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Bluttransfusion nur stationär in Kassel: Wegen einer Formalie tagelang ins Krankenhaus

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Zwei bis drei Tage ins Krankenhaus, nur wegen einer Bluttransfusion: Das ist in Nordhessen Realität. Grund ist wohl ein Fehler in den Formalien.

Kassel – Wer eine Bluttransfusion benötigt, muss in Nordhessen nun zwei bis drei Tage stationär in eine Klinik. Grund ist der Wegfall eines transfusionsmedizinischen Sitzes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH), der beim DRK-Blutspendedienst in Kassel angesiedelt war.

Vor allem Krebserkrankten fehlen oft rote Blutkörperchen oder Blutplättchen. Sie benötigen deshalb oft eine Bluttransfusion. Dafür müssen sie in Nordhessen seit einiger Zeit stationär ins Krankenhaus.
Vor allem Krebserkrankten fehlen oft rote Blutkörperchen oder Blutplättchen. Sie benötigen deshalb oft eine Bluttransfusion. Dafür müssen sie in Nordhessen seit einiger Zeit stationär ins Krankenhaus. © Sina Schuldt/dpa

Ein Fehler in den Formalien habe nun zur Folge, dass eine Bluttransfusion nicht mehr – wie bislang üblich – ambulant in einer Praxis verabreicht werden kann. Vor allem für Krebserkrankte sei die Situation extrem belastend, melden Mediziner.

Stationärer Aufenthalt wegen Bluttransfusion in Nordhessen

„Für die Patienten kommt das noch obendrauf. Sie sind durch ihre Krankheit und die Therapie ohnehin schon gebeutelt“, sagt Dr. Sebastian Schlott vom Hämato-Onkologischen Zentrum an der Goethestraße in Kassel.

Bei Menschen mit Krebserkrankungen seien durch Nebenwirkungen häufiger Bluttransfusionen notwendig. Den Betroffenen fehlen rote Blutkörperchen oder Blutplättchen. In der Region betrifft das etwa 500 bis 600 schwer kranke Menschen.

Krankenhäusern droht Strafe

Wenn Kliniken Menschen stationär für eine Bluttransfusion behandeln, erwartet sie mitunter eine Strafe. Denn für den Medizinischen Dienst – das ist der Beratungs- und Begutachtungsdienst der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung – handelt es sich dabei um eine Fehlbelegung. Die Bettenbelegung gilt eigentlich als nicht notwendig, da die Behandlung ambulant erfolgen müsste.

Vor der Transfusion muss zunächst eine Blutgruppenbestimmung und eine Verträglichkeitsprüfung der zu vergebenden Blutkonserven erfolgen. „Wir haben bislang eine Blutprobe der Patienten an den Blutspendedienst geschickt. Dort wurde diese untersucht. Die Transfusion haben wir dann in der Praxis ambulant durchführen können“, sagt Schlott.

Bereits seit einigen Monaten funktioniert das so jedoch nicht mehr. „Durch einen fraglichen Formfehler bei der Nachbesetzung ist der Sitz weggefallen. Laut Kassenärztlicher Vereinigung besteht im Fachgebiet Transfusionsmedizin eine Überversorgung in Hessen“, sagt Dr. Andreas Opitz, Ärztlicher Leiter des DRK-Blutspendedienstes in Kassel.

Bluttransfusion in Nordhessen: Zwei bis drei Tage Aufenthalt im Krankenhaus

Die restlichen Sitze sind jedoch in Mittel- und Südhessen angesiedelt. Die Blutproben aus der Region müssten für die Untersuchung etwa nach Frankfurt transportiert werden. Das jedoch zeitlich und finanziell zu stemmen, sei unverhältnismäßig, sagt der Ärztliche Leiter.

Ein Sprecher der KVH sagt: „Wir wissen um die Situation vor Ort, und natürlich ist diese nicht gut. Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung, um die Umstände schnellstmöglich zu verbessern.“

Genauere Details kann die KVH aber noch nicht nennen, heißt es. „Aufgrund der unbefriedigenden Situation für die Patienten haben wir einen Antrag auf Sonderbedarfszulassung für Kassel bei der KV gestellt“, sagt Opitz. Vermutlich werde erst Ende Februar darüber entschieden.

Krebskranke benötigen sie teils wöchentlich

Von dem Problem betroffen sind in der Region Nordhessen etwa 500 bis 600 Patienten. „Das klingt erstmal nicht viel. Aber diese Menschen sind schwer krank. Und die ständigen stationären Besuche im Krankenhaus mindern ihre Lebensqualität noch weiter“, sagt Dr. Andreas Opitz, Ärztlicher Leiter des DRK-Blutspendedienstes in Kassel.

Dr. Sebastian Schlott vom Hämato-Onkologischen Zentrum an der Goethestraße in Kassel fügt hinzu: „Es gibt vereinzelt Patienten, bei denen sind wöchentlich Blutkonservengaben erforderlich. Sie müssen also jetzt jede Woche zwei bis drei Tage ins Krankenhaus. Das ist selten, aber es kommt vor.“

Einige Betroffene haben schon an ihre Krankenkassen geschrieben und sich beschwert, sagt Schlott: „Für viele von ihnen ist das aber eine deutliche zusätzliche Belastung, die wir unseren Patienten gerne ersparen würden.“

Weil die Versorgung im Fachgebiet Transfusionsmedizin als überversorgt in Hessen gilt, sei auf eine erneute Ausschreibung des weggefalllenen Sitzes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) verzichtet worden.

Das sagt die KV Hessen

Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) arbeite „mit Hochdruck an einer Lösung, um die Umstände schnellstmöglich zu verbessern“, sagt ein Sprecher. Man sei auf einem guten Weg und optimistisch für die nahe Zukunft: „Wir bitten allerdings um Verständnis, dass wir noch nicht konkreter sein können, da es noch Details zu klären gibt.“ Wichtig sei der KVH zu betonen, dass sie selbst nicht für den Wegfall des Sitzes, beziehungsweise die Nicht-Nachbesetzung verantwortlich sei. „Ursächlich ist eine Bundesgesetzgebung“, sagt der Sprecher.

Der Sitz ging damit verloren, sagt Opitz. Die übrigen KV-Sitze sind allerdings in Mittel- und Südhessen angesiedelt – ein Problem für die Region Nordhessen.

Es habe schon mehrere Kontaktversuche zur KVH gegeben, um auf die Unterversorgung in der Region Kassel hinzuweisen. Schlott und seine Kolleginnen und Kollegen haben bislang allerdings keine Antwort bekommen, heißt es. Opitz hat nun einen Antrag auf Sonderbedarfszulassung bei der KVH gestellt. Eine Entscheidung steht noch aus.

Stationäre Behandlung mit Bluttransfusionen kann Strafe nach sich ziehen

Die umliegenden Krankenhäuser haben durch den Wegfall der ambulanten Versorgung in der Transfusionsmedizin einen größeren Aufwand. Sie behandeln nun die Patientinnen und Patienten stationär für eine Bluttransfusion.

Noch dazu laufen sie Gefahr, vom Medizinischen Dienst eine Strafe zu bekommen. Das stationäre Behandeln für Bluttransfusionen gilt als Fehlbelegung.

Dennoch behandeln die Häuser die Betroffenen, da es akuell im Umkreis schlicht nicht anders funktioniert. „Wir bedauern, dass die ambulante Leistung aktuell nicht vergütet wird und hoffen auf eine schnelle Lösung im Sinne aller betroffenen Patientinnen und Patienten“, sagt etwa Sabine Nixdorf, Sprecherin des Klinikums Kassel. (Anna Weyh)

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