Ingolstadt
"Der Patient steht an erster Stelle"

Klinikum ersetzt Gleitzeit durch feste Arbeitszeiten - und stößt damit auch auf Kritik

25.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:10 Uhr
Schön gestaltet wurden der Empfang am Klinikum - im Bild Mitarbeiterin Claudia Wille. Doch es gibt auch bei den Dienstzeiten Neuerungen: statt Gleitzeit feste Arbeitszeiten. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Die flexiblen Arbeitszeitmodelle am Ingolstädter Klinikum, das unter anderem ein Lebensarbeitszeitkonto anbietet, sind in der Vergangenheit vielfach ausgezeichnet worden.

Doch die unter anderem angebotene Gleitzeit hat auch Schattenseiten. Seit 1. Oktober gilt deshalb am Klinikum, mit rund 3000 Beschäftigten einem der größten Arbeitgeber in Ingolstadt, eine neue Betriebsvereinbarung. Danach wird in den patientennahen Bereichen wie den ärztlichen und pflegerischen Diensten die Gleitzeit durch feste Arbeitszeiten ersetzt. Die Dienste würden dadurch "verlässlicher und planbarer", so Klinikums-Sprecherin Katja Vogel auf Nachfrage. Doch es gibt auch Kritik.

In einem internen Schreiben an die beiden Geschäftsführer Monika Röther und Andreas Tiete, die Personalverwaltung und Betriebsratsvorsitzenden Raimund Mayr, das unserer Redaktion vorliegt, bringen Ärzte, Psychologen und Therapeuten des Zentrums für psychische Gesundheit (ZPG) ihren Unmut darüber zum Ausdruck, "dass auch für das ZPG die gleitenden Arbeitszeiten nicht mehr gelten sollen". Viele Kollegen seien darüber verwundert und hätten "weitreichende Bedenken bei der Einführung dienstplanmäßiger Arbeitszeiten". Speziell im Zentrum für psychische Gesundheit sei die Eigenverantwortung der Therapeuten sehr groß, "und so halten wir es sogar für unabdingbar, zeitlich flexibel in unserem sehr intensiven, gesprächsbezogenen und persönlichen Umgang mit Patienten zu bleiben", heißt es in dem mit einer Unterschriftenliste versehenen Schreiben. Gerade in der Psychiatrie, wo es häufig zu unplanbaren Vorfällen und Schwierigkeiten bei Patienten komme, sei man dringend auf Flexibilität angewiesen. "Ein Dienst nach Vorschrift gefährdet das Wohl der Patienten. " Überdies halte man die Einführung starrer Dienstpläne für einen familienunfreundlichen Rückschritt. Das Schreiben ist auch von Mitarbeitern der Neurologie und Inneren Medizin unterzeichnet worden.

Für die Kritik hat Betriebsratsvorsitzender Raimund Mayr nur eine Erklärung: "Wir haben die Mitarbeiter zu wenig informiert. " Tatsächlich sei bereits viele Jahre um die neue Betriebsvereinbarung gerungen worden, mit der, so Mayr, der Mitarbeiterschutz gerade gewährleistet werde. Gegenüber unserer Zeitung geäußerte Bedenken, dass mit der Neuregelung kurzfristig anfallende Überstunden nicht mehr bezahlt würden, weist er zurück. Überstunden könnten auch nachträglich genehmigt werden, so Mayr. "Der Patient steht im Klinikum immer an erster Stelle", betont Vogel. Zum einen sei durch das Schichtsystem geregelt, dass jeder zum Dienstende abgelöst werde, zum anderen sei es in Ausnahmefällen auch möglich, von der festen Arbeitszeit abzuweichen, um die Tätigkeit sorgfältig abschließen zu können. "Selbstverständlich werden in diesen Fällen Überstunden abgegolten. "

An den Betriebsrat und die Geschäftsführung sei von den Mitarbeitern immer wieder der Wunsch nach verlässlicheren Diensten herangetragen worden. Zum anderen habe der Betriebsrat bereits 2008 die bestehende Vereinbarung aus dem Jahr 2003 zu den Dienstzeiten gekündigt. "Eine Neuregelung war also auch aus diesem Grund dringend erforderlich", so Vogel. Die neue Betriebsvereinbarung hätten Betriebsrat und Arbeitgeber "gemeinsam in einem sehr konstruktiven Prozess auf den Weg gebracht, um die Arbeitszufriedenheit in Bezug auf die Dienstplangestaltung und die außerplanmäßigen Diensteinsätze zu steigern".

In den patientennahen Bereichen wie den ärztlichen und pflegerischen Diensten wird die Gleitzeit durch feste Arbeitszeiten ersetzt - wie es im überwiegenden Teil der deutschen Kliniken der Fall sei. Die Gleitzeitregelung, bei der zwar der Dienstbeginn geregelt war, nicht aber das Dienstende, habe es gerade für Mitarbeiter mit Kindern oder pflegebedürftige Angehörige schwer gemacht, eine Betreuung zu regeln. Vogel: "Zudem tragen feste Dienstzeiten dazu bei, die Arbeitsprozesse besser strukturieren zu können. Davon profitieren nicht nur die Mitarbeitenden des Klinikums, sondern auch die Patienten. " Die Vereinbarung gilt zwar schon seit 1. Oktober, die Umsetzung habe aber gerade erst begonnen. Auf das Lebensarbeitszeitkonto habe sie keine Auswirkungen.

Über die Dienstzeitenregelung hinaus gibt es noch andere Veränderungen am größten Krankenhaus der Region: Zum Jahresende verlässt der Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie, Professor Stefan Hosch, das Haus - und nimmt noch einen Oberarzt mit. Die Entscheidung für die Nachbesetzung der Chefarztstelle soll bald fallen. Es gebe "ein exzellentes Beweberfeld" für diese Position.

Zurzeit arbeitet das Haus an einem neuen Leitbild. Dazu ist ein externer Berater im Haus. Möglicherweise daraus folgenden Mutmaßungen, wegen der schlechten Stimmung und anhaltender Probleme unter den Geschäftsführern sei ein Mediator eingeschaltet worden, kann das Klinikum nicht bestätigen.

Ruth Stückle