Von Sascha Klein

„Ich hoffe, dass die Gesellschafter die Rahmenbedingungen schaffen. Manchmal fehlen nur zwei Prozent.“ Diesen Satz hat Jörg Scharfenberg, Geschäftsführer des Lausitzer Seenland Klinikums Hoyerswerda, eher ironisch in Richtung der Klinikum-Gesellschafter gesagt. Das sind Stadt Hoyerswerda (51 Prozent) und Sana Kliniken AG (49 Prozent). Das war am Freitag vor der Landtagswahl.

Eine Woche später schickt das Lausitzer Seenland Klinikum ein hochoffizielles Statement nach einem bekannt gewordenen Wahlkampf-Flugblatt der AfD. Über dem Pressestatement steht „Richtigstellung“. Wieder Thema: die „zwei Prozent“. Es ist eine Diskussion, die in Hoyerswerda seit Monaten eher hinter verschlossener Tür denn öffentlich geführt wird.

Worum es genau geht

Die Ausgangsposition: Die Stadt Hoyerswerda will ihre Mehrheitsbeteiligung am Lausitzer Seenland Klinikum – derzeit 51 Prozent – abgeben. Es geht um zwei Prozent Anteile. Zwei Prozent, die Kliniken-Multi Sana Kliniken AG in Hoyerswerda (bisher 49 Prozent) vom Minderheits- zum Mehrheitsbeteiligten machen würden.

Die AfD hat diese Diskussion am Samstag vor der Wahl dazu genutzt, mit diesem Thema ins Wahlkampf-Finale zu gehen. Tenor: Durch die Übernahme der Anteile würde Sana am Klinikum Hoyerswerda sparen, so der Vorwurf. Der genaue Wortlaut: „Einsparmaßnahmen auf Kosten der Bürger sind für uns mittlerweile nichts Neues mehr. Nun soll es auch das Klinikum in Hoyerswerda treffen. Geplant ist ein Anteilsverkauf an einen privaten Träger...“

Widerspruch aus dem Klinikum

Dieser Aussage widerspricht Klinikum-Sprecher Gernot Schweitzer im Auftrag des Klinikum-Aufsichtsrates jetzt vehement: „Es handelt sich nicht um Einsparmaßnahmen auf Kosten der Bürger.“ Der Hintergrund: Das Klinikum erhält seit zehn Jahren Leistungen von der Sana AG. Diese Leistungen werden vom Klinikum an die Sana Kliniken AG vergütet. Dafür fallen allerdings 19 Prozent Umsatzsteuer an, weil Mehrheitsgesellschafter nach wie vor die Stadt Hoyerswerda ist. Wäre Sana Mehrheitsgesellschafter, würden diese Steuern nach Klinikum-Angaben nicht anfallen. Die Folge: Das Klinikum würde – ohne dafür etwas im System ändern zu müssen – 219 000 Euro im Jahr einsparen, rechnet Klinikum-Sprecher Schweitzer vor. Er betont, bei einem Wechsel des Mehrheitsgesellschafters stünde dieses Geld für weitere Investitionen oder Tarifentwicklungen in Hoyerswerda zur Verfügung. Das würde bedeuten: Die AfD hat in ihrem Wahlkampf-Flugblatt die Unwahrheit verbreitet.

Die Stadt behält ihr Mitspracherecht

Auch in einem weiteren entscheidenden Punkt widerspricht der Klinikum-Aufsichtsrat um den Vorsitzenden Thomas Delling den Behauptungen aus dem AfD-Flugblatt. Dort wird behauptet, dass die Stadt Hoyerswerda ihr Mitspracherecht beim Klinikum verliere, wenn sie weitere Anteile abgibt. Klinikum-Sprecher Schweitzer betont, bei einer Abgabe der Anteile würden sich zwar die Mehrheitsverhältnisse verändern. „Das würde aber weder das Mitspracherecht der Stadt Hoyerswerda bei Entscheidungen verändern noch eine neue Zusammensetzung der Gesellschafterversammlung bedeuten“, so Schweitzer weiter. Das heißt: Auch diese Behauptungen der AfD sind nach Klinikum-Angaben falsch.

Die AfD hatte in ihrem Flugblatt zudem behauptet, dass nicht auszuschließen sei, dass „der Verkauf der Anteile mit Sparprogrammen, Kündigungen und sogar dem Weiterverkauf an dritte einhergehen wird...“ Auch in diesem Punkt widerspricht der Klinikum-Aufsichtsrat deutlich: „Beide Gesellschafter wollen unser Klinikum weiterentwickeln und die Arbeitsplätze sichern“, so Gernot Schweitzer.

Angebot von Sana

Das Angebot der Sana für den Fall einer weiteren Übernahme von zwei Prozent der Gesellschafteranteile lautet: Die Stadt Hoyerswerda bekommt einmalig dafür eine Million Euro. Zudem übernimmt die Sana Kliniken AG das Insolvenzrisiko für das Klinikum für weitere fünf Jahre und verpflichtet sich, innerhalb der nächsten fünf Jahre weitere zehn Millionen Euro in das Seenland Klinikum zu investieren.

Hintergrund der gesamten Diskussion sei eine Aufforderung des Sächsischen Landesrechnungshofes an die Stadt Hoyerswerda gewesen, die Anteilsverhältnisse so zu ordnen, dass sie den „wirtschaftlich-organisatorischen Gegebenheiten“ entsprechen, heißt es von Seiten des Klinikum-Aufsichtsrates. Diese Gegebenheiten sind: Die Sana Kliniken AG hat in den vergangenen Jahren den Großteil der Investitionen am Klinikum gestemmt. Nur dadurch habe es wieder – nach turbulenten Zeiten in den 2000er-Jahren – wieder in die schwarzen Zahlen kommen können.

Zweifel im Stadtrat bleiben

Im Hoyerswerdaer Stadtrat gibt es jedoch nach wie vor Zweifel, ob es richtig ist, Anteile am städtischen Klinikum an die Sana Kliniken AG zu verkaufen. Oberbürgermeister Stefan Skora sagte jüngst, die Entscheidungsfindung im Stadtrat sei noch nicht abgeschlossen. Der Stadtrat – vor der Sommerpause noch in alter Zusammensetzung – hatte das Thema nicht entscheiden wollen, weil er damals die Folgen einer solchen Entscheidung nicht vollständig hatte überblicken können.