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Millionen-Minus belastet Klinikum

Zusätzliche Rückstellungen, teurere Bettenhaus-Sanierung und bestehende Verbindlichkeiten lassen das Defizit für 2018 auf bis zu 9 Millionen Euro ansteigen

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Anspruchsvolle Aufgabe: Interims-Vorstand Armin Sülberg (vor einem im Eingansgbereich hängenden Bild der Mitarbeiter) muss sich mit einem stark angestiegenen Minus in der Jahresbilanz des Klinikums Herford beschäftigen. | © Peter Steinert

Anspruchsvolle Aufgabe: Interims-Vorstand Armin Sülberg (vor einem im Eingansgbereich hängenden Bild der Mitarbeiter) muss sich mit einem stark angestiegenen Minus in der Jahresbilanz des Klinikums Herford beschäftigen. | © Peter Steinert

16.05.2019 | 16.05.2019, 19:30

Das Klinikum Herford kränkelt. Der Infekt hat finanzielle Ursachen. Im Wesentlichen werden drei Gründe genannt, warum sich der Verwaltungsrat in seiner Sitzung am 29. Mai mit einem Defizit von bis zu 9 Millionen Euro zu beschäftigen hat.

A: Das laufende Geschäft ist schwieriger geworden, weil der medizinische Dienst der Krankenkassen Rechnungen vermehrt überprüft und deswegen oft unberechtigt Gelder zurückhält. Deswegen muss ein Haus wie das Klinikum Herford Rückstellungen für etwaige Verluste bilden. Die spiegeln sich in der Bilanz wider.

B: Die seit 2011 begonnene Sanierung des 1973 in Betrieb gegangenen Bettenhauses hat sich erheblich verteuert, weil die damals Verantwortlichen auf ein klares Kosten- und Baucontrolling verzichtet haben sollen.

C: Dem Klinikum Herford werden Verbindlichkeiten in Höhe von 88,6 Millionen Euro zugerechnet, obwohl der Vorstand über Jahre eine schwarze Null bilanzierte. In einer Tabelle des Zweckverbandes freigemeinnütziger Krankenhäuser Münsterland & Ostwestfalen (Münster) werden 40 Kliniken nach ihrem Finanzstatus aufgelistet. Herford soll Platz 40 belegen. Es ist der letzte Platz.

Es stehen etliche Investitionen an. Einige davon kurzfristig

Zuletzt hatte Stephan Judick das Haus geleitet. Er trat im Februar 2018 an und verließ Herford laut Klinik-Mitteilung „in gegenseitigem Einvernehmen" Ende März 2019. Zwischendurch hatte er ein Minus von 4,5 Millionen Euro öffentlich gemacht. Was für Wirbel sorgte, stehen doch etliche Investitionen an. Einige davon kurzfristig.

In dieser Situation kommen die Prüfungen der Krankenkassen besonders ungelegen. Aus ihrer Sicht soll jede zweite Rechnung der Krankenhäuser falsch sein. Der mittlerweile als Interims-Vorstand angetretene Armin Sülberg: „Deswegen werden Gelder zurück gehalten. Das betrifft nicht nur Herford, sondern alle Kliniken in Deutschland. Wir haben Prüfquoten von 20 Prozent. Das heißt, die Krankenkassen zahlen teilweise oder gar nicht. Deswegen die Rückstellungen. Das ist ein Liquiditätsthema für alle Akutkrankenhäuser."

Dennoch hält Herford an geplanten Neu- und Umbauten fest. Wie an der Kinder- und Jugendklinik, die zuerst für 22,5 Millionen Euro geplant wurde und die nach Abstrichen 17,5 Millionen Euro kosten und auf der bestehenden Klinik-Apotheke errichtet werden soll. Armin Sülberg: „Eine qualitative Verbesserung für die Kinderklinik halte ich für dringend geboten."

Auch das Schwesternwohnheim steht vor einer Neuausrichtung

Derzeit läuft für den Neubau ein sogenannter Einzelförderantrag. Sülberg: „Ein Förderantrag auf 20 Millionen Euro geht Ende des Monats raus. Wenn es gut läuft, könnte bereits Ende des Jahres eine Antwort, im besten Fall sogar eine Bewilligung vorliegen. Bis das Ergebnis vorliegt, kann nicht mit dem Bau begonnen werden, weil dann eine Förderung nicht mehr möglich wäre."

Vor einer Neuausrichtung steht ebenfalls das Schwesternwohnheim. Doch auch das muss warten, weil das Gebäude mit Büroräumen belegt ist. Landrat Jürgen Müller: „Die Büros benötigen wir, um den Betrieb des Klinikums zu gewährleisten. In dem Moment, wo wir das Gebäude abreißen, müssen wir damit irgendwo bleiben."

Auf der Wunschliste steht zudem ein neues OP-Zentrum, das anstelle der jetzigen Kinder- und Jugendklinik entstehen könnte. Armin Sülberg: „Es sind mehrere Sachen, die Interdependenzen mit sich bringen. Ich würde die Dinge gerne als Gesamtprodukt mit einzelnen Facetten in den gegenseitigen Abhängigkeiten sehen."

Die Entwicklung in Herford wird in Bad Oeynhausen aufmerksam beobachtet

Dazu zählt auch die auf dem Bildungscampus geplante Krankenpflegeschule für die Klinikstandorte Bünde und Herford sowie für das Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) Bad Oeynhausen. Wahrscheinlich ist eine Übergangslösung, weil sich die Schule für 300 Pflegeschüler auf dem Bildungscampus nicht kurzfristig realisieren lässt.

Die Entwicklung in Herford wird am HDZ aufmerksam beobachtet. „Derzeit werden konstruktive Gespräche mit dem Klinikum Herford geführt", bestätigt Thomas Fehnker, stellvertretender Geschäftsführer des HDZ, und verweist auf die Kooperation mit der Akademie für Gesundheitsberufe in Minden als gutes Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit.

In Minden werden im kommenden Jahr insgesamt 20 neue Ausbildungsplätze für das HDZ zur Verfügung stehen. In der Region Herford sei es erklärtes gemeinsames Ziel, die derzeit 15 Ausbildungsplätze, die vertraglich mit dem Krankenhaus Bünde bestehen, zu erweitern und dabei auch die Kinderkrankenpflege als spezielles Ausbildungsprofil zu berücksichtigen. Das HDZ hoffe auf eine baldige Entscheidung zur Standortfrage, so Fehnker.

Nicht nur deswegen stehen die Mitglieder des Verwaltungsrat vor einer Fülle an Aufgaben. Vom drastisch gestiegenen Minus in der Bilanz haben sie schon gehört. Bis zum Wochenende werden ihnen die konkreten Zahlen auch schriftlich vorliegen.