeit, Geschlecht und Alter eines Verstorbenen und beeinflusst die Validität der Mortalitätsstatistik. Es ist zu überlegen, ob zum Vergleich der Mortalitätsraten zwischen Regionen und Ländern Methoden zur Korrektur von Misklassifikationen eingesetzt werden sollten.

    Literatur:

    [1] WHO methods and data sources for global causes of death 2000 – 2011. WHO. Global Health Estimates Technical Paper WHO/HIS/GHE/2013.3

    [2] Mathers CD et al. The Burden of Disease and Mortality by Condition: Data, Methods and Results for 2001. In: Lopez et al. editors. Global Burden of Disease and Risk Factors. Washington (DC): World Bank; 2006. Chapter 3.

    [3] Lozano R et al. Global and regional mortality from 235 causes of death for 20 age groups in 1990 and 2010: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2010. Lancet 2012.

    [4] Naghavi M et al. Algorithms for enhancing public health utility of national causes-of-death data. Population Health Metrics 2010, 8:9.


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