Ohne Folgen: Ein dünnes Dankeschön für Pflegekräfte in der Corona-Krise

Die Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci bedankt sich bei den Pflegekräften. Denen reicht das nicht aus, wie „Kanonenfutter“ hätten sie sich während der Pandemie gefühlt.

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci.
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci.Markus Wächter

Berlin-Es gibt Tage, an denen hat man einfach das Bedürfnis, sich zu bedanken. Also fuhr Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Mittwoch ins Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) nach Marzahn, um „Danke zu sagen“, wie sie sagte.

Einen Dank haben Pflegepersonal und Ärzteschaft ganz bestimmt verdient, betreute das UKB doch während Corona-Krise 78 der insgesamt 1530 Berliner Patienten. 27 zum großen Teil schwer erkrankte Patienten lagen zwischenzeitlich auf der Intensivstation. Heute ist es nur noch einer, und dessen Zustand bessere sich deutlich, hieß es. Nur drei Menschen sind im UKB im Zusammenhang mit Corona gestorben. Klassische Fälle von „nicht an dem Virus, sondern mit dem Virus“ – keiner von ihnen hat je auf der Intensivstation gelegen. Also warum nicht einfach einmal Danke sagen?

„Euren Applaus könnt ihr euch sonst wohin stecken“

Nun ist am Tag des Besuchs der Gesundheitssenatorin in Marzahn ein Buch der Krankenschwester Nina Böhmer aus Brandenburg erschienen: „Euren Applaus könnt ihr euch sonst wohin stecken.“ Es war die Zeit der rasant steigenden Infiziertenzahlen, der Zeit, als an vielen Krankenhäusern in Berlin improvisiert werden musste, weil Personal und Ausrüstung knapp waren. Böhmer arbeitete in dieser Zeit an mehreren Häusern, sah, wie das Personal sich bis zum Anschlag verausgabte, nie wissend, wie groß die Gefahr war, der sich jeder einzelne aussetzte. Alle kannten die Bilder aus Italien, Spanien, Frankreich und der USA, wo das medizinische Personal großen Risiken ausgesetzt war. Man habe sich wie Kanonenfutter gefühlt, schreibt Böhmer.

Gleichzeitig hatte Böhmer noch im Ohr, wie vor Ausbruch der Epidemie im Bundesgesundheitsministerium über Personaluntergrenzen debattiert wurde, was Mehrarbeit für alle bedeutet hätte. Dann kam das Virus, und die Gesellschaft schien zum ersten Mal seit langem wieder den Wert von Pflege und Gesundheit zu schätzen. Und was passierte: Die Menschen standen auf ihre Balkons und klatschten dem Personal Beifall. Wirkliche Unterstützung kam zunächst nicht. Böhmer, der wütenden Heldin, platzte der Kragen. Das Ergebnis ist das Buch.

Ein Pflegedienstleiter einer Station im UKB mochte dem Buchtitel spontan zustimmen. Das Personal möchte Anerkennung, „dass das honoriert wird, was hier geleistet wurde und geleistet wird“, sagte er anlässlich des Senatorinnenbesuchs. Nun müsse sichergestellt werden, dass auch nach Corona ein guter Personalschlüssel gewährleistet werde. Von der Politik habe man da wenig Antworten gehört. Und jetzt klatscht Dilek Kalayci?

„Ich klatsche nicht, ich bin hier“, sagte die Politikerin am Mittwoch in Marzahn robust und durchaus selbstbewusst. Und es habe sich ja auch so viel verbessert, die „Fehler der Vergangenheit“ habe man hinter sich gelassen. So sei „gerade in der Pflege“ inzwischen das Geld da, aber nun fehle es an Personal. Sie habe da einfaches Motto, so Kalayci: „Ausbilden, ausbilden, ausbilden“ und liefert kurz danach noch eine Variante nach: „Nicht jammern, sondern ausbilden!“

In Axel Ekkernkamp hat die Senatorin einen Mitstreiter. Der UKB-Chef sekundierte: „In der Phase der Pandemie gab es die Ökonomie nicht.“ Man habe einmal nicht aufs Geld geschaut, sondern hart daran gearbeitet, Bedürfnisse von Patienten und Personal gleichermaßen zu berücksichtigen. Unter anderem wurde eine improvisierte Klinik-Kita eingerichtet, damit die Eltern weiter Dienst tun konnten auf den Stationen.

Inzwischen sei sein Krankenhaus und auch dank baulicher Veränderungen hervorragend ausgestattet und aufgestellt, sagt Ekkernkamp. Außerdem habe man von der Zusammenarbeit mit der Charité profitiert, mit der man seit einiger Zeit gemeinsam an Studien zur Telemedizin arbeite. Ekkernkamps Fazit: „In vielen Fällen hatten wir natürlich auch einfach Glück. Dennoch kann man sagen, dass man wahrscheinlich an keinem Ort so sicher ist wie hier.“

UKB für weitere Corona-Welle gewappnet

Das UKB sieht sich also für eine mögliche zweite Welle gewappnet. Und dass diese bald kommen könnte, ist das Horrorszenario mancher Ärzte und Politiker beim Anblick von Besuchern der Strände von Mallorca. Auf der liebsten Sonneninsel der Deutschen haben viele Touristen offenbar das Gefühl, Corona sei weit weg. Von Abstand oder Masken keine Spur. Wenn diese Menschen nun zurückkommen, wachse das Risiko einer zweiten Welle hierzulande. So die Befürchtung. Mallorca könne ein zweites Ischgl werden. Und wer kontrolliere eigentlich, dass sich Reisende aus sogenannten Risikogebieten – derzeit zum Beispiel die Türkei, Russland oder die USA – tatsächlich in 14-tägige häusliche Quarantäne begeben und sich bei seinem Gesundheitsamt melden, wie es vorgeschrieben ist?

Dennoch ist Gesundheitssenatorin weiterhin gegen schärfere Einreisebestimmungen. „Eine Quarantäne-Pflicht per Verordnung sollte ausreichen“, sagte sie am Morgen im RBB und bekräftigte das auch am Nachmittag im UKB. Sie appelliere an das Pflichtbewusstsein der Menschen – auch mangels praktischer Alternativen. So wurden die Anfang Juni angeschafften „Aussteigerkarten“, die man noch im Flugzeug ausfüllen konnte, stillschweigend wieder abgeschafft. Es waren einfach zu viele Karten. Kein Gesundheitsamt hätte die Datenflut bewältigen können, so Kalayci. „Das ist illusorisch.“