Fast täglich gibt es Cyberangriffe auf Paderborner Krankenhäuser

Paderborn. Das Digitale erscheint in diesen Tagen vielerorts als die Rettung. Schließlich eröffnen sich bisher ungeahnte Möglichkeiten der Zusammenarbeit, Bildungsangebote werden eingerichtet. Selbst Musiker veranstalten Streaming-basierte Konzerte. Doch Gefahren durch Viren treten nicht nur in der analogen Welt auf. In der Informationstechnik sind sie keine Seltenheit. Nur werden keine Menschen infiziert, sondern die digitale Infrastruktur von Privatpersonen, Unternehmen und öffentlichen Institutionen. Zuletzt haben Hacker die Computersysteme aller Einrichtungen von Schloss Hamborn lahmgelegt. Mit einem Verschlüsslungstrojaner, sogenannter Ransomware, wurden die Systeme blockiert und der Zugriff gesperrt. Für das Entsperren fordern die Erpresser in der Regel hohe Lösegeldsummen, die mittels Kryptowährungen wie beispielsweise Bitcoin bezahlt werden sollen. "Meistens reicht dann ein unbedachter Klick" "Dahinter steckt organisierte Kriminalität, die arbeitsteilig vorgeht", sagt Eric Bodden, der als Professor für Softwaretechnik an der Universität Paderborn tätig ist. Die Sicherheitslücken für solche Angriffe seien unterschiedlich. Sie änderten sich alle paar Monate. "Der übliche Infektionsweg ist der Anhang einer Mail oder ein Link. Meistens reicht dann ein unbedachter Klick", erklärt der Wissenschaftler, der am Heinz-Nixdorf-Institut lehrt und forscht. Besonders heikel sind solche Angriffe, wenn sie auf kritische Infrastrukturen wie den Gesundheitssektor abzielen. Eine Abfrage bei drei Krankenhäusern in Paderborn ergibt, dass alle IT-Abteilungen fast täglich Attacken registrieren. Die Polizei Paderborn hat zudem Kenntnis von einem Ransomware-Angriff auf eine Arztpraxis im Kreis Paderborn in diesem Jahr. Was kann den Angriffen entgegengesetzt werden? "Es ist nicht die Frage, ob man angegriffen wird, sondern was man dem entgegensetzen kann", sagt etwa Dennis Graf, Leiter der Stabsstelle IT-Sicherheit der BBT-Gruppe, zu der das Paderborner Brüderkrankenhaus St. Josef gehört. Jeder, der sich im Internet bewege, werde von Cyberkriminellen beobachtet. Bei einem lohnenden Ziel würden die bösartigen Programmcodes auf den Weg gebracht. "Wir als Krankenhausbetreiber sind davon nicht ausgenommen." Das bestätigt Silvio Große, der als Bereichsleichter IT des St.-Vincenz-Krankenhauses tätig ist. "Auch bei uns haben schon kleine Angriffe verschiedenster Art stattgefunden. Das passiert nahezu täglich." Als Teil der kritischen Infrastruktur "müssen wir besondere Schutzvorkehrungen in allen IT-gestützten Bereichen treffen und einhalten", erklärt Große. Ihm zufolge gebe es bei einem Angriff Verfahren und Regeln, die die Informationssicherheit dauerhaft gewährleisten sollen. Eines stehe dabei im Vordergrund: "Die Versorgung von Patienten hat bei allen Betrachtungen und Maßnahmen absolute Priorität." Wissenschaftler empfiehlt zwei Maßnahmen Im St. Johannisstift beginne der Schutz der IT bereits mit Regelungen für den Mailverkehr. Office-Dokumente, die per Mail von außen kommen, würden etwa nicht zugestellt, da sie schädliche Makroelemente enthalten könnten. Zudem sei der Internetzugriff durch verschiedene Regeln eingeschränkt. Wissenschaftler Bodden sieht zwei Maßnahmen zum Schutz vor Cyber-Attacken als wesentlich an. Zum einen sei es wichtig, Software und Betriebssysteme aktuell zu halten. Das könne schon bei einem einfachen PDF-Reader anfangen. Zum anderen empfiehlt Bodden regelmäßige Backups, damit Daten etwa beim Angriff eines Verschlüsslungstrojaners bereits zuvor gesichert wurden. Schulungen der Mitarbeiter sind verpflichtend In den angefragten Krankenhäusern werden darüber hinaus Mitarbeiter regelmäßig zur Informationssicherheit geschult. Das sei im Rahmen der sogenannten Kritis-Verordnung für kritische Infrastrukturen sogar verpflichtend, wie Silvio Große vom St.-Vincenz-Krankenhaus erläutert. Alle Sicherheitskonzepte seien nur umsetzbar, wenn die Mitarbeiter sie kennen und befolgen, heißt es vom Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn. Nur so sei es möglich, Bedrohungen frühzeitig zu erkennen, abzuwehren und deren potenzielle Folgen erst gar nicht entstehen zu lassen. Wird die Infrastruktur doch mit einem Schadprogramm wie Ransomware infiziert, empfiehlt die Polizei Paderborn, nicht auf die Lösegeldforderungen einzugehen. Die Täter seien kaum zu ermitteln und weitere Angriffe nicht auszuschließen – auch wenn das Geld bezahlt würde. Softwaretechnik-Experte Eric Bodden bestätigt das: "Man incentiviert damit die Täter, es weiter zu versuchen." Wenn niemand etwas zahlt, ist das Geschäftsmodell der Hacker ruiniert, so die Logik. Doch gerade das Aufkommen der Kryptowährungen spielt den Hackern derzeit in die Karten. "Durch Bitcoin gibt es ein vollanonymisiertes Bezahlsystem", erklärt Bodden. Die Rückverfolgung der Täter ist damit zusätzlich erschwert. Vertreter der Einrichtungen von Schloss Hamborn konnten die Forderungen am Ende immerhin runterhandeln: Letztlich zahlten sie 1,7 Bitcoins, was aktuell etwa 11.000 Euro entspricht.

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